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Outdoor-Ausstellung und Blog Zum Start der EM: Ausstellung über Fußball im ehemaligen KZ Buchenwald

14. Juni 2024, 13:27 Uhr

Das ehemalige KZ Buchenwald schreibt in der europäischen Fußballgeschichte ein eigenes Kapitel: Zwischen 1939 und 1942 gestattete die SS manchen Häflingen, Fußball zu spielen. Auf diese Weise sollte der verbrecherische Charakter des Konzentrationslagers vertuscht werden. Eine Outdoor-Ausstellung und ein begleitendes Blog auf der Website der heutigen Gedenkstätte dokumentieren dieses Kapitel nun ausführlich – zeitgleich mit dem Start der Fußball-EM.

Welche Rolle der Fußball-Sport in dem ehemaligen KZ Buchenwald spielte, ergründet die heutige Gedenkstätte Buchenwald mit einer Outdoor-Ausstellung und einem begleitenden Blog auf ihrer Website. Wie Rikola-Gunnar Lüttgenau, Sprecher der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, im Gespräch bei MDR KULTUR erklärte, war das Fußballspielen in dem Konzentrationslager für die Häftlinge als Spieler oder Zuschauer "eine winzige kleine Möglichkeit, sich dem grauenhaften Alltag zu entziehen."

Fußballspielen in einem Konzentrationslager war für die Häftlinge eine Möglichkeit, sich selber wieder zu spüren.

Rikola-Gunnar Lüttgenau, Sprecher der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora

Auf der andere Seite seien die Spiele für die SS eine Form gewesen, "die Lagerwirklichkeit zu vertuschen, unter anderem vor Besuchern", erklärte der Sprecher weiter. Den ersten Fußballplatz im KZ Buchenwald ließ die SS im Jahr 1939 errichten, wie es im Online-Blog heißt. Dieser entstand an der Stelle der ehemaligen Behelfsbaracken des Pogromsonderlagers; später gab es ein neues Spielfeld unterhalb der letzten Barackenreihe, wo 1942 dann das sogenannte Kleine Lager errichtet wurde. In den dort stattfindenden Spielen mussten teilweise jüdische Häftlinge gegen nicht-jüdische Häftlinge antreten. Wie lange und wie oft Spiele stattfanden, sei nicht überliefert.

Fritz Förderer im schwarzen Anzug mit dem Fußballteam der SG Weimar-Ost Ende der 1940er-Jahre.
Das Team der SG Weimar-Ost (heute SC 03 Weimar) in der zweiten Hälfte der 1940er-Jahre. Der Klub erreichte 1948 mit Trainer Fritz Förderer das Halbfinale bei der ersten Austragung der "Fußball-Ostzonenmeisterschaft". Bildrechte: Ernst Schäfer (Festschrift 90 Jahre Sport-Club Weimar 1903/Gedenkstätte Buchenwald)

Fußball – Flucht vor dem Lageralltag und SS-Propaganda

An manchen arbeitsfreien Sonntagnachmittagen duldete die SS weitere Fußballspiele. Möglicherweise bot dies manchen Inhaftierten eine kurze Flucht aus dem brutalen Lageralltag. Allerdings galt dies nur so genannten privilegierten Häftlingen, der Großteil der Inhaftierten wäre wegen der Lagerbedingungen ohnehin physisch überhaupt nicht in der Lage dazu gewesen, wie Stiftungssprecher Rikola-Gunnar Lüttgenau sagte: "Es gab Ausschlussfaktoren. In den späteren Jahren durften jüdische Häftlinge nicht Fußball spielen und die körperliche Konstitution der meisten Häftlinge war sowieso nicht so, dass es möglich gewesen wäre."

Die SS nutzte die Fußballspiele, um ein "normales Leben" im Lager vorzutäuschen und führte auswärtigen Besuchern den Fußballplatz unter diesem Gesichtspunkt gern vor. Doch auch die SS selbst hatte mit der "SS-Sportgemeinschaft Buchenwald" eine eigene Mannschaft aufgestellt, die unter anderem Spiele gegen Vereine der Region Thüringen bestritt. "Das gehört zur Vertuschung des verbrecherischen Charakters des Konzentrationslagers", betonte Lüttgenau im Gespräch bei MDR KULTUR. Die Bedeutung des Sports für die Buchenwalder SS wird deswegen ebenfalls in der Ausstellung dokumentiert.

Ignaz Feldmann zeigt dem Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte in Europa den Galgen im ehemaligen Außenlager Ohrdruf, 12. April 1945
Ignaz Feldmann (vorne links), ehemaliger Profifußballer aus Wien, zeigt dem Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte in Europa am 12. April 1945 den Galgen im ehemaligen Außenlager Ohrdruf. Bildrechte: Leo Moore (National Archives at College Park, Maryland)

Europäische Nationalspieler und Funktionäre im KZ Buchenwald

Unter den Häftlingen im KZ Buchenwald befanden sich etliche namhafte jüdische Fußballspieler aus ganz Europa oder solche, die Widerstand gegen die Nationalsozialisten leisteten. Viele von ihnen werden ebenfalls im Blog auf der Website der Gedenkstätte vorgestellt. Zum Beispiel Josef Gerö: Der spätere Vizepräsident der UEFA war 1938/39 in Buchenwald inhaftiert. Nach ihm wurde 1955 bis 1960 der Europapokal der Nationalmannschaften benannt – Vorläufer der heutigen Europameisterschaft.

Julius Hirsch Preis des DFB
Mit dem Julius-Hirsch-Preis erinnert der Deutsche Fußballbund (DFB) an die Opfer des Nationalsozialismus. Bildrechte: IMAGO / Hartenfelser

Berühmte ehemalige Nationalspieler aus Frankreich oder Ungarn wie Eugène Maës und Henrik Nádler kehrten aus dem Konzentrationslager nicht mehr zurück. Über jene, die überlebt haben, sagte Stiftungssprecher Lüttgenau: "Die Karrieren der Spieler, die inhafiert waren, weil sie Widerstandskämpfer oder Juden waren und deswegen in Konzentrationslager gekommen sind, waren zetrümmert."

Die Fußballmannschaft der "SS-Sportgemeinschaft Buchenwald" wurde 1939 von Fritz Förderer trainiert. Er war deutscher Nationalspieler und – zusammen mit dem 1943 in Auschwitz ermordeten Julius Hirsch – Mitglied der Meistermannschaft des Karlsruher FV von 1910. Ab 1919 arbeitete er als Sportlehrer in Halle (Saale), trat 1942 in die NSDAP ein und führte ab 1948 dann die SG Weimar-Ost.

Infos zur Ausstellung

"Fußball und das KZ Buchenwald"
Outdoor-Ausstellung vom 14. Juni bis 31. August 2024

Das Gedenkstättengelände ist täglich bis zum Einbruch der Dunkelheit geöffnet. Der Zutritt ist frei. 

Öffentliche Themenrundgänge (immer 11 bis 13 Uhr):
16., 23. und 30. Juni sowie 7. und 14. Juli 2024

Quelle: Website der Gedenkstätte Buchenwald
Redaktionelle Bearbeitung: jb, vp

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 14. Juni 2024 | 12:10 Uhr

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