Urteile der Woche Cannabisgesetz gilt bei Führerscheinverlust nicht rückwirkend
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30. November 2024, 05:00 Uhr
Fast täglich werden im Gerichtssaal wichtige Urteile gesprochen, die Einfluss auf unser Leben haben können. MDR AKTUELL präsentiert Ihnen die drei interessantesten dieser Woche in Kurzform.
Cannabisgesetz gilt bei Führerscheinverlust nicht rückwirkend
Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (AZ: 12 PA 27/24)
Finn Fünffinger* gönnt sich hin und wieder mit seinen Freunden einen Joint. So auch an einem Augustabend im Sommer 2021. Nach einem Treffen am See steigt der 26-Jährige in sein Auto und fährt nach Hause. Er gerät in eine Verkehrskontrolle. In seinem Blut werden 1,0 Nanogramm THC nachgewiesen. Die zuständige Behörde ordnet eine MPU an, also eine medizinisch-psychologische Untersuchung. Herr Fünffinger ignoriert die Anweisung. Daraufhin entzieht ihm die Behörde die Fahrerlaubnis.
Beschwerde und Klage gegen diese Entscheidung bleiben erfolglos - auch mit dem Inkrafttreten des neuen Cannabisgesetzes und des neuen Grenzwerts von 3,5 Nanogramm THC am Steuer.
"Da der Entzug der Fahrerlaubnis in diesem Fall vor dem Inkrafttreten des Cannabisgesetzes erfolgte, sind die neuen Regelungen nicht anzuwenden", erklärt das Oberverwaltungsgericht Lüneburg. "Entscheidend ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses." Die nicht befolgte MPU-Anordnung stehe dabei im Mittelpunkt. Der Autofahrer bekommt demnach für den kostenpflichtigen Entzug seiner Fahrerlaubnis kein Geld zurück.
Fahruntüchtigkeit durch Schnapspralinen eher unwahrscheinlich
Amtsgericht Frankfurt am Main (Az: 907 Cs 515 Js 19563/24)
Asmus Asbach* wird nachts von der Polizei angehalten, weil er eine rote Ampel überfahren hat. Die Beamten stellen bei ihm 1,3 Promille im Blut fest. Herr Asbach ist irritiert und liefert eine mögliche Erklärung: Er sei in der Sauna gewesen und auf dem Rückweg wegen Unterzuckerung auf einem Parkplatz eingeschlafen. Ein belgisches Ehepaar habe ihn später geweckt und ihm einen Beutel Pralinen angeboten. Davon habe er etwa neun Stück gegessen, den Alkohol aber nicht geschmeckt.
Am Amtsgericht Frankfurt am Main soll nun geklärt werden, wie glaubhaft das ist. Es bestellt einen Sachverständigen ein. Der stellt fest: Um 1,3 Promille zu erreichen, hätte der Angeklagte mindestens 130 Schnapspralinen essen müssen.
"Selbst wenn man zugunsten des Angeklagten annimmt, dass er nicht neun, sondern zwölf der tischtennisballgroßen Pralinen gegessen hat, hätte jede dieser Pralinen mehr als zwei Zentiliter eines 40-prozentigen alkoholischen Getränks enthalten müssen", erklären die Richter. In Anbetracht dieser Menge sei es mehr als unwahrscheinlich, dass der Angeklagte die alkoholische Füllung der Pralinen nicht bemerkt haben will. Der Angeklagte wird zu einer Geldstrafe verurteilt und muss seinen Führerschein abgeben.
Mineralstofftabletten dürfen nicht als "Anti-Kater"-Mittel bezeichnet werden
Oberlandesgericht Frankfurt/Main (Az. 6 Ukl 1/24)
Und nach dem ganzen Rausch geht es abschließend um Tabletten, die gegen den Kater helfen sollen. Wenn man die sucht, wird man bei einem großen Online-Versandhändler fündig. Der bewirbt Mineralstofftabletten als "Anti-Kater"-Mittel. Genau hiergegen richtet sich eine Klage von Wettbewerbshütern. Die sind der Überzeugung, bei den angebotenen Elektrolyt-Tabletten handele es sich um Nahrungsergänzungsmittel und nicht um Medizin. Die Werbung "Anti-Kater" verstoße gegen die europäische Lebensmittelinformationsverordnung.
Die Richter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main unterstützen diese Auffassung: "Die mit übermäßigem Alkoholkonsum verbundenen Symptome – Alkoholkater – sind als Krankheit einzustufen. Aussagen und Angaben, wonach ein Lebensmittel geeignet ist, diesen Symptomen vorzubeugen oder diese zu lindern, sind daher unzulässig."
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Es handelt sich hier um ein Versäumnisurteil. Der Händler kann also noch eine mündliche Verhandlung erzwingen.
*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 30. November 2024 | 08:21 Uhr