Thüringer Autozulieferer unzufrieden mit Deutschland - Felgenhersteller Borbet investiert
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21. Juni 2024, 19:46 Uhr
Steuern, Bürokratie, Fachkräftemangel: Thüringer Autozulieferer sehen den Standort Deutschland kritisch. Aber es gibt Lichtblicke. Felgenhersteller Borbet in Bad Langensalza setzt auf Vorsprung durch Technik.
Der Standort Deutschland bietet Autozulieferern aktuell schlechte Bedingungen. Das zeigt eine Umfrage des Zuliefererverbands Automotive Thüringen unter 110 Autozulieferern im Freistaat. 88 Prozent der befragten Firmen sind mit der Wirtschaftspolitik unzufrieden.
Die Kritik richte sich vor allem gegen zu viel Bürokratie, Regulierungen und fehlende Verlässlichkeit der Politik, sagte Verbandsgeschäftsführer Rico Chmelik MDR THÜRINGEN. 84 Prozent kritisieren die Steuerpolitik, 70 Prozent das Bildungssystem. Zu Ärger führen oft auch hohe Energiepreise.
Felgenhersteller Borbet in Bad Langensalza liefert in alle Welt
Offensichtlich ist das in der Felgenherstellung bei Borbet in Bad Langensalza. Hier wird eine Aluminium-Legierung in Schmelzöfen auf mehr als 700 Grad Celsius erhitzt und anschließend in großen Maschinen zu Rädern gegossen, die an die meisten namhaften Autohersteller geliefert werden. 3,8 Millionen Stück bauen mehr als 1.000 Mitarbeiter pro Jahr.
Zwei Drittel seiner Energie braucht die Firma in Form von Erdgas. Bei den Energiepreisen ist Deutschland in der EU etwas über dem Durchschnitt. Aber es gibt eben auch Länder mit deutlich niedrigeren Preisen, zum Beispiel Frankreich, die Türkei oder China. "Und dort sitzen eben auch Konkurrenten", sagt Geschäftsführer Andreas Günther.
Aktuell sei die Auslastung gut, etwa bei 90 Prozent. Die Felgen können stark individualisiert werden, mit Dekors bedruckt und mit Kunststoff-Einsätzen aerodynamisch gemacht werden. Vorsprung durch Technik quasi. Der Standort des Familienunternehmens soll aber auch mit Blick auf den hohen Energieverbrauch modernisiert werden, sagt Günther.
Die Kunden fragen uns schon, wie lange wir noch glauben, am Standort Deutschland überleben zu können.
Autobranche im Umbruch zur E-Mobilität
Größere Investitionen sind eher ungewöhnlich in der Autobranche, die mitten im Umbruch steckt, hin zur E-Mobilität, auch wenn es damit nicht recht vorwärts geht. Auch drängen Hersteller wie Tesla aus den USA oder BYD auch China in den Markt.
Nach der Umfrage des Verbands haben sich auch die Angaben zur wirtschaftlichen Lage in den Unternehmen insgesamt verschlechtert. Rechneten im Corona-Jahr 2021 noch 42 Prozent der Unternehmen mit einem Umsatzwachstum, so waren es bei der Umfrage in diesem Jahr gerade noch sechs Prozent.
Auch der Anteil der Unternehmen, die die Zahl ihrer Mitarbeiter aufstocken wollen, sank um etwa die Hälfte von 24 Prozent im Jahr 2021 auf 13 Prozent in diesem Jahr. Das hat mit den Veränderungen in der Branche zu tun - aber auch mit Politik und Regulierung.
Genehmigungen dauern lange
Im Felgenwerk zeigt sich das ganz praktisch, denn das Unternehmen will Energie sparen. "Wir haben vor, den Schmelzbereich zu modernisieren. Und eben auch den Lackierbereich, da kommen neue Anlagen hin. Das sind alles Verfahren, die nach Bundesimmisionsschutzrecht laufen", so Güntner.
Wir haben vor, den Schmelzbereich zu modernisieren. Und eben auch den Lackierbereich, da kommen neue Anlagen hin.
Und das sei extrem aufwändig, müsse sehr frühzeitig beginnen, damit dann auch irgendwann gebaut werden könne. Die Energienutzung aber muss effizienter werden, denn derzeit führt am Erdgas noch kein Weg vorbei. Grüner Wasserstoff sei zwar technisch möglich, vom Preis her aber derzeit jenseits von gut und böse - und ohnehin bisher nicht in ausreichender Menge verfügbar.
zum Aufklappen: Was ist Borbet?
Der Felgenhersteller Borbet sitzt im Sauerland und hat mehr als 4.500 Beschäftigte an acht Standorten in Deutschland, Österreich und Südafrika. Zu den Kunden gehören unter anderem BMW, Porsche, VW oder Mercedes. Nach Unternehmensangaben ist Bad Langensalza die größte Produktionsstätte für Leichtmetallräder in Europa.
"Die Kunden fragen uns schon, wie lange wir noch glauben, am Standort Deutschland überleben zu können", sagt Günther. Ein Dorn im Auge ist ihm auch die Datenschutzgrundverordnung. "Die Datenkraken hat man damit kein Stück eingeschränkt - und bei uns behindert sie das tägliche Geschäft."
Als vergleichsweise gut bewerten laute Umfrage viele Unternehmen die deutsche Infrastruktur sowie die Förderung von Innovationen. In Thüringen wird insbesondere die hohe Lebensqualität gelobt. Allerdings gilt fehlendes Fachpersonal im Freistaat als besonders großes Problem gegenüber anderen deutschen Regionen. "Da helfen uns Diskussionen über eine Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich wirklich nicht", sagt der Borbet-Mann.
Sorgen vor der Landtagswahl
In Thüringen treibt die Unternehmen aber noch mehr um. Sie bangen um den Ausgang der Landtagswahl - und zwar aus unterschiedlichen Gründen. Manche Unternehmen fürchten ein unregierbares Land, weil zu viele Parteien nicht gewillt sind, zusammenzuarbeiten.
Wieder andere fürchten einen weiter verschärften Personalmangel und die Abwanderung von Leistungsträgern, wenn Rechtsextreme an einer Regierung beteiligt sind.
MDR (flog/dvs)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 21. Juni 2024 | 19:00 Uhr
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