Menschen arbeiten in einem Park.
Arbeit vor besonderer Kulisse: Die Grünanlagen im Stadtgebiet werden verschönert. Dabei helfen Asylbewerber. Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Integration Wie läuft das Pilotprojekt zur Arbeitspflicht für Asylbewerber in Greiz?

08. September 2024, 11:48 Uhr

In dieser Woche ist die Arbeitspflicht für Flüchtlinge in Greiz gestartet - als Pilotprojekt für den Landkreis. 13 Menschen sind zunächst an verschiedenen Stellen eingesetzt, sie erhalten pro Stunde 80 Cent zusätzlich zu ihrem Regelsatz. Das Projekt ist aus Sicht der Stadt gut angelaufen.

"Ein bisschen deutsch, ein bisschen englisch und ganz viel mit Händen und Füßen -  wenn man will, geht alles." Der Greizer Bauamtsleiter Volker Rausch hatte sich das Pilotprojekt schwieriger vorgestellt. Immerhin sind es 13 Menschen aus verschiedenen Ländern, mit verschiedenen Sprachen und verschiedener Qualifikation, die hier seit Anfang der Woche zur Arbeit verpflichtet sind.

Es wurde viel diskutiert im Vorfeld, Pro- und Contra-Argumente stießen aufeinander - auch in Greiz, erzählt der Amtsleiter. "Aber dank der Initiative des Landrates und der Stadtverwaltung Greiz haben wir jetzt die Möglichkeit, im Bauamt die Mitarbeiter kennenzulernen, ihre Sorgen und Hoffnungen kennenzulernen, um dann mitreden zu können."

Um die Sprachbarriere zu überwinden, probiert die Stadt im Greizer Bauhof ein sogenanntes Tandem-Modell. Ein Bauhof-Mitarbeiter bekommt einen Asylbewerber an die Seite, dem er zeigen kann, was er machen soll und wie die Geräte funktionieren. "Das klappt gut", sagt Rausch.

Vorurteile müssen überwunden werden

Und es hat aus seiner Sicht noch einen weiteren Vorteil. Einheimische und Asylbewerber lernen sich besser kennen. "Die machen ja auch zusammen Mittag, die reden nicht nur über die Arbeit. Und wenn sie abends zu Hause erzählen, was am Tag so los war, erfahren die Familien auch gleich eine Menge über die Asylbewerber."

Und jeder von ihnen ist anders. Der Jüngste, Batuhan, ist 20 Jahre alt, kommt aus der Türkei und hat bisher als Friseur gearbeitet. Er hat absolut keinen Spaß am Harken, sagt er. Aber trotzdem arbeitet er hier, will in seinem Asylbewerberverfahren vorankommen und dann vielleicht irgendwann wieder als Friseur arbeiten. Außerdem könne er im Gespräch mit den Kollegen Deutsch lernen.

ein Mann vor der Kamera
Bürgermeister Alexander Schulze zweifelt nicht am Erfolg des Projekts. Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Bürgermeister Alexander Schulze (CDU/Gemeinsam für Greiz) war gleich begeistert, als Landrat Ulli Schäfer (CDU) ihn gefragt hat, ob die Stadt Greiz für das Pilotprojekt zur Verfügung steht, erinnert er sich.

"Wir haben 84 Quadratkilometer Stadtgebiet. Die gilt es in Ordnung zu halten. Jetzt sind zwölf Männer überwiegend dafür eingesetzt und eine Frau unterstützt in einer Kita."

Positive Rückmeldung von den Greizern

Das ist übrigens auch den Greizern aufgefallen. Mehrfach wurde der Bürgermeister schon auf die Gruppen, die mit ihren orangen Westen in den Greizer Grünanlagen arbeiten, angesprochen. Anlieger haben bei der Hitze diese Woche sogar Wasser vorbeigebracht.

Diese positiven Rückmeldungen bestätigen Schulze. "Ich habe mir natürlich damit auch eine Steigerung der Akzeptanz in der Bevölkerung erhofft." Aus seiner Sicht hat das funktioniert.

Bauamtsleiter Rausch denkt schon weiter: "Da sind Bauingenieure dabei, ein Architekt - wenn deren Abschlüsse irgendwann anerkannt sind, könnten wir die gut gebrauchen in Greiz. Und dann kennt man sich schon."

Drei Männer unterhalten sich.
Bauamtsleiter Volker Rausch mit seinen Mitarbeitern. Einer der Asylbewerber möchte sein Gesicht nicht im Artikel zeigen. Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Asylbewerber aus vielen verschiedenen Ländern

Jeden Morgen teilt der Bauhofleiter ein, wer von den Asylbewerbern mit wem rausfährt und was zu tun ist. Von 7 Uhr bis 12 Uhr wird gearbeitet, 25 Stunden pro Woche sind vom Landratsamt vorgegeben. Die Männer kommen unter anderem aus Afghanistan, Syrien, Palästina, der Türkei, auch aus Kambodscha ist jemand dabei.

Bauamtsleiter Rausch ist gespannt, wer die drei Monate durchhält, die das Pilotprojekt dauern soll. "Es gibt ja eigentlich auch keine Alternativen. Man hat ja auch den Vorteil, dass man ein kleines Salär dafür bekommt. Das ist zwar nicht viel, aber man hat einen Riesenvorteil, dass man in einer freien und demokratischen Gesellschaft aufgenommen wird."

Integration braucht gute Kommunikation

Anfangs, so erzählt Rausch, gab es auch skeptische Stimmen unter den Kollegen. "Ich hab dann gesagt, stellt euch mal vor, wie es andersherum wäre. Wir würden in der traurigen Lage sein, flüchten zu müssen, würden in einem anderen Land kein Wort verstehen. Man würde uns nur beschimpfen, weil man der Meinung ist, man nimmt Sozialleistungen in diesem Land weg. Wie würden wir uns fühlen?"

Für ihn kann Integration auf jeden Fall funktionieren, wenn alle sich ein bisschen Mühe geben. "Man muss es einfach machen. Und dann hinterher, am 30.11., wenn die Maßnahme beendet ist, können wir gern reden. Vorurteile sind das Schlimmste."

Pilotprojekt in Greiz ist erst der Anfang

Das Landratsamt will noch im Herbst "flächendeckend" im Landkreis Greiz die Arbeitspflicht umsetzen. Verweigerern droht eine Kürzung der Leistungen. "Der Landkreis Greiz ist deutschlandweit der Vorreiter bei der Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber. Jetzt gehen wir konsequent den nächsten Schritt und ziehen Asylbewerber zu gemeinnützigen Arbeiten heran", erklärte Landrat Ulli Schäfer.

Die Kollegen zeigen, wie hier alles läuft, wie die Demokratie funktioniert, was zu tun und zu lassen ist. Man kann das nicht überall den Behörden überlassen. Es ist das Beste, wenn jeder jemanden an die Hand nimmt.

Volker Rausch Bauamtsleiter Greiz

Mögliche Partner für die Arbeitsmaßnahmen sind Kommunen, Kirchen und gemeinnützige Träger. Das Landratsamt würde sie von bürokratischen Hürden entlasten und zahlt auch die Aufwandsentschädigung in Höhe von 80 Cent pro Stunde. Auch wer am Pilotprojekt in Greiz teilnimmt, hat das Landratsamt festgelegt, sagt Bürgermeister Schulze. Die Stadt bezahlt lediglich die Arbeitskleidung.

Für Bauamtsleiter Rausch ist der menschliche Aspekt aber das Wichtigste an dem Projekt. "Es ist ja nicht nur die Arbeit. Die Kollegen zeigen, wie hier alles läuft, wie die Demokratie funktioniert, was zu tun und zu lassen ist. Man kann das nicht überall den Behörden überlassen. Es ist das Beste, wenn jeder jemanden an die Hand nimmt."

Und dann, davon ist er überzeugt, wird das hier funktionieren. Nicht nur beim Pilot-Projekt zur Arbeitspflicht in Greiz.

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Transparenz-Hinweis der Redaktion: Einer der Asylbewerber, mit denen MDR THÜRINGEN für diesen Artikel gesprochen hat, hat sich nachträglich gegen eine Veröffentlichung seines Bildes und seiner Aussagen im Interview mit unserer Autorin entschieden. Wir haben den Artikel dahingehend überarbeitet.

MDR (gh)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 13. August 2024 | 17:30 Uhr

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