
Analyse Katja Wolf, die Unverwüstliche
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27. April 2025, 10:11 Uhr
Der Machtkampf im BSW Thüringen ist entschieden, wiedermal. Und wiedermal heißt die Siegerin: Katja Wolf. Zum zweiten Mal düpierte sie die Parteigründerin Sahra Wagenknecht, die plötzlich nicht mehr unantastbar wirkt.
"Ich freue mich, wichtige Gäste begrüßen zu dürfen: Generalsekretär Christan Leye, schön, dass du da bist!" Dass Katja Wolf in ihrer Eröffnungsrede auf dem Landesparteitag in Gera ausgerechnet den BSW-Generalsekretär Christian Leye so herzlich begrüßte, ist bemerkenswert.
Schließlich betonte Leye in den vergangenen zwei Wochen unermüdlich, dass es neue Impulse in Thüringen brauche und die Landesparteispitze abgewählt gehöre. Leye war Sahra Wagenknechts Speerspitze im erneuten Machtkampf mit Katja Wolf, der - so hoffte Wagenknecht - Wolf ein für alle Mal aus dem Thüringer Vorstand drängen sollte.
Dass das in Berlin schon eine ausgemachte Sache zu sein schien, konnte man in Leyes Rede auf dem Parteitag hören. Nachdem er zunächst den parteiinternen Machtkampf zur Legende verklärte und sagte, dass es lediglich unterschiedliche Meinungen darüber gebe, wie das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen sei, zeigte er seine Verbundenheit zu Wolf und der bisherigen Thüringer Parteiführung so: "Ich danke dem ehemaligen Landesvorstand, der heute abgewählt wird." Definitiver hätte er es kaum ausdrücken können.
Eine Demütigung für Wagenknecht
Doch es kam anders als Leye und Wagenknecht sich das gedacht hatten: Katja Wolf wurde vom Landesparteitag mit 61 von 96 möglichen Stimmen wiedergewählt. Dass Herausforderin Anke Wirsing am Ende mit 35 Stimmen recht deutlich scheiterte und dass das restliche "Team Wagenknecht" aus Matthias Bickel, Robert Henning und Sven Küntzel anschließend den Rückzug antrat (alle drei zogen ihre Kandidatur zurück), ist eine Demütigung - vor allem für die Parteigründerin.
Schließlich ist es schon das zweite Mal, dass Wagenknecht gegen Wolf den Kürzeren zieht. Schon während der Regierungsbildung in Thüringen hatte sie deutlich andere Vorstellungen als Wolf, lenkte aber ein, um die Bundestagswahl nicht zu gefährden. Die zweite Niederlage ist aber umso krachender, weil es diesmal für jeden politischen Beobachter offensichtlich war, dass Wagenknecht Wolf weghaben wollte.
Fortwährende Attacken gegen Wolf
Die wagenknechtschen Attacken auf Wolf haben früh begonnen: Im vergangenen Herbst nahm der Bundesverband ohne Absprache mit der Landespartei mehrere Mitglieder in Thüringen auf, die schon damals die Abstimmung über den Koalitionsvertrag torpedieren sollten. "Gesinnungsakquise" nannte das Wolfs Vertrauter Steffen Schütz. Der Vorgang sorgte für Unruhe im Thüringer Landesverband. Am Ende kam die Koalition aus CDU, BSW und SPD trotzdem zustande.
Eine weitere Attacke folgte nach der verlorenen Bundestagswahl. Nur einen Tag nach dem niederschmetternden Ergebnis für das BSW schob die Bundesvorsitzende Thüringen eine Teilschuld für das Scheitern an der Fünfprozenthürde zu. Der Eintritt in die Koalition in Thüringen habe das BSW Stimmen gekostet, sagte Wagenknecht. Das BSW habe die Wähler hier enttäuscht. Als Beispiel nannte sie das kostenlose Schulessen, dass den Thüringern erst versprochen und dann wegen der Haushaltslage doch einkassiert wurde.
Zum Frontalangriff ging Wagenknecht jetzt vor dem Landesparteitag in Thüringen über. Die öffentlichkeitswirksame Unterstützung von Anke Wirsing, war der ultimative Vertrauensentzug für Wolf. Dass Wagenknecht kurz vor der Wahl die Thüringer Parteimitglieder in einem Brief zur Abwahl der Landesvorsitzenden aufforderte, setzte dem die Krone auf.
Nur: Am Ende half es alles nichts gegen die schier unverwüstliche Katja Wolf, die alle Schikanen mit der ihr eigenen stoischen Gelassenheit ertrug und an ihrem pragmatischen Politikstil festhielt.
BSW Thüringen emanzipiert sich
Mit Wolfs Wiederwahl ist im BSW etwas ins Rutschen gekommen. Sahra Wagenknecht wirkt plötzlich nicht mehr unantastbar. Die Partei scheint sich - zumindest in Thüringen - von ihrer Namensgeberin allmählich zu emanzipieren.
Zudem bewiesen viele Mitglieder ihre Loyalität zu Wolf und ihrem bisherigen Co-Landesvorsitzenden Steffen Schütz. Dieser hatte am Donnerstag seine Kandidatur zurückgezogen, um die Partei zu befrieden. Vor allem nahm er damit dem Wagenknecht-Lager den Wind aus den Segeln, das kritisierte, dass Wolf und Schütz an ihren Ämtern kleben würden.
Als Schütz seine emotionale Rede auf dem Parteitag beendet hatte, erhoben sich rund 30 Mitglieder und hielten Schilder in die Höhe mit der Aufschrift “Willkommen im FREIstaat“, ein Zitat aus Schütz' Abrechnung mit dem Bundesvorstand vom Donnerstag.
Brombeer-Regierung hat eine Perspektive
Zu guter Letzt bleibt zu konstatieren, dass der Parteitag auch die Brombeer-Regierung bestätigt hat. Zwar wäre die Regierung nicht sofort geplatzt - wie es manche Medien vor dem Parteitag suggerierten. Allerdings hätte die Abwahl von Wolf dazu geführt, dass sämtliche BSW-Minister ohne Rückendeckung der Partei dagestanden hätten.
Diesen Umstand machte auch Wolf auf dem Parteitag deutlich, als sie in ihrer Bewerbungsrede die Mitglieder fragte: "Glaubt ihr, es ist immer lustig, mit Voigt und Maier zu verhandeln? […] Dafür braucht es Stärke, Durchsetzungsvermögen und Erfahrung."
Dass Wolf über politische Erfahrung und Durchsetzungsvermögen verfügt, hat sie oft genug bewiesen. Der Parteitag hat ihr nun auch Stärke verliehen.
Anmerkung der Redaktion: Das Thema kann unter diesem Beitrag zum BSW-Landesparteitag kommentiert werden.
MDR (ask/mm)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 26. April 2025 | 19:00 Uhr