Export Trump-Zölle - für Thüringer Unternehmen womöglich eine Belastung zu viel
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25. Januar 2025, 18:01 Uhr
Die Stimmung in den Unternehmen in Thüringen ist ohnehin schlecht. Fachkräftemangel, schlechte Auftragslage, zu hohe Krankenstände und Energiekosten, überbordende Bürokratie. Dazu kommen jetzt die immer wieder laut vorgetragenen Drohungen des neuen US-Präsidenten, der die Zölle auf Waren aus der EU vervielfachen will. Das bereitet vielen Thüringer Unternehmern Sorge - ohne Hoffnung sind sie aber nicht.
- Ein Unternehmen im Eichsfeld produziert Zitrusdüfte für den Weltmarkt. 20 Prozent Zölle für die USA könnte es nicht stemmen.
- Die chemische Industrie schlägt vor, Bürokratie abzubauen und Lohnnebenkosten zu senken.
- Die IHK setzt auf Europa, denn Zölle sind Sache der Europäischen Union.
Drei Personen in Laborkitteln riechen mit konzentriertem Blick an einigen Papierstreifen. Lothar Diete, Karin Ständer und ihr Chef Tillmann Miritz unterziehen eine Reihe von Citrus-Ölen eines neuen Lieferanten einer Geruchsprobe. Wer an MCI Miritz Citrus liefern will, muss die Qualität seiner Ware erst unter Beweis stellen.
Die aktuellen Proben stoßen auf unterschiedliche Resonanz. "Nicht übel" - "Ja, ich find's auch gut. Würde ich kaufen" - solche Sätze brummen sich die Kollegen zu. "Ach, Zitronen machen die auch? Na gut, können wir ja mal schauen", sagt der Chef.
MCI verarbeitet Citrus-Öle - aus Orangen, Mandarinen, Zitronen oder Limetten. Das wird aus den Schalen der Früchte gepresst. In der Verarbeitung ist das neben Saft für viele Hersteller ein zweites Standbein. Das Öl findet Anwendung in Kosmetika, chemischen Erzeugnissen, in Lebensmitteln. Aber es unterliegt als Naturprodukt einer schwankenden Qualität.
Unterschiedliche Erntezeitpunkte, unterschiedliche Wetterbedingungen. Für industrielle Verwertung aber muss die Qualität gleichbleibend sein. Dafür trägt das Unternehmen in Rufweite zur niedersächsischen Grenze am äußersten Rand des Eichsfeld in Kirchgandern Sorge. Mit Erfolg.
Über die Jahre ist der Betrieb immer weiter gewachsen, inzwischen arbeiten hier 150 Mitarbeiter. Das Rohöl kommt unter anderem aus Brasilien oder Marokko. Und wird nach der Verarbeitung zu 85 Prozent ins Ausland exportiert.
USA sind größter Exportmarkt
"Und da sind die USA unser größter Exportmarkt", erläutert Miritz. Ein Zollsatz von 20 Prozent, wie er von US-Präsident Donald Trump ins Spiel gebracht wird, hätte starke Auswirkungen. "Wir haben Wettbewerber, die dort zu Hause sind. Geben wir die 20 Prozent Zoll als Kosten an die Kunden weiter, wechseln die zu einem gewissen Umfang zu amerikanischen Wettbewerbern. Wir würden einen Großteil unseres Marktes verlieren."
Die Drohungen machen ihm Sorgen. Trump findet, Unternehmen aus der EU seien zu erfolgreich, verkauften zu viel in die USA - und kauften umgekehrt zu wenig in Amerika.
Thüringer Unternehmen exportierten im Jahr 2023 Waren und Dienstleistungen im Wert von 18,7 Milliarden Euro. Etwa die Hälfte geht in die EU. Etwas mehr als zehn Prozent in die USA. Das sind relevante Größenordnungen - zumal die Abhängigkeit noch größer sein dürfte als die zehn Prozent zeigen.
Schließlich liefern etwa Thüringer Autozulieferer innerhalb der EU oder innerhalb Deutschlands an einen übergeordneten Zulieferer oder Autohersteller - und der liefert dann Baugruppen oder ganze Autos in die USA. Auch diese Lieferungen wären gefährdet, bestätigt Rico Chmelik, Geschäftsführer des Branchenverbands Automotive Thüringen.
Drohung kommt zum ungünstigsten Zeitpunkt
Beim Leuchtstoffwerk Breitungen mit seinen etwa 100 Mitarbeitern empfindet Ko-Geschäftsführer Wolfgang Eisenberg auch hohen Druck aus den USA. Trump habe als Immobilienunternehmer in New York gelernt, mit harten Bandagen zu kämpfen - und mit Finten. "Das macht er mit den Zöllen nach demselben Motto: Entweder ihr investiert bei uns, oder ihr zahlt Zoll", so empfindet Eisenberg das.
Dabei komme die Drohung in einer höchst ungünstigen Gemengelage. Seine Branche, die chemische Industrie, habe ohnehin Probleme. "Die Großindustrie investiert längst woanders", sagt er. Kleine Unternehmen könnten das oft gar nicht leisten. "Dürfen sie auch gar nicht, wenn wir den Standort halten wollen."
Bei manchen Unternehmen gibt es hohe Nachfrage, als wollten sie sich Vorräte anlegen, ehe die Zollschranken kommen.
Für Torsten Herrmann ist das Rezept einfach: Zunächst mal müsse Deutschland vor seiner eigenen Tür kehren. Energiekosten runter, Lohnnebenkosten runter, Bürokratie runter.
Der Chef des Kunststoffteile-Herstellers Hehnke ist Präsident der Industrie- und Handelskammer in Südthüringen und hört einiges. Es werde ein Trend auffällig. "Bei manchen Unternehmen gibt es hohe Nachfrage, als wollten sie sich Vorräte anlegen, ehe die Zollschranken kommen", sagt er. Das mache im Moment zum Beispiel Containerfracht teurer. Offenbar rechneten die Unternehmen früher oder später mit höheren Zollschranken.
Weniger Bürokratie, weniger Nebenkosten
Zudem schauten sich viele Unternehmen mit Interesse die angekündigten Strukturreformen in den USA an - etwa mit Blick auf den Bürokratieabbau. Da müsse man sich Trump durchaus zum Vorbild nehmen, Bürokratiekosten reduzieren.
"Warum brauchen wir zum Beispiel 120 Krankenkassen? Eine gesetzliche Kasse würde doch genügen", sagt er als Beispiel. Und greift den Vorschlag des Allianz-Chefs auf, der fordert, die Lohnfortzahlung für den ersten Krankheitstag zu streichen. "Ob es das ist oder vielleicht nur 80 Prozent Lohnfortzahlung - da müssen wir ran."
Warum brauchen wir zum Beispiel 120 Krankenkassen? Eine gesetzliche Kasse würde doch genügen.
Trotz Präventionsprogrammen in den Betrieben seien die Krankenstände hoch. Ebenfalls ein Problem für die Unternehmen. Die Einnahmen aus der CO2-Abgabe könne man nutzen, um die Netzentgelte und damit die Stromkosten zu drücken. "Damit könnte auch endlich die Akzeptanz für E-Fahrzeuge steigen."
Mit klaren Positionen auftreten
Und Trump kommt oben drauf. Doch da sehen sowohl Herrmann als auch Eisenberg Möglichkeiten. "Die USA exportieren ja auch zu uns." Fracking-Gas zum Beispiel könne man mit höheren Zöllen belegen. Ein anderer Unternehmensleiter sagt voraus, es werde am Ende ein Deal zustande kommen. Es werde nicht ganz so schlimm mit den Zöllen. Dafür kaufe Deutschland einen Teil seiner Waffen, die absehbar für eine kaum einsatzfähige Bundeswehr gebraucht würden, in den USA.
IHK-Präsident Herrmann hält es für den falschen Weg, Trump zu sehr zu bauchpinseln. "Wir müssen respektvoll, aber mit klaren Positionen auftreten", sagt er. Zollfragen sind Sache der Europäischen Union - hier ist Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen gefragt.
Darauf setzt auch die IHK Erfurt. "Es muss eine neue europäische Ausrichtung geben. Nur wenn es Europa schafft, mit einer Stimme zu sprechen, wird ein Präsident Trump bereit sein zuzuhören und eine Partnerschaft auf Augenhöhe zu akzeptieren."
Viel Arbeit für künftige Bundesregierung
Ideen sind also reichlich da - die Unternehmen hoffen da auf eine neue Bundesregierung, die zumindest einen Teil dieser Ideen aufgreift. Ganz ohne Verluste dürfte es nicht gehen - zumindest nicht aus Sicht der Autobranche: "Lokale Produktion ist ein langfristiger Trend, den es ohnehin gibt", sagt Rico Chmelik vom Automotive Thüringen. Joe Biden habe das befördert, die Hersteller machten das auch längst mit Werken in den USA. Und Trump wolle den Prozess beschleunigen.
Im Eichsfeld beim Citrus-Öl-Hersteller macht sich angesichts der radikalen Töne des Präsidenten eine gewisse Nervosität breit. Aber auch hier hofft man, dass die EU nicht zwischen den USA und China zerrieben wird. Sondern sich behaupten kann. Damit amerikanische Firmen ihr Citrus-Öl weiterhin in Kirchgandern im Eichsfeld kaufen.
MDR (gh)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 24. Januar 2025 | 19:00 Uhr
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