Jahresrückblick Vom Erfurter Theaterskandal bis zur neuen Dix-Ausstellung: So war das Kulturjahr 2024 in Thüringen
Hauptinhalt
25. Dezember 2024, 04:00 Uhr
Das Jahr 2024 war in Thüringen nicht nur für die Politik, sondern auch für die Kultur ein bewegtes, um nicht zu sagen turbulentes Jahr. Mehrere Intendanten und Museumsleiter verließen ihre Posten. Die Landtagswahl wirbelte die gesamte Kulturszene auf. Aber es gab auch Neu- und Wiedereröffnungen, und Otto Dix zog wieder bei sich zu Hause ein. Was sonst noch alles geschah – ein Rückblick.
- Das Kulturjahr in Thüringen begann in Erfurt mit einem Metoo-Skandal um Theaterintendant Guy Montavon, Auftakt zu einer Reihe von Rücktritten.
- In Gera fand dagegen Otto Dix in der wiedereröffneten Orangerie eine neue Heimat.
- Die Politik beunruhigte und aktivierte die Kulturschaffenden mehr als einmal.
Das Kulturjahr 2024 beginnt in Thüringen mit einem kleinen Erdbeben: Am 19. Januar kündigt das Theater Erfurt an, dass der Generalintendanten Guy Montavon mit sofortiger Wirkung beurlaubt wird – und die Verwaltungsdirektorin Angela Klepp-Pallas gleich mit.
Kulturbaustelle Erfurt
Erfurts Langzeitintendant Montavon verlässt das Theater, weil der Druck nach Metoo-Vorwürfen am Haus zu groß geworden ist. Die Stadt Erfurt hat sich nach wochenlangem Zögern für diesen Schritt entschieden. Im Juli beschließt der Stadtrat dann die außerordentliche Kündigung. Montavon klagt dagegen, seitdem liegt die Sache vor Gericht.
Das Theater Erfurt mit seinem riesigen Finanzbedarf ist sicherlich in diesem Jahr die größte Kulturbaustelle der Landeshauptstadt, allerdings wiegen auch im Museumsbereich die Probleme schwer. 2024 ziehen sich sowohl der Direktor der Geschichtsmuseen (Martin Sladeczek) als auch der Direktor der Kunstmuseen (Kai Uwe Schierz) zurück. Nachfolger gibt es bislang nicht.
Aber nicht überall läuft das Kulturjahr so turbulent ab wie in Erfurt. Im Theaterbereich tritt Intendant Hasko Weber in Weimar recht geräuschlos seine letzte Spielzeit an. Der Vertrag von Steffen Mensching am Theater Rudolstadt, das nach achtjähriger Sanierung in Schiller-Theater Rudolstadt umbenannt wird, verlängert sich bis 2029.
Neues Zuhause für Werke von Otto Dix
Im Museumsbereich gibt es in Thüringen einige positive Schlagzeilen. Im Mai wird in Weimar das neue Museum Zwangsarbeit im Nationalsozialismus eröffnet. Und im Oktober wird die Orangerie in Gera wiedereröffnet – als neues Zuhause für die Werke von Otto Dix. "Wir machen ein Epochenbild", begeistert sich die Kuratorin Ulrike Lorenz, Dix-Expertin und Präsidentin der Klassik Stiftung.
Was nicht mit Originalwerken darstellbar wäre, komme nun durch die digitale Revolution mit in diese Ausstellung, so Lorenz: "Und so können wir tatsächlich ein sehr facettenreiches Bild zu Leben und Werk des tollen Geraer Künstlers zeigen."
Wir machen ein Epochenbild.
Mit der neuen Dauerausstellung wird ein jahrelanger Streit beendet. Eine Stiftung hatte immer wieder gedroht, ihre Dix-Dauerleihgaben aus Gera abzuziehen, sollten sie nicht angemessen präsentiert werden. Trotz knapper Kassen ist das nun gelungen – ein kleines Kultur-Wunder in diesem Jahr.
Kultur und Landtagswahlen
Ansonsten ist natürlich die Politik nicht außen vor geblieben in den vergangenen Monaten. Im Vorfeld von Kommunal- und Landtagswahlen positionieren sich viele Kultur-Akteurinnen und Akteure gegen rechts, schließen sich etwa dem Bündnis Weltoffenes Thüringen an. Viel Energie steht im Raum – dennoch kommen manche an ihre Grenzen. Wie etwa Theatermacherin Anica Happich, die mit dem Phoenix-Verein die ersten Plattenstufen-Festspiele in einem Erfurter Plattenbaugebiet veranstaltet und auch mit einem "Meckerchor" durch den ländlichen Raum zieht.
Ich wünsche mir, dass wir wieder zu einer Dialogkultur zurückkehren können, wo man wieder sagen kann: Ich stimme mit dir überein, dass wir nicht einer Meinung sind.
"Was mich sehr bedrückt: dass sich eine gesellschaftliche Spaltung auch zunehmend verhärtet hat", gibt sie zu bedenken. Sie spricht viel mit Menschen und hat den Eindruck, dass nur noch über Emotionen geredet wird: "Es ist alles sehr emotional – und richtig und falsch, aber dazwischen gar nichts. Und ich würde mir wünschen, dass wir wieder zu einer Dialogkultur zurückkehren können, wo man wieder sagen kann: Ich stimme mit dir überein, dass wir nicht einer Meinung sind."
Herausforderungen für die freie Szene
Freie Kulturakteure wie Happich haben es in diesen Zeiten nicht leicht, denn die Haushaltslage des Freistaats wird zunehmend angespannter. So richten sich alle Augen nun auf den neuen Kulturminister Christian Tischner, der im Dezember sein Amt antritt. Bislang ist er nur als Bildungspolitiker in Erscheinung getreten – wie es der Kultur unter ihm gehen wird, ist völlig offen.
Quelle: MDR Kultur (Mareike Wiemann), redaktionelle Bearbeitung: lm
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 30. Dezember 2024 | 06:15 Uhr