Der Redakteur | 11.06.2024 Einmal Muckis bitte: Wie sinnvoll sind Protein-Shakes für Jung und Alt?
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11. Juni 2024, 12:15 Uhr
Proteinpulver - mit Milch oder Wasser zu einem Shake angemixt - soll Sportlern helfen, "mehr Muskeln" auszubauen. Doch was bringen Eiweiß-Shakes wirklich?
Muskeln bauen sich ziemlich schnell ab, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Zum Beispiel, wenn man nur im Bett liegt. Diese ab- und aufbauenden Prozesse fänden ständig statt, erklärt Eduard Isenmann von der Sporthochschule Köln. Er arbeitet aktuell an einem Forschungsprojekt, das genau diese Zusammenhänge untersucht.
Aus der Gerontologie oder Alterswissenschaft sei bekannt, dass eiweißreiche Ernährung für den Erhalt der Muskulatur unerlässlich ist. Bei vielen älteren Menschen fehlt aber oft schon die Basis. Kommt dann eine längere Phase des Liegens, geht es schnell bergab. Das ist im Alltag spürbar. Neben ausreichender Zufuhr von Proteinen ist aber auch Bewegung wichtig: Muskeln brauchen nicht nur Eiweiß, sondern auch Reize. Die sind die Sprache der Muskeln.
80-Jährige sollten viel mehr Protein zu sich nehmen als 20-Jährige. Schauen wir uns das Konsumverhalten an, ist es aber genau umgekehrt.
Ist der Eiweiß-Shake alternativlos?
Eigentlich sorgt eine ausgewogene Ernährung für genügend Eiweiß im Körper. Pülverchen sind nicht nötig. Da sind sich Sportwissenschaftler und Internist einig. Wer jedoch "definierte Muskeln" haben möchte oder gar Bodybuilding machen will, der wird es schwer haben ohne Eiweißpräparate.
Wenn man ein ganz normaler Ausdauersportler ist, dann reicht eine normale gesunde Ernährung völlig aus, um gesunde Muskulatur aufzubauen beziehungsweise zu erhalten.
Wer morgens nur ein Marmeladenbrötchen genießt mit Kaffee schwarz, der hat eine Eiweißaufnahme nahe der Nulllinie. Gibt's jedoch Haferflocken mit Milch oder Joghurt, dann sieht das schon wieder ganz anders aus. Wer aus Zeitgründen zum Eiweiß-Shake greift, mache zwar schon einiges falsch, es sei aber keine ganz schlechte Alternative, so Dr. Eduard Isenmann von der Sporthochschule Köln.
Aber er empfiehlt, das Proteinpulver mit etwas Gesundem zu vermischen: einer Banane und Haferflocken zum Beispiel. Ältere Menschen haben oft wenig Appetit, auch hier gebe es eine Berechtigung, zum Shake zu greifen, bevor Muskeln verloren gehen und damit Alltagskraft.
Wer es aber schafft, regelmäßig Haferflocken oder Quark in den Tagesablauf einzubauen, der kann es auch ohne Pülverchen schaffen. Ansonsten ist es wie mit allen Stoffen: Die Dosis macht das Gift. Und wer mit Eiweißergänzungsmitteln nachhelfen will, der sollte vorher zumindest abklären lassen, ob die Nieren einwandfrei arbeiten, so die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin.
Es ist sehr einfach, einen Urin-Eiweißtest zu machen. Da muss man eine Urinprobe beim Hausarzt abgeben. Dieser Test sollte negativ ausfallen, wenn nicht, muss man weitere Untersuchungen anstellen.
Wie viel Eiweiß darf es sein?
Für die Allgemeinbevölkerung - ohne den Ehrgeiz, Muskelprotz oder Leistungssportler zu werden - sind 0,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht ausreichend. Bedeutet: Wer 75 Kilogramm wiegt, braucht 60 Gramm Proteine täglich. Zur Einordnung: 100 Gramm Haferflocken enthalten 13 Gramm Eiweiß, Magerquark ist ähnlich gut dabei, Fleisch ohnehin, Hülsenfrüchte haben auch viel Eiweiß, sogenannte Eiweißbrote ebenso.
Bedeutet: Wer eiweißreiche Kost mit auf dem Speiseplan hat, der kommt eigentlich ganz gut hin. Wer sich jedoch fast nur von Obst und eiweißarmen Gemüsesorten ernährt, bei dem könnte es knapp werden. Die Gesellschaft für Ernährung empfiehlt Erwachsenen über 65 Jahre etwas mehr als diese 0,8 Gramm, nämlich ein Gramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Wichtig hierbei: Übergewichtige, ältere Menschen brauchen nicht noch zusätzlich mehr Eiweiß. Sie sollten so rechnen, als hätten sie Normalgewicht.
Dass ältere Menschen mehr Eiweiß für den Muskelaufbau benötigen, liegt unter anderem daran, dass die Hormone fehlen, besonders Testosteron. Es wird einfach nicht mehr so gut umgesetzt. In diesem Fall ist auch der Internist Prof. Jan Galle nicht komplett dagegen, gegebenenfalls mit Eiweißpräparaten zu unterstützen, wenngleich die Grundskepsis bleibt.
Aber hier gilt die gemachte Einschränkung erst recht. Denn im höheren Alter hat man häufiger Organprobleme, deshalb vorher mit dem Arzt besprechen.
Ist es egal, wann ich das Eiweiß zu mir nehme?
Der aktuelle Stand der Wissenschaft ist: Auf mehrere Mahlzeiten verteilen, jeweils 20 bis 40 Gramm Eiweiß je Mahlzeit, abhängig davon, ob man eben drei oder fünf Mal am Tag isst. Und unsere Haferflocken mit Milch wären schon einmal diese 20 Gramm. 100 Gramm Hähnchenfleisch liefern auch etwas über 20 Gramm Protein, so kommt man den 60 Tagesgramm schon sehr nahe.
Aktuell laufen Studien, die untersuchen, ob für ältere Menschen vielleicht sogar 1,6 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht empfohlen werden sollten. Der Wert ginge dann in Richtung Leistungssportler. Aber auch da stellt sich vorher die Frage, was Leber und Nieren dazu sagen.
Erst Fitnessstudio, dann Protein-Shake?
Der Protein-Shake nach dem Pumpen ist wie das Weizenbier nach dem Fußball. Könne man machen, muss man nicht, sagt Dr. Isenmann.
Der Shake hat Vorteile nach dem Sport, er ist frei zugänglich. Aber theoretisch kann ich auch meinen Magerquark essen.
Grundsätzlich sollten Trainingstage mit einer ausgewogenen Ernährung einhergehen. Da hat man die Basis. Wer hier darauf achtet, dass doch ein paar Eiweiße mehr dabei sind, muss eigentlich gar nichts Künstliches ergänzen. Wichtig wäre es, nach dem Sport - also möglichst innerhalb der nächsten Stunde - unter anderem das zuzuführen, woraus der Körper die Muskeln formen will. Hier wäre der Protein-Shake denkbar oder eben Quark. Wer kann und mag, kann aber auch "normal" essen gehen.
Was wir vor allem bei ambitionierten Sportlern wissen, dass das Zeitfenster direkt nach der Belastung, also die ersten ein bis drei Stunden, entscheidend sind. Da müssen Kohlenhydrate und Proteine dabei sein.
Fehlen diese Stoffe, merkt man das schon am nächsten Tag, weil die Regeneration nicht so ist, wie sie sein sollte. Bei allem Eiweiß gilt: Der Körper braucht trotzdem die Reize. Dafür müsse man aber nicht bis zum Muskelversagen trainieren, erklärt Dr. Isenmann. Besonders ältere Menschen sollten sich lieber öfter betätigen. Also lieber dreimal die Woche und es dann stets etwas gemächlicher angehen.
Da sind wir bei der klassischen Gymnastik, wie ich sie von meiner Großmutter noch kenne.
Und jetzt noch einen Vitaminstoß zum Schluss?
Vitaminspritzen sind modern und nicht ganz billig. Extra Pillen ebenso. Dabei gibt es hier nur eine Indikation: ein echter Mangel. Ein Dialysepatient, der durch die Dialyse wasserlösliche Vitamine verliert, sollte diese zusätzlich aufnehmen, sagt Internist Galle.
Auch der Vitamin D-Hype füllt nur die Kassen der Anbieter. Wer keine Sonne abbekommt, könnte natürlich auch Vitamin-D-Mangel haben, aber normalerweise gibt es das in unseren Breiten nicht. Bei bestimmten Stoffen wird es aber bei Menschen kritisch, die sich vegan ernähren. Eisenmangel und Blutarmut sind da ein Problem, das ohne entsprechende Präparate nicht lösbar ist. Und während eine vegetarische Ernährung während einer Schwangerschaft noch recht gut funktioniert, sollten Veganerinnen aus Sicht von Prof. Galle eigentlich gar nicht schwanger werden. Da ist der Internist ziemlich klar in seiner Beurteilung.
Schwangerschaft und vegane Ernährung, das ist meines Erachtens nach Körperverletzung. Das ist ein hohes Risiko für die Hirn- und Nervenentwicklung des Kindes.
MDR (thk)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 11. Juni 2024 | 16:30 Uhr