Großeltern und Enkel Wenn sich Großeltern in die Erziehung einmischen
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30. Januar 2023, 13:54 Uhr
Oma und Opa wollen mithelfen. Das kann eine Erleichterung für die Eltern sein, aber auch schnell zu ungewollten Streitigkeiten führen – vor allem dann, wenn sich Großeltern in die Erziehung einmischen wollen. Bei vielen Punkten ist Zoff zwischen Eltern und Großeltern unvermeidlich. Worauf beide Seiten achten sollten und warum ein guter Rat nicht immer gut gemeint ist, weiß Erziehungsberaterin Nora Imlau.
Omas und Opas sind heute anders: Die Zeiten, in denen nahezu alle Kinder eine Oma in Kittelschürze hatten, sind längst vorbei. Die heutigen Großmütter und Großväter, die sogenannten Silver Ager, halten den Kontakt zu ihren Enkelkindern bevorzugt per Smartphone. Ihre Beziehungen zu den Enkeln sind so verschieden, wie Beziehungen eben sind.
Es gibt Großeltern, die ...
- bei der Geburt ihrer Enkelkinder noch voll im Berufsleben stehen und keine Zeit für regelmäßige Oma-Opa-Nachmittage haben
- gerne reisen oder manchmal sogar weit weg im Ausland leben
- noch einmal frisch verliebt ihr Leben genießen wollen
Manche tun sich mit kleinen Kindern schwer, andere können sich nichts Schöneres vorstellen, als auf dem Fußboden sitzend mit Bauklötzen zu spielen. Fest steht, dass grundsätzlich liebevolle, zugewandte Großeltern für Enkelkinder eine immense Bereicherung sind.
Verwöhnen und Ausnahmen – Was dürfen Großeltern?
Insbesondere mit Regeln und Verboten der Eltern nehmen es Großeltern oft nicht so genau. Da darf das Vorschulkind plötzlich länger fernsehen, da gibt es Schokolade vor dem Abendessen, nach dem Zähneputzen noch ein Gummibärchen und da wird die Schlafenszeit nicht genau eingehalten.
Für viele Großeltern erfüllt sich mit derlei Ausnahmen und kleinen Großzügigkeiten ein lang gehegter Wunsch: Hatten sie als Eltern das Gefühl, streng sein und erziehen zu müssen, dürfen sie nun endlich einfach nur weich und freundlich sein.
Für viele Eltern ist das gar nicht so leicht auszuhalten: Warum sind die zu meinem Kind so viel netter als zu mir damals? Und tatsächlich ist es ja auch schmerzhaft, in den eigenen Eltern als Großeltern eine Warmherzigkeit zu entdecken, die einem selbst in der eigenen Kindheit vielleicht gefehlt hat.
Was ist gut für die Kinder?
Großeltern sollten beachten: Wenn sie andere Dinge erlauben als die Eltern, kann das nicht nur zu Spannungen zwischen Eltern und Großeltern, sondern auch zu Verunsicherung bei den Kindern führen.
Umgekehrt müssen sich Eltern jedoch auch keine Sorgen machen, wenn Großeltern in manchen Belangen etwas strenger sind, als sie selbst. Ebenso ist es okay, wenn sie eigene, aus Elternsicht vielleicht seltsame Regeln aufstellen, die ihnen fremd sind – dass aus ihren Kissen etwa keine Höhlen gebaut werden dürfen oder dass sie beim Essen keine Kinderlieder hören wollen.
Für Kinder sind solche Unterschiede zwischen verschiedenen Haushalten meist kein Problem. So lange die Großeltern ihnen nichts Unmögliches abverlangen, halten sie sich meist gerne und problemlos an andere Regeln. Wenn nicht, ist es die Sache der Großeltern, dafür eine Lösung zu finden. Natürlich kann es dadurch auch dazu kommen, dass Kinder ihre Großeltern manchmal anstrengend oder nervig finden.
Braucht es Großeltern als Bezugspersonen?
Für viele Kinder sind ihre Großeltern die wichtigsten Bezugspersonen nach den Eltern. Das liegt auch daran, dass sie ein Maß an Vertrautheit und Fremdheit in sich vereinen, das für die kindliche Entwicklung geradezu optimal ist: Weil sie die Eltern der Eltern sind, gibt es meist gewisse familiäre Gemeinsamkeiten, die es Kindern leichtmachen, ihr Vertrauen in die eigenen Eltern auf Oma und Opa zu übertragen.
Gleichzeitig sind Großeltern eben auch ganz eindeutig anders als die eigenen Eltern, in ihren Werten und Vorstellungen ebenso wie in ihrem Verhalten. Und genau in diesem Spannungsfeld liegt für Kinder ein ganz wertvolles Potential.
Auch in der Vermittlung von Werten und Grundüberzeugungen sind die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Eltern und Großeltern für Kinder so spannend wie gewinnbringend: Manche Familientraditionen erkennen sie vielleicht von zu Hause wieder – etwa, wenn die Großeltern abends dasselbe Schlaflied singen, das sie ihren Kindern früher vorgesungen haben. Manche Riten gibt es so vielleicht nur bei der älteren Generation, weil die jüngere entschieden hat, sie selbst nicht fortzuführen.
Im besten Fall werden Großeltern für Enkelkinder so zu vertrauten Bindungspersonen, mit denen sie gerne Zeit verbringen und von deren Impulsen sie als kleine Kinder ebenso profitieren wie später als Jugendliche.
Tipps um Konflikte zwischen Eltern und Großeltern zu lösen
Genau, wie es heute sehr unterschiedliche Wege gibt, Elternschaft und Familie zu leben, haben heutige Großeltern ebenfalls sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, wie sie ihre Großelternschaft leben wollen. Den meisten Familien gelingt es gut, darüber in Austausch zu kommen und einen Weg zu finden, die unterschiedlichen Erwartungen einigermaßen unter einen Hut zu bekommen.
Schwierig wird es hingegen immer dann, wenn die Erwartungen von Großeltern so gar nicht mit dem zusammenpassen, was Kinder und Enkel sich vorstellen. Das kann in zwei Richtungen passieren:
- Manchmal würden sich Kinder und Enkel mehr Großeltern-Präsenz und Engagement wünschen, doch die ältere Generation hat daran kaum Interesse.
- Manchmal wünschen sich Großeltern jedoch auch ein Maß an Kontakt und Involviertheit, das sich für Familien erdrückend und überfordernd anfühlt.
Hier gilt es Tipp 1 zu berücksichtigen:
Tipp 1: Den richtigen Mittelweg zwischen zu viel und zu wenig Kontakt finden.
Was zudem im Blick bleiben sollte: Für manche Großeltern ist die Zeit mit ihren Enkelkindern unglaublich anstrengend. Gerade wilde und laute Kleinkinder sind selbst für rüstige Omas und Opas teilweise kaum zu bändigen. Eltern sollten dann nicht beleidigt sein, dass die tollen Kinder ihren Großeltern anscheinend schon wieder zu viel sind, sondern Tipp 2 beherzigen:
Tipp 2: Ein empathischer Perspektivwechsel kann helfen.
Wer selbst nie gelernt hat, stürmische Dreijährige ohne Druck und Strafen zu begleiten oder wer aufgrund körperlicher Einschränkungen und schwindender Kräfte schnell in die Überforderung rutscht, liebt die Kinder nicht weniger – die Bedürfnisse der unterschiedlichen Generationen lassen sich nur gerade einfach schwer vereinbaren.
Doch das bleibt ja nicht so: Aus kleinen Wirbelwinden werden vernünftige Schulkinder und ruhigere Teenager. Und entlang dieses Weges wird es auch wieder leichter werden, gemeinsam Zeit zu verbringen. Bis dahin besteht unsere Aufgabe darin, den dritten Tipp zu beachten:
Tipp 3: Den Draht zwischen Enkeln und Großeltern so gut es geht aufrecht erhalten, ohne die Beteiligten zu überfordern.
Verschiedene "Großeltern-Typen" haben verschiedene Bedürfnisse
Als Großvater oder Großmutter wird man nicht geboren, man wächst in diese Rolle nach und nach hinein. Während es manchen einfach gelingt, tun sich andere schwer, ihrer neuen Verantwortung gerecht zu werden. Statt Gelassenheit und Freude bringt das dann Ärger und Probleme mit sich und so brauchen unterschiedliche Großelterntypen unterschiedliche Lösungen.
Typ – "Das musst du ganz anders machen"
"Habt ihr denn keine festen Essenszeiten?"
"Das Kind muss längst ins Bett!"
"Ben sollte weniger fernsehen."
"Lucie sollte lernen, sich allein zu beschäftigen."
Solche oder ähnliche Sätze kennen wir alle. Häufig sind es harmlose, gut gemeinte Ratschläge für Eltern von ihren Eltern. Aber sie kommen nicht immer gut an. Großeltern dieses Typs haben klare Vorstellungen über "richtige" Erziehung. Sie beäugen misstrauisch die Erziehung der Enkelkinder und mischen sich gern in das Erziehungskonzept der eigenen Kinder ein. Diese werden nicht als Erwachsene betrachtet, die eigenverantwortlich ihre Kinder erziehen können.
Dadurch fühlen sie sich nicht als Eltern und selbständige Familie wahrgenommen, sondern gegängelt und bevormundet. Das erzeugt Frustration und Groll, der sich abrupt entladen kann. Kränkungen auf beiden Seiten sind die Folge.
Expertinnenrat:
Zwischen den Generationen muss für Intimität, Abstand und klar erkennbare "Hoheitsbereiche" gesorgt werden. Großeltern sehen viele Dinge anders oder auch klarer als Eltern. Das dürfen sie auch ruhig ausdrücken, solange sie keinerlei Erwartung oder Forderung an ihre Kinder damit verbinden.
Für ein friedliches Miteinander gilt: Die Großeltern dürfen sich äußern und an der einen oder anderen Stelle auch mit Nachdruck ihre Meinung sagen. Entscheiden aber dürfen nur die Eltern allein.
Typ – "Das hätten wir uns früher nicht erlauben dürfen"
Großeltern sind lebende Zeitzeugen und verkörpern ein Stück Geschichte, die sich in ihrem eigenen Erleben widerspiegelt und im Schicksal ihrer Herkunftsfamilie. Meistens geschieht das durchs Erzählen von Geschichten, "wie es früher war“. Manchmal ist damit auch eine indirekte Kritik gegen die jüngeren Generationen verbunden: "Ihr habt ja keine Ahnung, was wir alles durchmachen mussten."
Expertinnenrat:
Berichte aus der Vergangenheit sind nicht nur erlaubt, sondern äußerst wichtig für die gesamte Familie. Man sollte sich dabei aber um wertfreie, gelassene Darstellung bemühen.
Großeltern sollten dankbar sein, dass sie selbst in Frieden und Wohlstand alt werden können und dass ihre Kinder es nicht so schwer haben wie sie damals. Die Gespräche sollten jedoch ausgewogen verlaufen: Wenn die Großeltern eine Viertelstunde von früher erzählt haben, hören sie sich 15 Minuten lang die Erlebnisse und Sorgen der jüngeren Generation an.
Typ – "Nennt uns bloß nicht Oma oder Opa“
Wenn Oma und Opas selbst noch voll aktiv im Berufsleben stehen, sich jugendlich und gesundheitlich fit fühlen, unternehmungslustig sind und ihren eigenen Interessen nachgehen, gehören sie zu diesem Typ: sehr moderne Großeltern. Weil sie selbst noch lange kräftig mitmischen wollen, fühlen sie sich durch ihre Enkel nach außen als "altes Eisen" oder "alte Leute" abgestempelt. Am liebsten möchten sie daher auch nicht gern Opa oder Oma genannt werden.
Expertinnenenrat:
Die Großelternrolle sollte man bewusst annehmen. Sie gehört zu den kostbaren Erfahrungen, die bei sinkender Geburtenzahl immer weniger Menschen machen können.
Freunde kann das Enkelkind genug haben, Oma und Opa gibt es nur je zwei Mal. Durch die Beschäftigung mit den eigenen Enkelkindern können auch Großeltern ihre Persönlichkeit weiterentwickeln. Enkel sind ein Geschenk.
MDR (jba, lk)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 30. Januar 2023 | 17:00 Uhr