Polen Rumänische "Pilz-Mafia" plündert Polens Wälder

18. September 2021, 16:16 Uhr

Organisierte Pilzsammlergruppen aus Rumänien sind derzeit in Polens Wäldern unterwegs – zum Unmut der Einheimischen, denen Pilzsammeln fast ein nationales Heiligtum ist. Mehr noch: Mit ihrem Treiben könnten die "Invasoren" so mancher Familie sogar das Weihnachtsmenü ruinieren – denn getrocknete Waldpilze sind eines seiner Hauptbestandteile. Eine Pilzposse aus Polen.

Alle Jahre wieder – so könnte man inzwischen das bezeichnen, was sich in manchen polnischen Wäldern derzeit abspielt. Pilzsammler-Gruppen aus Rumänien fahren gerade die "Ernte" ein – das dritte Jahr in Folge. Sie kommen mit Kleinbussen angereist und fallen wie Heuschrecken über die Wälder her: Einige Dutzend Menschen schwärmen aus, sammeln alles ein, was nicht giftig ist, und ziehen dann zum nächsten Waldstück weiter. Die Ernte des Tages wird am Abend sortiert, verpackt und mit Kühltransportern noch in der Nacht nach Westeuropa verfrachtet. Nach Recherchen der Tageszeitung Gazeta Wyborcza werden die Pilze nach Deutschland und Frankreich verkauft.

Volkssport Pilze sammeln

Das sorgt für Ärger bei den Einheimischen, denn Pilze sammeln ist in Polen eine Art Volkssport, dem im Herbst viele Menschen nachgehen. Nachbarn und Verwandte wetteifern dann, wer die meisten nach Hause bringt. Wer seinen Facebook- oder Instagram-Feed mit einem fotografierten Kofferraum voller Pilze schmücken kann, ist Pilzkönig im Dorf.

Der Großteil der Ernte, der nicht sofort verbraucht werden kann, wird in Essig eingelegt - eine beliebte Beigabe zu Wodka bei Familienfesten -, vor allem aber getrocknet, damit man sich auch im Winter an dem Geschmack erfreuen kann. Getrocknete Pilze sind aus dem traditionellen polnischen Weihnachtsmenü nicht wegzudenken: Sie kommen als Suppe, Maultaschen- und Pfannkuchenfüllung auf den Tisch. Kein Wunder, dass man die rumänische Konkurrenz – von der Presse als "Pilz-Mafia" tituliert – am liebsten zum Teufel jagen würde.

Förster gegen "Pilz-Mafia"

Doch die Förster sind angesichts der zahlenmäßigen Überlegenheit des "Gegners" machtlos, obwohl das Treiben illegal ist. Zwar ist Pilzsammeln für Privatpersonen erlaubt, allerdings nur für den Eigenbedarf. Wer das in großem Stil und kommerziell macht, muss dagegen einen Vertrag mit dem Forstamt abschließen. Doch es ist schwierig, die rumänischen "Pilz-Mafiosi" zur Verantwortung zu ziehen, berichten Förster der Presse. Die Staatsanwaltschaft, die sie schon im vorigen Jahr verständigt hätten, habe nicht einschreiten wollen. Und wenn man die Rumänen selbst auf ihr Tun anspreche, komme die Antwort, sie hielten sich als EU-Bürger legal in Polen auf und die Wälder seien doch für alle zugänglich. Unter der Hand geben die Forstbeamten außerdem zu, dass sie etwas Bammel haben, gegen eine größere Gruppe junger männlicher Pilzsammler mit aller Härte des Gesetzes vorzugehen, während sie selbst alleine durchs Revier streifen. Zumindest in diesem Punkt wird es aber in diesem Jahr Besserung geben: Die Forstbeamten bekommen Verstärkung von der Polizei.

Frau mit einer Handvoll Pilze
Für alle: In Polen darf jeder für den Eigenbedarf Pilze sammeln. Bildrechte: imago images/Westend61

Pilze als Politikum

Die Rumänen gehen bei ihrer großen Pilzernte übrigens immer raffinierter vor: In früheren Jahren kamen sie noch in kleineren Grüppchen und mit Pkw angereist. Sie schliefen Augenzeugenberichten zufolge unter freiem Himmel, kampierten an Rastplätzen im Wald, machten Lagerfeuer. In diesem Jahr kommen sie mit Kleinbussen und übernachten in Pensionen. Vor einem Jahr rief die "Invasion" sogar eine Parlamentsabgeordnete der regierenden PiS-Partei auf den Plan: Krystyna Wróblewska schlug vor, für ausländische Pilzsammler gesetzliche Höchstmengen einzuführen. "In erster Linie sollten Polen Profit aus unserem Nationalgut, den Pilzen, ziehen", argumentierte sie – ohne Erfolg. In diesem Jahr gibt es aber einen Hoffnungsschimmer für die Anwohner der ausgeplünderten Wälder: Prognosen zufolge sollen in den kommenden Wochen, ganz anders als im Vorjahr, Pilze in Hülle und Fülle aus dem Boden sprießen. Sie könnten also für alle reichen – Mutter Natur schafft es diesmal ohne Schützenhilfe aus der Politik.

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 12. September 2019 | 21:00 Uhr

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