Kinderarmut Weihnachten in Armut: "Wir wollen den Kindern etwas Freude ins Herz zaubern"
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23. Dezember 2024, 13:40 Uhr
Jedes vierte Kind in Sachsen-Anhalt ist armutsgefährdet. Besonders die Weihnachtszeit stellt einkommensschwache Familien vor Herausforderungen. Doch es gibt Hilfe – zum Beispiel in der "Sternschnuppe" in Eisleben.
- Enrico Hanke hat ein geringes Einkommen. Ihre Weihnachtswünsche will er seinen drei Töchtern trotzdem erfüllen.
- Die Weihnachtszeit ist für einkommensschwache Familien besonders herausfordernd.
- Unterstützung gibt es beispielsweise in der Einrichtung "Sternschnuppe" in Eisleben.
Was sie sich zu Weihnachten wünscht? Lisa Hanke zögert keine Sekunde. "Nur, dass alle gesund sind", sagt die 12-Jährige. "Ich freue mich einfach darauf, mit der Familie zusammen zu sein."
Als sie diese Sätze über den wahren Geist der Weihnachtszeit sagt, bastelt die Schülerin gerade Weihnachtsbaumschmuck in der "Sternschnuppe" in Eisleben. Die Einrichtung des Kinderschutzbundes Mansfeld-Südharz bietet auch Kindern aus einkommensschwachen Familien die Möglichkeit, zu spielen oder Hausaufgaben zu machen. In der Vorweihnachtszeit wird beispielsweise gemeinsam gebacken oder es werden Weihnachtslieder gesungen.
Eine große Unterstützung sei das, sagt Enrico Hanke. Denn bei aller Bescheidenheit seiner Tochter: "Vor Weihnachten ist es schon stressig für uns", erzählt der 40-Jährige. "Die Kinder wollen auf den Weihnachtsmarkt und wir wollen ihnen natürlich auch Geschenke machen. Aber wir haben als Familie nur ein kleines Budget zur Verfügung und wollen auch für nächstes Jahr sparen, um in den Urlaub fahren zu können. Das ist nicht immer leicht."
Sparen für die Weihnachtsgeschenke
Jedes vierte Kind in Sachsen-Anhalt ist armutsgefährdet. Das geht aus Zahlen des Statistikportals des Bundes und der Länder hervor. Damit sind hierzulande mehr Kinder betroffen als im Bundesvergleich: Deutschlandweit ist es jedes siebente Kind. Grund dafür ist vor allem die hohe Erwerbslosenquote in Sachsen-Anhalt.
Enrico Hanke hat zwar Arbeit, stundenweise bei einem Hausmeisterservice. Trotzdem bleiben der Familie pro Monat nur etwa 1.000 Euro zum Leben. Seine Frau pflegt die drei Töchter, die allesamt eine Lernbehinderung haben und eine Förderschule besuchen. "Finanziell wird es von Jahr zu Jahr schwieriger", sagt Enrico Hanke. "Alles wird immer teurer und wir müssen schauen, wie wir klarkommen."
Sie kommen klar, irgendwie. Denn der Familienvater spart das gesamte Jahr über 100 Euro im Monat für die Weihnachtszeit. "Unseren Kindern soll es gut gehen. Wir wollen ihnen das Bestmögliche bieten", sagt er. Die Geschenke sind bereits besorgt, eines für jede Tochter. Und: "Nächstes Jahr wollen wir vielleicht wieder einmal in den Urlaub fahren, das war dieses Jahr leider nicht drin. Das war schon traurig, dass wir das den Kindern nicht bieten konnten."
Verzicht auf den Weihnachtsmarkt
Eva von Angern vom Netzwerk gegen Kinderarmut Sachsen-Anhalt weiß um die Situationen von Kindern aus einkommensschwachen Familien. "Armut bedeutet Ausgrenzung und zwar schon von Kindesbeinen an", sagt die Linken-Politikerin. "Diese Nachteile spüren Kinder jeden Tag. Das ist die Kleidung, durch die sie sich unterscheiden. Oder das ist auch das Nichtgehen auf den Weihnachtsmarkt. Das gehört in unserer Gesellschaft ja zur Vorweihnachtszeit dazu, ist aber wahnsinnig teuer. Oder das ist das Weihnachtsstück im Theater, auf das die Kinder verzichten müssen. Das sind Dinge, die diese Kinder als Defizit spüren, weil es andere Kinder in ihrer Klasse eben erleben dürfen."
Armut bedeutet Ausgrenzung und zwar schon von Kindesbeinen an.
Deshalb setzt sich das überparteiliche Netzwerk unter anderem für mehr Sozialarbeit in Schulen und Kindertagesstätten ein. Bessere Personalschlüssel seien ebenfalls notwendig, so Eva von Angern. "Wir versuchen Ideen zu entwickeln, wie man Armut mildern kann. Da geht es beispielsweise um kostenloses Mittagessen oder Lehrmittelfreiheit", sagt sie, aber: "Wirklich abgeschafft werden könnte Armut nur auf Bundesebene mit einer Kindergrundsicherung."
Auf die Einführung einer Kindergrundsicherung hat sich die Ampel-Regierung in Berlin – das war noch vor ihrem Zerbrechen – allerdings nicht einigen können. Der Start der Sozialreform war ursprünglich für Januar 2025 geplant – mit dem Ziel, die bisherigen Leistungen für Kinder zu bündeln, damit Familien gezielter unterstützt werden.
So soll Armut bekämpft werden
Bei der Bekämpfung von Armut setzt das Sozialministerium nach eigenen Angaben vor allem auf die Teilhabe am Arbeitsmarkt. "Mit dem Einsatz der Landesregierung für gute Arbeitsmarktpolitik mit höherer Tarifbindung, einem sozialen Arbeitsmarkt und frühzeitiger Berufsorientierung wurden wichtige Weichen gestellt, um Kinder- und Familienarmut zurückzudrängen und Chancen auf Bildung und Teilhabe auch für einkommensschwache Familien zu verbessern", heißt es auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT.
"Wie in der Weihnachtsmann-Werkstatt"
Fernab der großen Politik sind es Aktionen wie die des Kinderschutzbundes Mansfeld-Südharz, die den Kleinsten in der Vorweihnachtszeit große Freude bereiten. "Die Kinder, die zu uns kommen, stehen oft nicht unbedingt auf der Sonnenseite des Lebens", sagt Geschäftsführerin Daniela Liedmann. "Es ist wichtig, dass sie bei uns einen Anlaufpunkt haben. Wir wollen die Familien mit unseren Angeboten unterstützen." Etwa 50 Kinder werden pro Tag in der Sternschnuppe betreut.
Gerade in der Vorweihnachtszeit "ist hier wirklich jeden Tag Action", sagt Liedmann. "Wir kommen uns vor wie in der Weihnachtsmann-Werkstatt. Alles ist mit Geschenken zugestellt. Das macht so viel Spaß, weil wir sehen, dass ganz viele Menschen auch in diesen wirklich schwierigen Zeiten anderen eine Freude machen wollen." An vielen Orten in der Region stehen Wunschweihnachtsbäume – und die Menschen können die Wünsche der Kinder aus der Sternschnuppe so erfüllen.
"Wir wollen den Kindern zeigen, dass man füreinander da ist, wenn es jemandem nicht so gut geht", sagt Daniela Liedmann. "Wir empfinden Weihnachten als besonderes Fest und wissen, dass sich doch jeder Mensch freut, wenn er zu Weihnachten kleine Präsente bekommt, die ihn berühren. Wir wollen den Kindern etwas Freude ins Herz und ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Das ist unser Anliegen."
"Eigentlich spielt Geld keine Rolle"
Enrico Hanke weiß dieses Engagement zu schätzen. Zwei Stunden verbringen seine Kinder in der Regel am Nachmittag in der Sternschnuppe. "Hier werden viele Aktionen angeboten. Die Leute haben immer ein offenes Ohr", sagt der dreifache Familienvater. "Die Kinder sind hier sehr gut betreut."
Was er sich zu Weihnachten wünscht? "Dass wir alle gesund bleiben und dass es meiner Familie gut geht", sagt der 40-Jährige, denn: "Eigentlich spielt Geld keine Rolle. Gesundheit ist am wichtigsten – und unser Zusammenhalt. Ich hatte in meiner Kindheit nicht so ein gutes Elternhaus und bis zum Teil im Heim groß geworden. Deshalb will ich meinen Kindern jetzt zeigen, dass die Familie das Wichtigste ist."
MDR (Daniel George)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 22. Dezember 2024 | 19:00 Uhr
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