Zwei Frauen betrachten das Gemälde "Selbstbildnis mit Jan" von Otto Dix 4 min
Die Werke von Otto Dix haben ein neues Zuhause bekommen. Was das Kulturjahr in Thüringen noch zu bieten hatte, berichtet Mareike Wiemann. Bildrechte: picture alliance / ZB | Hendrik Schmidt
4 min

Ein turbulentes Jahr 2024 geht für die Kultur in Thürigen zu Ende. Es begann mit einem Meeto-Skandal und endet mit einem neuen Kulturminister. Ein Jahresrückblick von Mareike Wiemann.

MDR KULTUR - Das Radio Mo 30.12.2024 06:15Uhr 03:39 min

https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/jahresrueckblick-kulturjahr-thueringen-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Jahresrückblick Vom Erfurter Theaterskandal bis zur neuen Dix-Ausstellung: So war das Kulturjahr 2024 in Thüringen

25. Dezember 2024, 04:00 Uhr

Das Jahr 2024 war in Thüringen nicht nur für die Politik, sondern auch für die Kultur ein bewegtes, um nicht zu sagen turbulentes Jahr. Mehrere Intendanten und Museumsleiter verließen ihre Posten. Die Landtagswahl wirbelte die gesamte Kulturszene auf. Aber es gab auch Neu- und Wiedereröffnungen, und Otto Dix zog wieder bei sich zu Hause ein. Was sonst noch alles geschah – ein Rückblick.

Das Kulturjahr 2024 beginnt in Thüringen mit einem kleinen Erdbeben: Am 19. Januar kündigt das Theater Erfurt an, dass der Generalintendanten Guy Montavon mit sofortiger Wirkung beurlaubt wird – und die Verwaltungsdirektorin Angela Klepp-Pallas gleich mit.

Angela Klepp-Pallas (Verwaltungsdirektorin) und Guy Montavon (Generalintendant)
Metoo-Skandal am Theater Erfurt: Generalintendant Guy Montavon und Verwaltungsdirektorin Angela Klepp-Pallas müssen ihre Plätze räumen. Bildrechte: IMAGO / Karina Hessland

Kulturbaustelle Erfurt

Erfurts Langzeitintendant Montavon verlässt das Theater, weil der Druck nach Metoo-Vorwürfen am Haus zu groß geworden ist. Die Stadt Erfurt hat sich nach wochenlangem Zögern für diesen Schritt entschieden. Im Juli beschließt der Stadtrat dann die außerordentliche Kündigung. Montavon klagt dagegen, seitdem liegt die Sache vor Gericht.

Das Theater Erfurt mit seinem riesigen Finanzbedarf ist sicherlich in diesem Jahr die größte Kulturbaustelle der Landeshauptstadt, allerdings wiegen auch im Museumsbereich die Probleme schwer. 2024 ziehen sich sowohl der Direktor der Geschichtsmuseen (Martin Sladeczek) als auch der Direktor der Kunstmuseen (Kai Uwe Schierz) zurück. Nachfolger gibt es bislang nicht.

Kai-Uwe Schierz in der Friedrich-Nerly-Ausstellung
Kai Uwe Schierz gibt seinen Posten als Direktor der Erfurter Kunstmuseen auf und begründet das mit der immensen
Arbeitsbelastung – eine Folge des Sparzwangs.
Bildrechte: MDR/Mareike Wiemann

Aber nicht überall läuft das Kulturjahr so turbulent ab wie in Erfurt. Im Theaterbereich tritt Intendant Hasko Weber in Weimar recht geräuschlos seine letzte Spielzeit an. Der Vertrag von Steffen Mensching am Theater Rudolstadt, das nach achtjähriger Sanierung in Schiller-Theater Rudolstadt umbenannt wird, verlängert sich bis 2029.

Steffen Mensching trägt leger T-Shirt und Sakko,  Bascap und eine unauffällige Brille, schaut herausfordernd in die Kamera.
Seit 2011 ist Steffen Mensching Intendant des Theaters Rudolstadt – und darf es auch bleiben. Bildrechte: IMAGO / Hartenfelser

Neues Zuhause für Werke von Otto Dix

Im Museumsbereich gibt es in Thüringen einige positive Schlagzeilen. Im Mai wird in Weimar das neue Museum Zwangsarbeit im Nationalsozialismus eröffnet. Und im Oktober wird die Orangerie in Gera wiedereröffnet – als neues Zuhause für die Werke von Otto Dix. "Wir machen ein Epochenbild", begeistert sich die Kuratorin Ulrike Lorenz, Dix-Expertin und Präsidentin der Klassik Stiftung.

Das Gemälde von Otto Dix zeigt eine junge Frau aus den 20er Jahren im Seitenschnitt, mit mogischem Bobby-Kopf, goldener Bluse und goldener Kappe, Blick in die Ferne.
Neben der Orangerie präsentiert auch das wiedereröffnete Otto-Dix-Haus in Gera neue Dauerausstellungen. Bildrechte: Otto Dix Stiftung Vaduz/VG Bild Kunst Bonn, 2024

Was nicht mit Originalwerken darstellbar wäre, komme nun durch die digitale Revolution mit in diese Ausstellung, so Lorenz: "Und so können wir tatsächlich ein sehr facettenreiches Bild zu Leben und Werk des tollen Geraer Künstlers zeigen."

Wir machen ein Epochenbild.

Ulrike Lorenz Präsidentin der Klassik Stiftung zur Otto-Dix-Ausstellung in Gera

Mit der neuen Dauerausstellung wird ein jahrelanger Streit beendet. Eine Stiftung hatte immer wieder gedroht, ihre Dix-Dauerleihgaben aus Gera abzuziehen, sollten sie nicht angemessen präsentiert werden. Trotz knapper Kassen ist das nun gelungen – ein kleines Kultur-Wunder in diesem Jahr.

Kultur und Landtagswahlen

Ansonsten ist natürlich die Politik nicht außen vor geblieben in den vergangenen Monaten. Im Vorfeld von Kommunal- und Landtagswahlen positionieren sich viele Kultur-Akteurinnen und Akteure gegen rechts, schließen sich etwa dem Bündnis Weltoffenes Thüringen an. Viel Energie steht im Raum – dennoch kommen manche an ihre Grenzen. Wie etwa Theatermacherin Anica Happich, die mit dem Phoenix-Verein die ersten Plattenstufen-Festspiele in einem Erfurter Plattenbaugebiet veranstaltet und auch mit einem "Meckerchor" durch den ländlichen Raum zieht.

Elegant-sportlich gekleidete Frau sitzt auf Bierbank vor Plattenbausiedlung und hält ein rotes Band in der Hand. Theatermacherin Anica Happich.
Theatermacherin Anica Happich bringt Kultur ins Erfurter Plattenbaugebiet. Bildrechte: Phoenix e.V., Foto: Jonas Walter

Ich wünsche mir, dass wir wieder zu einer Dialogkultur zurückkehren können, wo man wieder sagen kann: Ich stimme mit dir überein, dass wir nicht einer Meinung sind.

Anica Happich Künstlerin

"Was mich sehr bedrückt: dass sich eine gesellschaftliche Spaltung auch zunehmend verhärtet hat", gibt sie zu bedenken. Sie spricht viel mit Menschen und hat den Eindruck, dass nur noch über Emotionen geredet wird: "Es ist alles sehr emotional – und richtig und falsch, aber dazwischen gar nichts. Und ich würde mir wünschen, dass wir wieder zu einer Dialogkultur zurückkehren können, wo man wieder sagen kann: Ich stimme mit dir überein, dass wir nicht einer Meinung sind."

Herausforderungen für die freie Szene

Freie Kulturakteure wie Happich haben es in diesen Zeiten nicht leicht, denn die Haushaltslage des Freistaats wird zunehmend angespannter. So richten sich alle Augen nun auf den neuen Kulturminister Christian Tischner, der im Dezember sein Amt antritt. Bislang ist er nur als Bildungspolitiker in Erscheinung getreten – wie es der Kultur unter ihm gehen wird, ist völlig offen.

Quelle: MDR Kultur (Mareike Wiemann), redaktionelle Bearbeitung: lm

Mehr zu Kultur in Thüringen

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 30. Dezember 2024 | 06:15 Uhr

Mehr aus Thüringen