Allergie-Forschung Erdnuss gegen Erdnussallergie? So kann's klappen
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11. Januar 2023, 15:15 Uhr
Ob roh, gekocht, geröstet: Wer mit Erdnussallergie lebt, reagiert sogar auf kleinste Spuren eines speziellen Erdnussproteins. Ein US-Forschungsteam hat eine vielversprechende Desensibilisierungs-Methode entwickelt.
Unter den Lebensmitteln ist die Erdnuss in einer Beziehung spitze: Bei 23 Prozent der Allergien von Kinder und Jugendlichen in Deutschland sind es Erdnüsse, die nach dem Verzehr für zum Teil schwersten allergische Reaktionen, sogenannte Anaphylaxen, sorgen (Stand 2019, siehe pdf unter dem Artikel). Bei einer Erdnussallergie reagiert der Körper allergisch auf spezielle Proteine der Erdnuss, egal ob die Nüsse roh, geröstet oder gekocht gegessen werden.
Was passiert bei einer Anaphylaxe?
Die Mund- und Rachenschleimhaut schwillt minuten- bis stundenlang an oder kribbelt. Schlimmstenfalls kann es zu einem sogenannten anapyhlaktischen Schock kommen, einer Reaktion des Körpers, die binnen ein oder zwei Minuten zum Kreislaufkollaps, Atemstillstand, Krampfanfällen und Bewusstlosigkeit führen kann, wenn nicht sofort behandelt wird.
Ein Kraut war bisher nicht gegen diese Allergie gewachsen. Vielmehr helfen gesetzliche Vorgaben Menschen mit Erdnussallergie: Aufgedruckte Hinweise auf Lebensmitteln sorgen dafür, dass man nichts einkauft, was Spuren von Erdnüssen enthält. In den USA hat ein Forschungsteam zwischen Juni 2017 und Juli 2018 einen spannenden Ansatz mit vielversprechenden Ergebnissen getestet, der offenbar helfen könnte, dass Menschen mit Erdnussallergie wieder sorglos einkaufen und essen können. In der Studie, die ambulant durchgeführt wurde, bekamen 70 Kinder mit Erdnussallergie (Alter von sechs bis 18 Jahren) über zwölf Wochen zwölf Stunden lang gekochte Erdnüsse, dann weitere 20 Wochen zwei Stunden lang gekochte und am Ende 20 Wochen lang einfach geröstete Erdnüsse. Dabei variierte die Art, wie die Erdnüsse verabreicht wurden, in der ersten Phase beispielsweise zweimal am Tag in Pulverform. Im Verlauf der jeweiligen Phasen wurde die Erdnuss-Dosis immer weiter erhöht bis auf 12 Gramm Erdnüsse pro Tag.
Nicht alle der 70 Kinder und Jugendlichen blieben bis zum Ende der Studie dabei. 61 Prozent der Teilnehmenden berichteten von studienbedingten unerwünschten Ereignissen, drei von ihnen brachen den Versuch komplett ab. 56 von allen, die mitgemacht hatten, wurden gegen Erdnüsse desensibilisiert, also 80 Prozent. Die Studienautoren beschreiben ihre Therapieform mit dem Verzehr verschieden lang gekochter bzw. gerösteter Erdnüsse als "pragmatischen Ansatz, der bei günstigem Sicherheitsprofil eine wirksame Desensibilisierung zu bewirken scheint". Aus Sicht der Forscher sollte der Ansatz Desensibilisierung mit gekochten Erdnüssen in weiteren Studien noch tiefer verfolgt werden.
Mehr Sicherheit mit diesem Ansatz
Beim Stichwort "Sicherheitsprofil" scheint sich diese Studie von anderen Ansätzen zu unterscheiden, bei denen die Probanden ebenfalls mit oraler Immuntherapie (OIT) desensibilisert werden sollten, was auch bei einigen funktionierte. Allerdings zeigt eine Meta-Analayse von 12 anderen Studien solcher Desensibilisierungsansätze, dass bei den Kindern das Risiko für eine anaphylaktische Reaktion deutlich höher war als bei Kindern in Kontrollgruppen, die entweder ein Placebo oder gar keine Behandlung bekommen hatten. Außerdem war die Wahrscheinlichkeit, dass Adrenalin gespritzt werden musste, bei OIT-Kindern fast doppelt so hoch; und das Risiko für andere schwerwiegende Nebenwirkungen und nicht-anaphylaktische Reaktionen war ebenfalls erhöht.
Links/Studien
Daten zu Erdnussallergie: Allergologie, Jahrgang 44, Nr. 7/2021, S. 487
Die Studie"Oral immunotherapy using boiled peanuts for treating peanut allergy: An open-label, single-arm trial" lesen Sie hier im Original. Sie wurde im Fachmagazin Clinical & Experimental Allergy veröffentlicht.
Metastudie: "Oral immunotherapy for peanut allergy (PACE): a systematic review and meta-analysis of efficacy and safety"
lfw