Dienstältester Richter "Kein Machtberuf": Rüdiger Richel geht nach 39 Jahren in den Ruhestand
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23. Juni 2024, 15:58 Uhr
Rüdiger Richel ist der dienstälteste Richter Thüringens. Nach 39 Jahren im Amt verabschiedet er sich in den Ruhestand. Anfang des Jahres verhandelte er den schweren Autounfall bei Bad Langensalza mit sieben Toten. Zu gehen, fällt ihm schwer. Aber es sei auch an der Zeit.
- Dieser Fall bleibt Rüdiger Richel im Gedächtnis.
- Als Richter stand Richel für eine feinfühlige Verhandlungsführung.
- Zum Abschied gab es eine Überraschung von Kollegen.
Der Eichsfelder Rüdiger Richel ist der dienstälteste Richter Thüringens, 65 Jahre alt und seit 39 Jahren im Amt. Ende September, dann ist er 66 Jahre alt, wird er verabschiedet. Seinen letzten Arbeitstag hatte er bereits, auch seine letzte Verhandlung. "Verhandlungsgeschick und Menschlichkeit" seien ihm wichtig gewesen, sagt Richel. "Das ist kein Machtberuf".
Ich durfte weiterarbeiten und wurde in den Thüringer Justizdienst übernommen.
1985 hat er das erste Mal in Robe verhandelt. "Dabei ging es wie bei meiner letzten Verhandlung um Brandstiftung", sagt der Jurist. Da schließe sich der Kreis. Der gebürtige Heiligenstädter saß mit 26 Jahren schon auf der Richterbank. "Da hatte man einen Verhandlungsaal für sich allein und konnte jeden Tag verhandeln", erinnert sich Rüdiger Richel.
Es seien auch immer Schöffen dabei gewesen; Einzelrichter gab es nicht. Bis 1990 sei er alles in einer Person gewesen: Straf- und Familienrichter. Die meisten Verhandlungen habe er schon damals und bis heute im Strafrecht geführt. Mit der politischen Wende sei er von Untersuchungsausschüssen in Bayern und Hessen überprüft worden. "Ich durfte weiterarbeiten und wurde in den Thüringer Justizdienst übernommen".
Prozess um Verdeckungsmord bleibt im Gedächtnis haften
Nach 1990 urteilte er zunächst an Kreis- und Bezirksgerichten, später dann an Amts- und Landgerichten. Als Richter im Jugendsenat des Erfurter Bezirksgerichts verhandelte er den Fall, der für ihn bis heute der unvergesslichste ist: Im Zusammenhang mit einem Banküberfall auf Mallorca ist Anfang der 1990er-Jahre in der Nähe von Sömmerda ein Zeuge getötet worden. "Dieser Prozess um einen Verdeckungsmord bleibt im Gedächtnis für immer".
Mensch in Robe
Wenn die Sprache auf Richter Rüdiger Richel - Spitzname "R hoch 3" - kommt, ist vom "Menschen in Robe" die Rede. "Er ist der freundlichste Richter", sagen Berufskollegen. "Er verhandelt auf Augenhöhe", wird ebenfalls immer wieder gesagt. Dass Richter "kein Machtberuf, sondern einer wie jeder andere auch" sei, habe er vom früheren Mühlhäuser Kreisgerichtsdirektor Kurt Daubitz gelernt. Verhandlungsgeschick und Menschlichkeit seien wichtig, sowie immer an das Gute im Menschen zu glauben.
Manchmal ist das Bauchgefühl besser als das Gesetz.
Angeklagte mit katholischen Glauben habe er während der Prozesse immer an die zehn Gebote in der Bibel erinnert. Er habe sie auch gefragt, wie sie an seiner Stelle entscheiden würden. Wenn es eine Bewährungschance gab, erklärte er ihnen ausgiebig den Grund. Aber auch, wenn es eine Haftstrafe ohne Bewährung geben musste. Der Verurteilte habe fast immer das Gefühl, dass er gerecht behandelt wurde, sagen Verteidiger. Richel selbst ist der Überzeugung: "Im Knast wird keiner besser" und "Manchmal ist das Bauchgefühl besser als das Gesetz".
Feinfühlige Verhandlungsführung
Prozessbeteiligte erinnern sich gut an die feinfühlige Verhandlungsführung - auch in eigentlich schwer zu verhandelnden Prozessen. Im Februar diesen Jahres hatte er die Eltern von vier getöteten Jugendlichen als Nebenkläger in Saal 1 sitzen. Fast ein Jahr nach dem schweren Unfall bei Bad Langensalza musste er über die angeklagte fahrlässige Tötung in sieben Fällen und zahlreiche weitere Strafvorwürfe entscheiden. Dabei verkündete das Schöffengericht die für ein Amtsgericht höchstmögliche Strafe von vier Jahren Haft.
Es fällt mir schwer zu gehen. Es wird aber auch Zeit.
An zwei Verhandlungstagen gab Richel den verzweifelten Eltern und damit auch ihren getöteten Kindern eine Stimme. Die Erwartungen seien hoch gewesen, sagte er im Urteil. Er habe sich auch nicht um die Zuständigkeit mit dem Landgericht Mühlhausen streiten wollen, sagte er zu diesbezüglichen Diskussionen. Am Prozess-Ende verabschiedete er sich mit einem Händedruck von den betroffenen Familien.
39 Jahre im Amt
"Es fällt mir schwer zu gehen. Es wird aber auch Zeit", sagt Richel. In den letzten Wochen hat er vor allem gegen Angeklagte verhandelt, die in Untersuchungshaft sitzen - sogenannte Haftsachen. Er sei 1985 der jüngste Richter gewesen und plötzlich der "dienstälteste".
Er hat gegen Raser und Falschparker verhandelt, gegen Schulschwänzer und vor allem gegen Straftäter. Bis 2012 war der historische Saal 35 in Mühlhausen Richels Verhandlungssaal. Nach dem Umbau des Mühlhäuser Amtsgerichtes überwiegend in Saal 1, dem größten Verhandlungssaal des Gerichtes.
Überraschung nach letztem Prozess
Dass der letzte Prozess doch schon Mitte Juni stattfand, hatte sich in Mühlhäuser Justizkreisen zögerlich herumgesprochen. Dennoch wurde er nach der Urteilsverkündung im Beratungszimmer hinterm Verhandlungsaal von einigen Kollegen überrascht. Diese hatten sich durch eine Hintertür eingeschlichen. Seinen "richtigen" Ausstand will der Wahl-Mühlhäuser Ende September geben. Man darf gespannt sein, welche seiner vielen geschmackvollen Krawatten er tragen wird.
MDR (cgo/cfr)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 23. Juni 2024 | 18:00 Uhr
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