Eine Bronzestatue der römischen Göttin Justitia mit Waage und Richtschwert in der Hand
Justitia gilt als Symbol der Gerechtigkeit. Bildrechte: picture alliance / dpa | Arne Dedert

Urteile der Woche Jobcenter muss bei Ungezieferbefall für neue Möbel aufkommen

07. Dezember 2024, 10:54 Uhr

Fast täglich werden im Gerichtssaal wichtige Urteile gesprochen, die Einfluss auf unser Leben haben können. MDR AKTUELL präsentiert Ihnen die drei interessantesten Urteile dieser Woche in Kurzform.


Jobcenter muss bei Ungezieferbefall für neue Möbel aufkommen

Landessozialgericht Hamburg (Az: L 4 AS 153/23 D)

Familie Kratz* hat ein Problem. Die Wohnung der vierköpfigen Familie ist massiv mit Bettwanzen befallen. Jegliche Versuche, die Tiere zu bekämpfen, schlugen bislang fehl. Letztlich hilft nur noch, alle Polstermöbel zu entsorgen. Das Problem: Familie Kratz bezieht Sozialleistungen und kann sich neue Einrichtungsgegenstände nicht leisten. Also beantragt sie beim zuständigen Jobcenter zumindest die Übernahme der Kosten für ein neues Sofa. Das Jobcenter stellt sich zunächst quer, da es sich bei der Couch um eine Ersatzbeschaffung und nicht um eine Erstbeschaffung handelt.

Die Familie geht erst in Widerspruch und klagt dann vor dem Sozialgericht Hamburg. Zunächst alles ohne Erfolg. Im Berufungsverfahren zeigen die Richter Einsicht. "Der Schädlingsbefall stellt einen außergewöhnlichen Umstand dar, der eine erneute Bewilligung der Erstausstattung rechtfertigt. Zwar gab es zuvor bereits ein Sofa, die Notwendigkeit der Neuanschaffung aufgrund des Schädlingsbefalls unterscheidet sich jedoch grundlegend von einer Abnutzung durch normalen Gebrauch." Das Jobcenter muss das neue Sofa in Höhe von 200 Euro bezuschussen.


Kein Schmerzensgeld nach Unfall mit kaputter Kaffeekanne in Ferienwohnung

Oberlandesgericht Oldenburg (Az. 9 U 40/23) 

Wie genau muss sich der Vermieter einer Ferienwohnung das Inventar anschauen, um Unfälle zu vermeiden? Familie Wellental* macht Urlaub auf Wangerooge. Am ersten Urlaubsmorgen macht die Mutter das Frühstück und setzt Kaffee auf. Als sie die volle Kanne zum Frühstückstisch bringt, löst sich der Griff und der heiße Kaffee landet auf dem Oberkörper der sechsjährigen Tochter. Mit schweren Verbrennungen wird sie in eine Klinik geflogen. Das Ehepaar Wellental verklagt daraufhin die Vermieterin der Ferienwohnung auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Die beiden sind der Meinung, die Kanne sei nur provisorisch mit Kleber repariert gewesen. Die Vermieterin stellt aber klar, sie habe bei der Kontrolle der Wohnung keine Mängel festgestellt.

Auch das Oberlandesgericht Oldenburg sieht die Verantwortung nicht bei der Vermieterin. "Es ist nicht nachgewiesen worden, dass die Kanne schon von Anfang an, also schon bei Vertragsschluss, beschädigt war. Ein vom Gericht hinzugezogener Sachverständiger konnte zudem keine Reparaturspuren oder Klebstoffreste an der Kanne entdecken. Auch wenn die Halterung des Henkels bereits vorher instabil war, hätten der Vermieterin etwaige Vorschäden nicht auffallen müssen." Die Familie geht leer aus.


Keine Eigenbedarfskündigung wegen einzelnem Zimmer

Landgericht Berlin (Az. 65 S 163/22)

Eike Einwand* ist selbstständig und besitzt mehrere Wohnungen in Berlin. In einer der Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus lebt er selbst. Da er künftig gern häufiger von zu Hause aus arbeiten möchte, braucht er ein weiteres Zimmer. Die Lösung findet Herr Einwand in der Nachbarwohnung, die er vermietet. Er will die beiden Apartments so umbauen lassen, dass eines der Zimmer der Nachbarn in seine Wohnung integriert wird. Hierfür kündigt der Eigentümer den Mietern. Weil sie das nicht akzeptieren, erhebt Eike Einwand Räumungsklage.

Das Amtsgericht Berlin-Köpenick weist die Klage allerdings ab. Auch mit der Berufung am Landgericht Berlin hat der Vermieter keinen Erfolg, denn dort argumentieren die Richter: "In Ausnahmefällen kann ein Teilbedarf eine Kündigung rechtfertigen. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. So ist nicht ersichtlich, warum das Interesse an der Integration des Zimmers in die Wohnung des Vermieters stärker zu bewerten ist als das Interesse der Mieter am Erhalt der Wohnung." Die Kündigung wegen eines Zimmers ist hier also nicht möglich.

*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 07. Dezember 2024 | 08:21 Uhr

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