Tipps vom Finanzexperten Kredit aufnehmen – ja oder nein?

28. März 2023, 09:50 Uhr

Wer jetzt Geld braucht, muss viel mehr Zinsen zahlen als bisher. Doch wofür ist es sinnvoll, Schulden zu machen? Haus? Auto? Job? Was sollten Sie beim Kredit aufnehmen und abzahlen beachten? Und warum ist eine Restschuldversicherung teurer Unfug, obwohl sie eigentlich nach einer klugen Absicherung klingt? Finanzexperte Hermann Tenhagen beantwortet die wichtigsten Fragen rund um Kredite.

Hermann-Josef Tenhagen von Finanztip
Hermann-Josef Tenhagen von Finanztip Bildrechte: Finanztip

Manchmal sind Kredite sinnvoll. Weil Sie umziehen müssen – und die alte Küche nicht mitnehmen können. Weil es für den neuen, deutlich lukrativeren Job ein verlässliches Auto braucht. Oder weil sofort eine Solaranlage aufs Dach soll, da es in diesem Jahr extra Förderung gibt. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die meisten einen Kredit brauchen, wenn sie sich eine Wohnung oder ein Haus kaufen wollen.

Wie hoch sind die Zinsen?

In diesem Jahr aber sollten Sie mit den Krediten aufpassen. Denn mit den Zinsen steigen auch die Zinsen für Kredite. Vergangene Woche hat die Europäischen Zentralbank (EZB) die Leitzinsen noch einmal um ein halbes Prozent erhöht. Gut möglich, dass Kredite in der nächsten Zeit noch einmal teurer werden, sie sind schon deutlich teurer als vor 18 Monaten.

Wie viel teurer das werden kann, können Sie an einem kleinen Beispiel mit dem Taschenrechner ausrechen:

  • Bisher: Wenn Sie 20.000 Euro Kredit für ein neues Auto brauchen und über fünf Jahre abbezahlen wollen, kostete das bei drei Prozent Zinsen im Jahr 2020 knapp 360 Euro im Monat.
  • Dieses Jahr: Bei fünf Prozent Zinsen heute – das ist eher preiswert – kostet Sie das gleiche Auto 380 Euro im Monat. Über 60 Monate sind das deutlich über 1.000 Euro mehr. Wenn Sie sieben Jahre für die Finanzierung brauchen, liegt der Aufpreis durch die Zinserhöhung sogar bei 1.500 Euro.

Achtung bei Dispokrediten

Beim Ratenkredit können Sie leicht merken, dass die Raten wegen der höheren Zinsen höher sind. Beim Dispo merken es viele Kunden nicht mehr. Aber auch die Zinsen für Dispokredite sind bei vielen Banken in jüngster Zeit um zwei bis drei Prozent gestiegen.

Wer im Schnitt über den Monat 2.000 Euro im Dispo ist, zahlt übers Jahr statt 160 Euro dann 220 Euro Zinsen.

Und bei acht beziehungswiese elf Prozent Zinsen für den Dispo, ist noch nicht einmal die teure Sparkasse gemeint.

Kredit aufnehmen – der klassische Dreischritt

1. Brauchen Sie den Kredit wirklich?

Eine Kreditkarte wird über den Tisch gereicht.
Haus, Auto oder Job – nicht jeder Kredit ist sinnvoll. Bildrechte: Colourbox.de

Vielleicht können Sie die alte Küche doch mitnehmen, läuft das Auto noch vier weitere Jahre ganz manierlich. Das ist in den meisten Fällen die preiswerteste Lösung. Zumal Sie ja in der Zwischenzeit ansparen können. Und anschließend vielleicht dann nur noch 10.000 Euro Kredit für Küche oder Auto brauchen. Auf guten Tagesgeldkonten gibt es inzwischen in den ersten Monaten deutlich über zwei Prozent, langfristig wenigstens knapp unter zwei Prozent.

2. Wie schnell können Sie einen Kredit realistisch zurückzahlen?

Grafik - Monatsrate und Summe-Zinsen für ein Darlehn mit Laufzei von einem bis zu zehn Jahren
Beispiel für Zinsen für ein Darlehen Bildrechte: MDR/Finanztipp

Schnell und realistisch, beides ist wichtig. Schnell: Je schneller Sie zurückzahlen, desto weniger Zinsen müssen Sie zahlen. Realistisch: Wenn Sie Ihre Raten am Schluss bezahlen, indem Sie in den Dispo gehen, haben Sie mit Zitronen gehandelt. Der Dispokredit ist viel teurer als Ihr Ratenkredit für fünf Prozent Zinsen. Das wäre also eine teure und unglückliche Lösung.

3. Zinsen vergleichen lohnt sich

Nutzen Sie dazu am besten gleich mehrere Kreditvergleichsportale. Die Unterschiede sind riesig. Und zwei Prozent Unterschied bei einem Kredit über 20.000 Euro kosten Sie glatt 1.000 Euro an Zinsen.

Unbedingt vermeiden sollten Sie teure Fallstricke, wie eine Restschuldversicherung, die von manchen Banken und Sparkassen immer noch gern angeboten wird. Das Produkt ist teuer, die Versicherungsleistung oft gering und große Teile ihrer Kosten dienen nur dazu, den Vertrieb zu bezahlen.

Die Finanzaufsicht BaFin hat ermittelt, dass in der Vergangenheit oft 50 bis 70 Prozent der Prämien für die Vertriebskosten bezahlt wurden – nicht für den Schutz.    

Was Sie beim Baukredit beachten müssen

Mehrfarbige transparente Gehäuseblasen unterschiedlicher Größe auf schwarzem Hintergrund, die das Konzept der Inflation darstellt.
Einen Baukredit sollten Sie auch so schnell wie möglich abzahlen. Bildrechte: IMAGO / Addictive Stock

Die Baufinanzierung als größter Kredit im Leben einer normalen Kundin habe ich aus der Betrachtung glatt draußen gelassen. Bei diesem Darlehen gilt eine etwas abgewandelte Logik. Als erste Frage sollten Sie prüfen, ob Sie Eigentümerin werden oder Mieterin bleiben wollen.
Wenn der Kredit aufgenommen wurde, gilt aber schon wieder die gleiche Logik.

Tipps vom Experten:

1. Zahlen Sie Ihren Baukredit so schnell wie möglich ab. Dann zahlen Sie weniger Zinsen, es wird billiger.

2. Übertreiben Sie es aber nicht mit den Raten. Raten, die Sie bezahlen, in dem Sie in den Dispo gehen, sind viel zu teuer.

3. Besser eine niedrigere Rate und regelmäßige Sondertilgungen, wenn dann Geld übrig ist.

4. Vergleichen Sie die Zinsen. Ein günstiger Zins spart über die 25 bis 30 Jahren, die einen Baufinanzierung oft braucht, schnell einige zehntausend Euro. Dafür müssten Sie sehr lange arbeiten. Beim Vergleichen helfen Ihnen die Baufinanzierungsportale. Wenn Sie dort ein gutes Angebot bekommen haben, lässt sich auch leichter mit der Hausbank verhandeln.

Frisch ans Werk: erst der persönliche Kredit-Test, dann der Kredit-Vergleich und dann so schnell wie möglich zurückzahlen.

Hermann-Josef Tenhagen

MDR (jba)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 28. März 2023 | 17:00 Uhr

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