Windehausen | Mönchpfiffel-Nikolausrieth Ein Jahr nach der Flut: Zwischen Wiederaufbau und Wut
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24. Dezember 2024, 06:50 Uhr
Ein Jahr nach dem Weihnachtshochwassser blickt Windehausen im Kreis Nordhausen auf ein Jahr voller Herausforderungen zurück. Die Normalität kehrt zurück, doch die Kritik an den geplanten Schutzmaßnahmen bleibt laut.
Ein Jahr nach dem Weihnachtshochwasser ist der gelbe Flachbau kaum wiederzuerkennen. Das Hochwasser hatte das Haus der Familie Geisler regelrecht leergefegt. Fast alle Teppiche, Möbel und Geräte wurden zerstört. Die Türen und Zargen mussten herausgerissen werden. In den nackten Innenräumen surrten nur die Industrietrockner. Damals standen Wolfgang Geisler und seine Frau vor dem Nichts. Sie waren 85 und 77 Jahre alt. Das Haus war erst 13 Jahre alt - ein Alterswohnsitz.
Familie und Helfer aus der Region halfen beim Wiederaufbau
Ein Jahr später lebt das Rentnerpaar wieder im eigenen Heim. Das Wohnzimmer hat wieder eine Schrankwand, einen Esstisch, Couch und Sessel. Das Haus hat wieder Türen und die Wände sind gelb gestrichen. An allen Wänden hängen Bilder und Fotos. Von der Flut, die vom Sportplatz her durch das Haus drückte, ist kaum noch etwas zu spüren. "Das habe ich meiner Familie und vielen Helfern aus der Region zu verdanken. Sie waren sehr fleißig", sagt Wolfgang Geisler. Vier Töchter und die Schwiegersöhne packten an. Unterstützer kamen sogar aus Nordhausen und ermöglichten den Geislers nun einen würdiges Leben in den eigenen vier Wänden.
Trotzdem ist Wolfgang Geisler wütend. Die Versicherung habe nicht gezahlt. Was Medien, Politik, Fachbehörden und die Anwohner selbst als Hochwasser bezeichnen, hat die Versicherung nur als Grundwasseranstieg eingestuft. Deshalb erhielt das Rentnerpaar kein Geld. "Ohne eigene Rücklagen würden wir hier nicht mehr wohnen können", sagt Wolfgang Geisler.
Wütend wird der Rentner auch, wenn er auf das Thema Hochwasserschutz zu sprechen kommt. "Der neue Hochwasserschutz ist wahrscheinlich erst 2027 fertig. Das wäre in zwei Jahren. Das ist doch nicht normal. Die Bauarbeiten hätte schon in diesem Jahr beginnen müssen."
Neuer Hochwasserschutz für Windehausen
Nach acht Jahren Verhandlungen, Berechnungen und Bearbeitungszeit hat das Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz (TLUBN) im Dezember das neue Hochwasserschutzkonzept für Windehausen vorgestellt. Sieben Millionen Euro wird das Land in die neuen Deichanlagen investieren. Deutlich mehr als geplant: Noch im Januar war von drei Millionen Euro die Rede.
Geplant ist, die Deichlinie zu erhöhen und weitere Schutzmauern zu errichten. Windehausen erhalte neue Pumptechnik, um die Ortschaft im Notfall entwässern zu können. Neben den Deichen sollen auch Straßen und angrenzende Wege ertüchtigt werden. Hydrologische Berechnungen hätten ergeben, dass das Konzept auch außergewöhnlichen Hochwasserereignissen, wie zu Weihnachten 2023, standhalten wird. Damit sei Windehausen in Zukunft wirksam gegen solche Naturkatastrophen geschützt. Im neuen Jahr wolle das TLUBN mit der Umsetzungsplanung beginnen. Baubeginn sei für Anfang 2026 geplant.
Keine feste Pumpe für Windehausen
Es gibt aber auch Kritik am neuen Hochwasserschutzkonzept. Heringens Bürgermeister Matthias Marquardt (Linke) hatte sich bereits im Januar für eine fest installierte Pumpe in Windehausen eingesetzt. Diese sollte im Falle eines Hochwassers automatisch anspringen und an einem neuralgischen Punkt im Ort Wasser abpumpen. Doch das Landesamt beharrte auf einer mobilen Lösung. Windehausen erhält demnach eine Pumpe auf einem Anhänger.
Die mobile Pumpe, so die Kritik, müsse von Menschen bedient werden. "Im Falle eines Hochwassers ist dies eine Doppelbelastung für die Feuerwehr", kritisiert Marquardt. Feuerwehrleute müssten in einer Krisensituation neben dem Brandschutz und Hochwasserschutz zusätzlich die Pumpe bedienen. Diese könne schnell zu einer Überforderung führen.
Doch das Landesamt wies die Kritik zurück und setzte sich durch. Die mobile Pumpe auf dem Anhänger sei auch ohne feuerwehrtechnische Ausbildung bedienbar. Man benötige nur eine kurze Schulung.
"Wasserwehr kommt zu spät"
Jede von Hochwasser betroffene Gemeinde ist verpflichtet eine Wasserwehr aufzubauen. Die Mittel für Windehausen wurden Anfang Dezember vom Land zugesagt. Anderthalb Jahre nachdem Heringen diese beantragt hatte - noch vor dem Weihnachtshochwasser. Die Ausrüstung für die Wasserwehr solle nun ausgeschrieben werden. Die Erstausstattung werde erst im Frühjahr 2025 verfügbar sein.
Bürgermeister Matthias Marquardt kritisiert den gesamten Prozess als "viel zu lang". Trotz der Pläne für die Wasserwehr stünden die Gemeinden aktuell nahezu genauso schlecht da wie vor dem Weihnachtshochwasser. Sollte ein weiteres Hochwasser eintreten, gäbe es kaum Fortschritte in der Vorbereitung.
Neues Hochwasserschutz für Helme in Arbeit
Der neue Hochwasserschutz für den Kyffhäuserkreis nimmt dagegen erst langsam Fahrt auf. Wie das TLUBN mitteilte, arbeiten Thüringen und Sachsen-Anhalt zusammen, um den Schutz entlang der Helme zu verbessern. Derzeit werde der geschlitzte Deich bei Mönchpfiffel-Nikolausrieth saniert. Dieser wurde zum Weihnachtshochwasser 2023 mit einem Bagger geöffnet, um eine Überschwemmung zu verhindern. Thüringen finanziert die Sanierung, Sachsen-Anhalt übernahm die Umsetzung. Diese Kooperation soll in Zukunft einem gemeinsamen Hochwasserschutzkonzept münden. Doch konkrete Pläne liegen noch nicht vor. Man befinde sich in der Abstimmungsphase, hieß es.
Das Landratsamt des Kyffhäuserkreises dagegen hat bereits konkrete Vorstellungen. Zentrales Anliegen sind präzisere Pegelmessungen. Derzeit müsse man sich an den Pegelständen in Bennungen in Sachsen-Anhalt orientieren. Da die Wassermassen erst 16 Stunden später den Kyffhäuserkreis erreichten, sei dies unpräzise. Der Landkreis habe deshalb zusätzliche Messpunkte und eine bessere Integration der Pegelstände in die Hochwasserschutzplanung angeregt.
Auch langfristig seien umfangreiche Investitionen nötig, um die Region auf extreme Wetterereignisse vorzubereiten. Der Landkreis hat Schleusensanierungen und neue technische Ausrüstungen für den Katastrophenschutz vorgeschlagen. Wann der Hochwasserschutz aber tatsächlich umgesetzt wird, steht noch in den Sternen.
MDR (aku/dr)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 24. Dezember 2024 | 06:50 Uhr