Blick auf Sonneberg.
Blick auf Sonneberg: Der amtierende Landrat Jürgen Köpper (CDU) geht am Sonntag in die Stichwahl gegen den AfD-Kandidaten Robert Sesselmann. Bildrechte: IMAGO / Wirestock

"Geiler Wahlkampf" Vor der Stichwahl zum Landrat: Wie ist die Stimmung im Kreis Sonneberg?

20. Juni 2023, 19:12 Uhr

Im Rennen um das Landratsamt in Sonneberg ist der AfD-Kandidat Robert Sesselmann am 11. Juni knapp gescheitert. Am Sonntag geht es in die Stichwahl gegen den Amtsinhaber von der CDU. Ein Stimmungsbild aus dem Südthüringer Landkreis.

"Wahlkampf ist geil", hat der Sonneberger CDU-Landratskandidat Jürgen Köpper auf seiner Timeline in Facebook gepostet. Dazu Bilder, die ihn zusammen mit jungen Wahlhelfern zeigen. Dass Köpper den von Haus-zu-Haus-Wahlkampf gerade wirklich so geil findet, daran kann man seine Zweifel haben. Wer Jürgen Köpper gut kennt, erkennt auf dem Foto leicht gequälte Züge in seinem Gesicht.

Der amtierende Landrat Jürgen Köpper (CDU) geht am Sonntag in die Stichwahl gegen den AfD-Kandidaten Robert Sesselmann. Und der ist der klare Favorit. Robert Sesselmann hätte bei der Wahl am 16. Juni beinahe einen Durchmarsch geschafft. Für die absolute Mehrheit fehlten ihm nur knapp 800 Stimmen. Sesselmann erreichte gut 47 Prozent der Stimmen. Köpper rund 36 Prozent.

Köpper will in Einzelgesprächen überzeugen

Das hat sich die Sonneberger CDU sicher anders vorgestellt. Jürgen Köpper konnte seinen Amtsbonus nicht nutzen. Zuerst als Erster Beigeordneter und später als amtierender Landrat hat er den Kreis Sonneberg durch gleich mehrere Krisen gebracht. Erst die Corona-Pandemie, dann die Energiekrise. Und immer wieder mussten Flüchtlinge teilweise über Nacht untergebracht werden.

Bis zur Stichwahl will Jürgen Köpper nun jeden Tag in einem anderen Ort von Haus zu Haus ziehen. "Ich kann die Menschen nur im Einzelgespräch von mir überzeugen", so Köpper. Die CDU-Politprominenz jedoch solle lieber zu Hause bleiben. "Das wäre eher kontraproduktiv", schätzt Köpper ein. Eine Landratswahl sei eigentlich eine Personenwahl. "Es geht um die Themen hier vor Ort in unserem Landkreis, nicht um irgendwelche Heizungsgesetze oder den Euro."

Tatsächlich haben die AfD und Sesselmann auf ihren Plakaten zahlreiche Themen, die mit dem Landkreis nur bedingt zu tun haben. Da werden unter anderem die Abschaffung des Euros und der Rundfunkgebühren gefordert. Auch die EU-Gesetze bekommen ihr Fett weg. Mit dem MDR wollte Sesselmann über seine Ziele zuletzt allerdings nicht sprechen.

Robert Sesselmann trifft derzeit den Nerv der Menschen im Landkreis. Und da kommt einiges zusammen. Zum Beispiel weht in den vielen Industriebetrieben in der Region ein rauer Wind. Das Elektrokeramikwerk Sonneberg beispielsweise machte im Frühjahr betriebsbedingt dicht. Über 200 Menschen verloren ihre Jobs. "Viele erinnert das an die unsicheren Zeiten in den 90er-Jahren kurz nach der Wende", sagt Andreas Beer, Leiter der Sonneberger Lokalredaktion des "Freien Wort".

Die Firmen werden sich ganz genau überlegen, wo sie künftig investieren. Und machen wir uns doch nichts vor, der Standort Sonneberg ist doch so schon massiv unter Druck, Fachleute sind kaum noch zu finden.

Andreas Beer Journalist

Gleichzeitig sorgen sich die vielen Hausbesitzer wegen des Heizungsgesetzes. "Auch wenn die Vorgaben inzwischen abgemildert wurden, wollen die meisten eigentlich gar nicht mehr investieren", so Beer. Einfach weil die Kinder längst weggezogen sind. "Sie wissen nicht, für wen eigentlich." Die AfD dagegen sage, es gebe keinen Druck, irgendetwas zu ändern. "Und das zieht", so Zeitungsreporter Beer. Es muss sich halt was tun.

Ein junger Mann lässt sich in einem Café in der Sonneberger Innenstadt ein alkoholfreies Weißbier schmecken. Er hat im ersten Wahlgang Robert Sesselmann gewählt, erzählt er. Sesselmann sei schließlich ein patenter Mann. "Der ist Rechtsanwalt und kennt seine Rechte und seine Pflichten - deshalb sehe ich das total positiv." Nur mit dem AfD-Parteichef Björn Höcke habe er ein Problem. "Der ist mir zu radikal. So ein Mann wie Sesselmann müsste Chef sein in der Thüringer AfD. Der ist neutral und das passt."

Wir brauchen hier ein Krankenhaus samt Notaufnahme für die Grundversorgung.

Uwe Scheler Bürgermeister von Neuhaus am Rennweg

Zufällig wohnt der Mann in Steinach, in der Stadt in der auch Robert Sesselmann wohnt. "Es muss sich halt was tun." Beispielsweise sei erst vor Kurzem der Notarztstützpunkt in Steinach wegrationalisiert worden. "Ich frage mich, warum Geld und Gesundheit miteinander in Zusammenhang stehen müssen." Wenn jemand einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleide, komme die Hilfe dann vielleicht viel zu spät.

Uwe Scheler, Bürgermeister von Neuhaus am Rennweg sitzt an seinem Schreibtisch
Uwe Scheler (parteilos) ist Bürgermeister in Neuhaus am Rennweg. Bildrechte: MDR/Carmen Fiedler

Die Versorgung mit Ärzten lässt im Landkreis tatsächlich zu wünschen übrig. Gerade Hausärzte nehmen oft keine neuen Patienten mehr auf. Auch die Zukunft des Krankenhauses in Neuhaus am Rennweg steht auf der Kippe. "Ich will ja gar keine Schönheitsklinik mit Tausenden Betten", klagt der parteilose Bürgermeister Uwe Scheler. "Wir brauchen hier ein Krankenhaus samt Notaufnahme für die Grundversorgung."

Neuhaus am Rennweg ist die zweitgrößte Stadt im Landkreis und liegt auf über 800 Metern Höhe. Rund vier Millionen Euro Kreisumlage muss die Stadt im Jahr an das Landratsamt zahlen. "Für uns bleibt da kaum Luft zum Investieren", sagt Scheler. Straßen müssten dringend saniert werden, auf dem Schulcampus dümpele nach einem Abriss eine Brachfläche vor sich hin, Kinder und Jugendliche wüssten nicht wohin. "Wir fragen uns schon, wohin das ganze Geld eigentlich fließt", so der Bürgermeister.

Was ich da im Landratsamt erlebe, ist eine Verhinderungsbehörde. Ich höre immer nur, was alles nicht geht, und das macht mich wütend.

Rita Worm Hotel-Betreiberin

Unzufrieden ist auch die Hotel-Betreiberin Rita Worm. Sie arbeitet seit Jahren an einem "Weihnachtsland am Rennsteig". Das traditionelle Glas- und Spielzeughandwerk in der Region soll da erlebbar werden. "Was ich da im Landratsamt erlebe, ist eine Verhinderungsbehörde. Ich höre immer nur, was alles nicht geht, und das macht mich wütend", so Worm.

Politisch möchte sie sich eigentlich nicht äußern. Aber sie lässt durchblicken, dass sie sich nicht unbedingt einen AfD-Landrat wünscht. "Wir haben so schon Sorgen genug", so Worm. Dass der Landkreis nun eventuell der erste mit einem AfD-Landrat werden könnte, sei eher hinderlich. Näher wollte Worm sich nicht äußern.

Probleme für internationale Firmen befürchtet

Zeitungsmann Beer wird da deutlicher. "Ich sehe auf die vielen internationalen Firmen große Probleme zukommen", sagt er. Wenn jemand international auftreten und weltoffen sein möchte, passe das einfach nicht zu jemandem, der die Grenzen schließen will und gar keine Ausländer reinlassen möchte. "Die Firmen werden sich ganz genau überlegen, wo sie künftig investieren. Und machen wir uns doch nichts vor, der Standort Sonneberg ist doch so schon massiv unter Druck, Fachleute sind kaum noch zu finden sind."

Die Leute denken, es muss sich was ändern.

Passantin in Sonneberg

Eine Passantin in der Fußgängerzone sagt, dass sie über das Wahlergebnis schon ziemlich erschrocken gewesen sei. "Aber gewundert hat es mich nicht. Die Leute denken, es muss sich was ändern." Aber das über die AfD zu versuchen, sei der falsche Weg. Vor allem weil der Kandidat Versprechen mache, die er nie im Leben einlösen könne. "Weg mit Euro, fordert der zum Beispiel - so ein Quatsch." Sie glaube aber nicht, dass die Menschen das unterscheiden würden. Viele seien voller Frust. Die einfachen Antworten der AfD verführten da zu sehr.

Wie zur Bestätigung macht sich eine junge Frau mit feuerrotem Haar Luft und beklagt, wie schwierig die Lage auf dem Wohnungsmarkt sei und dass sie sich im Vergleich zu Flüchtlingen ungleich behandelt fühle.

Und tatsächlich fehlen im Landkreis bezahlbare Wohnungen. Unter anderem, weil man in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Wohnblöcke abgerissen hatte. Damals wurde der Bedarf nicht mehr gesehen. "Hier hätte die Kommunalpolitik eher umsteuern müssen", sagt auch Journalist Andreas Beer.

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MDR (co)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 25. Juni 2023 | 18:00 Uhr

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