Südthüringen Stichwahl im Kreis Sonneberg: CDU und AfD kämpfen um Landratsposten
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24. Juni 2023, 17:54 Uhr
Am Sonntag könnte es so weit sein: Zehn Jahre nach Gründung will die AfD erstmals einen Landrat stellen. Es geht um Sonneberg in Thüringen. Aber nicht nur für die Partei geht es um mehr.
- Die AfD könnte laut Umfragen derzeit in Thüringen die meisten Stimmen holen
- In Sonneberg gibt es am Sonntag eine Stichwahl, weil kein Kandidat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erhielt
- Politikwissenschaftler hält die Landtagswahl 2024 für entscheidend
Im brandenburgischen Landkreis Oder-Spree hat es nicht geklappt, in Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt Schwerin auch nicht - jetzt startet die AfD innerhalb weniger Wochen ihren dritten Versuch, ein kommunales Spitzenamt zu erobern. In Thüringen geht es an diesem Sonntag darum, ob ihr Bewerber Robert Sesselmann oder der CDU-Kandidat Jürgen Köpper für sechs Jahre als Landrat im Kreis Sonneberg das Sagen hat.
"Schreiben Sie Geschichte und wählen sie Robert Sesselmann, den ersten AfD-Landrat", wirbt Bundeschefin Alice Weidel persönlich in einem Wahlwerbespot. Es ist nur eine Landratswahl, aber nicht nur die AfD ist gespannt. Die übrigen Parteien blicken eher mit Entsetzen auf den Landkreis im Thüringer Wald, in dem rund 57.000 Menschen leben.
Bundesweites Umfragehoch für AfD
Kann Sonneberg der Durchbruch für die Rechtsaußenpartei werden? Bahnt dies den Weg zu Wahlsiegen auch auf Landesebene im Osten? Zehn Jahre nach ihrer Gründung könnte die AfD einen Präzedenzfall schaffen - ausgerechnet in Thüringen, wo sie mit Partei- und Fraktionschef Björn Höcke vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft ist und beobachtet wird. Letztlich geht es ihr um den Nachweis, wählbar zu sein.
Wir haben erstmals die Chance, in politische Verantwortung zu kommen.
Bundesweit liegt die AfD in Umfragen derzeit bei 18 bis 20 Prozent, in den fünf östlichen Bundesländern erzielt sie deutlich höhere Werte. In Thüringen sah eine Umfrage im April die AfD mit 28 Prozent als stärkste Partei vor der Linken mit 22 Prozent. In Sachsen war sie im April mit 28 Prozent bei Insa ebenfalls Nummer eins vor der CDU mit 25 Prozent, in Brandenburg lagen AfD und SPD mit jeweils 24 Prozent gleichauf. In allen drei Bundesländern sind 2024 Landtagswahlen.
Keine absolute Mehrheit im ersten Wahlgang
In Sonneberg schaffte Sesselmann, derzeit Landtagsabgeordneter und Rechtsanwalt, in einem ersten Wahlgang vor knapp zwei Wochen aus dem Stand 46,7 Prozent. Weil er die absolute Mehrheit verfehlte, geht es nun in die Stichwahl gegen Köpper, der auf 35,7 Prozent kam. Landes- und Bundespolitiker sind so alarmiert, dass Linke, SPD, Grüne und FDP allesamt dazu aufriefen, Köpper zu unterstützen.
Es ist das berühmte erste Mal, das heizt die Wahl auf.
"Wir haben erstmals die Chance, in politische Verantwortung zu kommen", sagt der Thüringer Co-Landeschef Stefan Möller. "Wir können bei einem Wahlerfolg beweisen, dass mit der AfD die Welt nicht untergeht, dass nicht das Dritte Reich ausbricht, sondern das Gegenteil der Fall sein wird." Das Image, institutionsfeindlich zu sein und nicht liefern zu können, könnte die Partei dann widerlegen, sagt Möller.
Politikwissenschaftler: Landtagswahlen 2024 entscheidend
Der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz hängt die Latte deutlich tiefer. "Es ist das berühmte erste Mal, das heizt die Wahl auf", sagt er. Ein politischer Durchbruch wäre der Gewinn einer Landratswahl für die AfD aber nur dann, wenn weitere Erfolge kämen, glaubt Brodocz. Entscheidend seien die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im kommenden Jahr.
Sollte Sesselmann in Sonneberg Landrat werden, gebe es eine paradoxe Situation: "Er hat eigentlich wenig Gestaltungsmöglichkeiten. Vor allem muss er Gesetze ausführen, gegen die die AfD im Landtag und im Bundestag gestimmt hat." Ein Landrat leitet laut Gesetz das Landratsamt und vollzieht Beschlüsse des Kreistags - das Amt ähnelt oft eher dem eines Geschäftsführers als eines Volkstribuns. Für Brodocz stellt sich auch die Frage, ob ein AfD-Landrat schaden könnte, wenn es um Wirtschaftsansiedlungen gehe oder um die Anwerbung von Fachkräften, für die Weltoffenheit wichtig sei.
Endspurt um Wahlkampf
Für den Höhenflug der AfD bundesweit und in Ostdeutschland gab es in den vergangenen Wochen viele Erklärversuche. Der ständige Streit der Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP in Berlin wurde angeführt, der Aufruhr über das sogenannte Heizungsgesetz, die steigenden Flüchtlingszahlen. Da dockte auch AfD-Kandidat Sesselmann an. Der gebürtige Sonneberger punktete im Wahlkampf vor der ersten Runde mit massiver Kritik an der Ampel, vor allem in der Energie- und Flüchtlingspolitik. Derzeit plakatiert er den Slogan "Gestalten statt verwalten!".
Der CDU-Konkurrent, seit März bereits Interimslandrat, kontert mit "Verlässlichkeit statt Experimente!". Gekämpft wird mit harten Bandagen. In sozialen Netzwerken kursieren Beschimpfungen und Falschnachrichten. Diese Woche geriet Sesselmann in eine verbale Auseinandersetzung mit einem CDU-Plakatkleber. In dem Fall ermittelt die Polizei.
Bröckelt die CDU-Brandmauer nach rechts?
Landesweit liegt die Thüringer CDU, aber auch die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow in Umfragen deutlich hinter der Höcke-AfD. Ein AfD-Landrat könnte ihre Not verschlimmern. Politikwissenschaftler Brodocz verweist auf das Abgrenzungsproblem der CDU: "Die Frage wird sein, ob CDU-Politiker in Einzelfragen Kooperationen mit der AfD eingehen oder ob die Brandmauer von CDU-Chef (Friedrich) Merz steht."
Einige CDU-Kommunalpolitiker hätten erkennen lassen, dass sie sich lokal eine Zusammenarbeit mit der AfD in Sachfragen vorstellen könnten. Thüringens CDU-Partei- und Fraktionschef Mario Voigt schließt dies hingegen aus. Er nennt die AfD eine Miesmachpartei und hat Unterstützung für Köpper organisiert.
2024 ist in Thüringen nicht nur Landtagswahl, sondern es sind auch reguläre Kommunalwahlen. In Sonneberg ist die Wahl außerplanmäßig nötig, weil der 2018 gewählte Landrat Hans-Peter Schmitz (parteilos) wegen einer langen Erkrankung in den Ruhestand versetzt wurde. Selten dürfte der Landstrich so viel Aufmerksamkeit bekommen wie am Sonntag.
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MDR (cfr)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 25. Juni 2023 | 06:00 Uhr
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