Inflation Ungarn: Gedeckelte Lebensmittelpreise für Orbáns Wahlsieg
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11. Februar 2022, 14:14 Uhr
Auch in Ungarn erreicht die Inflation neue Rekordwerte. Für Viktor Orbán ist das ein großes Problem, denn am 3. April wird in dem Land gewählt und erstmals seit Jahren gibt es einen Gegenkandidaten, der dem ungarischen Machthaber gefährlich werden könnte. Um die Stimmung wenigstens ein wenig zu beruhigen, hat er deshalb eine Preisobergrenze für einige Grundnahrungsmittel eingeführt – auf Kosten des Einzelhandels.
Kristallzucker, Weizenmehl, Sonnenblumenöl, Schweinskeulen, Hähnchenbrust, Hühnerrücken und Milch mit 2,8 Prozent Fettgehalt – bei diesen Waren wird das "Rad der Geschichte" zurückgedreht. Einzelhändler müssen sie zu Preisen abgeben, zu denen sie die Produkte am 15. Oktober 2021 im Angebot hatten. Sollte der Preis nicht zu ermitteln sein, gilt der Durchschnittspreis von diesem Tag, den das Statistikamt errechnet hat. Die Regelung gilt vorerst bis zum 1. Mai.
Preisbeispiele Seit dem 1. Februar gelten in Ungarn folgende Durchschnittspreise des Statistikamtes: Hähnchenbrustfilet umgerechnet 4,51 Euro (1600 Forint) das Kilo, Schweinskeule 4,01 Euro (1420 Forint) das Kilo, ein Liter Milch 0,81Euro (268 Forint). Sie kommen immer dann zur Anwendung, wenn der Händler seinen tatsächlichen Preis vom 15. Oktober 2021 nicht ermitteln kann.
Die Regierung in Budapest will nach eigenen Angaben die Bevölkerung auf diese Weise vor den Folgen der europaweit rasant steigenden Inflation schützen und erhofft sich gleichzeitig, die Inflation damit bremsen zu können. Im Dezember 2021 lag die Inflation in Ungarn gegenüber dem Vorjahresmonat bei 7,4 Prozent.
Preisstopp auf Kosten des Einzelhandels
Die Einnahmeverluste, die durch die Preisbremse entstehen, werden auf den Einzelhandel abgewälzt. Einen Schadenersatz vom Staat erhalten die Händler nicht. Sie wurden zudem verpflichtet, in den Geschäften deutlich erkennbar Schilder anzubringen, die die Kunden über den Preisstopp der Regierung informieren.
Große Ketten wie Spar, Lidl und Tesco haben deshalb angefangen, preisgedeckelte Lebensmittel zu rationieren und geben sie nur bis zu einer bestimmten Höchstmenge pro Kunden ab. Sie begründen das damit, eine kontinuierliche Versorgung der Bevölkerung sicherstellen zu wollen. Spar berichtete von einer steigenden Nachfrage durch die gesenkten Preise. Lidl wiederum will sich nach eigenen Angaben vor Großeinkäufen durch Gewerbetreibende, etwa Restaurantbesitzer, schützen.
Opposition fordert Mehrwertsteuersenkung
Der Preisstopp birgt politischen Zündstoff. Die ungarische Opposition kritisiert die Preisdeckelung als Scheinmaßnahme und fordert stattdessen eine Mehrwertsteuersenkung nach polnischem Vorbild. Polen hat diesen Schritt bereits gemacht, und zwar radikal: Ab Februar wurde eine Null-Mehrwertsteuer für Lebensmittel eingeführt. Doch dafür gibt es nach Ansicht der Regierung in Budapest keine Spielräume.
Ist Ungarn ein armes Land?
Für Debatten sorgt außerdem die Position Hähnchenrücken auf der Liste der preisregulierten Lebensmittel. Aufgrund des geringen Fleischanteils handelt es sich dabei um die am wenigsten wertvollen und deshalb billigsten Hähnchenteile. Dass sie auf der Liste der Grundnahrungsmittel stehen, wirft nach Ansicht vieler Kommentatoren und Oppositionspolitiker schwerwiegende Fragen über den Wohlstand der Gesellschaft auf. In den Augen der Opposition ist der Preisstopp auch deshalb ein Beleg für das Scheitern der Wirtschaftspolitik Orbáns.
Ungarn ist übrigens nicht das einzige Land in Europa, in dem die Lebensmittelpreise gedeckelt wurden. Als Vorbild fungierte nach Angaben der ungarischen Regierung Serbien. Auch dort stehen übrigens am 3. April Wahlen an. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 17. Januar 2022 | 12:45 Uhr