Schale mit verschiedenen Nüssen
Informationen ständig aktuell zusammenzutragen, ist für Nussallergiker aufwendig. Bildrechte: IMAGO/imagebroker

Der Redakteur | 09.03.2023 Auf den Spuren der Nüsse: Worauf müssen Allergiker achten?

09. März 2023, 16:00 Uhr

Was bedeutet der Spurenhinweis auf Lebensmittelverpackungen? - Etwas anderes, als man vermuten könnte. Und wie finde ich heraus, ob eine Schokolade wirklich nussfrei ist? Redakteur Thomas Becker hat Antworten gefunden.

Thomas Becker
Bildrechte: MDR/Christoph Falkenhahn

Zunächst räumen wir mit zwei Irrtümern auf im Umgang mit den Kennzeichnungen. Der Hinweis "kann Spuren von Nüssen enthalten", ist keine verpflichtende Angabe in der EU und "Spuren" bedeutet auch nicht automatisch, dass da zwingend nur ein Hauch von Nichts enthalten ist. Laut EU-Recht müssen nur Zutaten deklariert werden und Allergene durch Fettdruck gekennzeichnet werden.

Was sozusagen "zufällig" in ein Produkt gelangt, ist hingegen keine Zutat. Daraus folgt: Wenn auf einer Verpackung kein Hinweis steht, dass z. B. "Spuren von Nüssen" enthalten sein können, darf man daraus nicht etwa schließen, dass auch tatsächlich keine Spuren enthalten sind. Die Angabe von Spuren ist zwar in der Schweiz verpflichtend, aber in der EU eben nur freiwillig.

Handelsübliche Wallnüsse
In der Lebensmittelproduktion ist die Liste der Fehlermöglichkeiten lang. Bildrechte: imago/Future Image

Wie kommen überhaupt Spuren in ein Produkt?

Lebensmittelproduktion ist in der Regel Massenproduktion. Die Liste der Fehlermöglichkeiten ist lang und muss nicht zwangsläufig etwas mit "Verschmutzung" und Schlamperei zu tun haben. Nehmen wir zum Beispiel Mehrwegbehälter, die für die Ernte und den Transport verwendet werden.

Wenn da beim Produzenten oder Großhändler einmal Erdnüsse, einmal Walnüsse und einmal Haselnüsse produziert werden, ist es nicht ausgeschlossen, dass sich ein paar vereinzelte Nüsse irgendwo festklemmen und sich irgendwann in falscher Gesellschaft wiederfinden.

Hinzu kommt, dass auch die Gefäße selbst kontaminiert sein können und Spuren weitertragen. Das gilt auch für Verarbeitungs- und Verpackungsmaschinen beim Großhandel oder später beim Produzenten. Wenn in einem Betrieb eine Fertigungslinie immer mal wieder auf andere Produkte umgestellt wird, kann es natürlich passieren, dass es zu Kontaminierungen kommt.

Wenn zum Beispiel die verklemmte Erdnuss ausgerechnet im Schokoriegel eines Allergikers landet, dann kann es durchaus auch lebensgefährlich werden. Deshalb ist auf Verpackungen mitunter der Hinweis zu lesen, was sonst noch so im Betrieb hergestellt wird.

Ich habe es tatsächlich schon erlebt, bei Osterhasen: identisches Produkt, ein Hase mit Spuren von Nüssen, einer nicht. Und dann habe ich gesehen, dass sie in verschiedenen Werken hergestellt wurden.

Tanja Preiser-Funke, Vorstand Nuss/Anaphylaxie Netzwerk (NAN) e.V.

Sojapflanze im Meer von Weizen

Und noch ein großer Unbekannter spielt mit: Die Natur selbst. Wenn auf einem Acker, auf dem schon einmal Soja stand, jetzt etwas anderes angebaut wird, dann kommen eben auch Sojaspuren ins Mehl, wenn sich die eine oder andere Sojapflanze im Meer von Weizen verselbständigt hat.

Das ist für die meisten Verbraucher unschädlich, nur es gibt eben extreme Fälle großer Empfindlichkeiten. Auch ist Soja bei uns noch nicht das ganz große Problem, aber in anderen Ländern wie in den USA, wo viel Soja angebaut wird, sind dessen Spuren in Mehl und daraus entstandenen Produkten wie Nudeln natürlich häufiger zu finden.

Wie bekomme ich detaillierte Informationen?

Leider gibt es keine Liste, die in Stein gemeißelt alle Schokoladensorten aufführt, die nussfrei sind. Das liegt daran, dass der Prozess dynamisch ist. Gerade Weltkonzerne haben verschiedene Fertigungsorte und es kann sein, dass die optisch identische Tafel, wenn sie im belgischen Werk produziert wird, keine Nuss-Spuren enthält, aus dem Werk in Italien aber eventuell schon. Weil dort eben auch Nüsse verarbeitet werden.

Der Verein "Nuss/Anaphylaxie Netzwerk - NAN" fragt auch mithilfe seiner Mitglieder regelmäßig bei den verschiedenen Herstellern an, in welchen Produkten Spuren von Nüssen oder anderen Allergenen auftreten können und in welchen nicht.

Schokoladenstückchen
Es gibt keine Liste, in der alle Schokoladensorten aufgeführt sind, die nussfrei sind. Bildrechte: imago images/Shotshop

Im Ergebnis deklarieren zum Beispiel Ferrero, Dr. Oetker, Unilever, Mondelez oder Kelloggs Spuren. Das heißt: Wenn hier eine Allergie-Gefahr besteht, sollte es normalerweise auf der Packung stehen. Die kleine Einschränkung "normalerweise" ist deshalb nötig, weil es immer Veränderungen geben kann. Sei es eben ein Werk- oder Lieferantenwechsel.

Normalerweise ändern die Hersteller ihre Strategien zur Spurendeklaration nicht. Aber zur Sicherheit fragen wir alle ein bis zwei Jahre nach, ob sich etwas geändert hat.

Tanja Preiser-Funke, Vorstand Nuss/Anaphylaxie Netzwerk (NAN) e.V.

Tanja Preiser-Funke betont aber auch, dass hinter der Spuren-Angabe in der Regel ein bewusstes Allergiemanagement der jeweiligen Firmen steckt, das auch dafür sorgen soll, dass die betroffenen Verbraucher die Firmen nicht permanent mit Anfragen überschütten. Das Anfrageaufkommen lässt sich mit einer klaren Kennzeichnung nämlich deutlich eingrenzen.

Muss ich jetzt Vereinsmitglied werden?

Grundlegende Informationen stellt der Verein für alle Interessierten zur Verfügung, aktuell fehlen nach einer Systemumstellung aber noch einige Seiten zu konkreten Firmen bzw. Produkten oder sind noch nicht wieder erreichbar.

Das zeigt auch: Die Informationen ständig aktuell zusammenzutragen und aufzubereiten, ist aufwendig und mühevoll und so ist es verständlich, dass die kompletten Informationen z. B. auch über kleinere Herstellerfirmen nur Vereinsmitgliedern zur Verfügung stehen. Der Mitgliedsbeitrag von nicht einmal 20 Euro pro Jahr ist für Betroffene sicher das geringste Übel. Dafür gibt es auch Vorträge und Schulungsangebote durch eingeladene Experten. In verschiedenen Facebook-Gruppen wie zum Beispiel in dieser von Erdnuss-Allergikern tauschen sich die Betroffenen zudem über die aktuellen Entwicklungen aus.

Denn auch wenn man weiß, welcher Hersteller welches Produkt spurenfrei herstellt, bleiben noch viele Fragen offen. Zum Beispiel: Wo gibt es ein bestimmtes als nussfrei deklariertes Produkt gerade zu kaufen? Auch den Stand der Forschung kann man hier sehr gut verfolgen. Denn irgendwie wäre es schon schön, wenn es irgendwann gar nicht mehr nötig wäre, ständig auf Spurensuche zu sein beim Einkaufen, Kochen und Essen. 

Was heißt was?

Was Deklarationen für Nussallergiker bedeuten (Hier geht es zur Quellel)

Kein Spurenhinweis: NICHT verzehren, es sei denn, es ist sicher, dass die Firma Spuren deklarieren würde.

"Kann Spuren von Senf und Sellerie enthalten":  Das Produkt kann verzehrt werden, weil mögliche andere Spuren gekennzeichnet werden würden.

"Enthält Milch": Das Produkt kann nicht ohne weitere Informationen verzehrt werden, denn Spuren sind gar kein Thema.

"Enthält Milch und kann Spuren von Gerste enthalten":  Das Produkt kann verzehrt werden, weil mögliche Spuren gekennzeichnet werden.

"Nussfrei": Das Produkt kann theoretisch verzehrt werden, weil sich "frei" auch auf Spuren beziehen muss. ABER: nicht alle Firmen halten sich daran, besonders bei offener Ware und bei Reformhausprodukten.

MDR (ifl)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 07. März 2023 | 16:40 Uhr

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