20 Jahre nach Brand Anna Amalia Bibliothek Weimar erfindet sich als Zukunftsarchiv neu
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01. September 2024, 08:30 Uhr
Zwanzig Jahre nach dem verheerenden Brand stellt sich die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar neu auf. Im Rahmen des Projekts "Future Memory" sollen die Sammlungen der Bibliothek weiter erschlossen und besser zugänglich gemacht werden. Dazu wurde ein neues digitales Suchportal geschaffen. Es soll helfen, mit Hilfe der Bibliothekssammlungen Antworten auf Fragen der Gegenwart und Zukunft zu finden, zum Beispiel zum Ukraine-Krieg.
- Kern der Neuausrichtung ist ein digitales Suchportal, mit dem sich die Sammlungen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek erschließen lassen.
- Die Bibliothek hat auch Video-Interviews mit Zeitzeugen des Brandes aufgezeichnet, die nun ebenfalls Teil der Sammlung sind.
- Der Brand vom 2. September 2004 gilt als der größte Bibliotheksbrand in Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkriegs.
Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar ist als Fürstenbibliothek gegründet worden, hat sich zur modernen Forschungsbibliothek entwickelt und will sich nun – zwanzig Jahre nach dem Brand im September 2004 – als Zukunftsarchiv neu aufstellen. Bibliotheksdirektor Reinhard Laube sagte MDR KULTUR: "Es geht darum, sich in der Gegenwart so aufzustellen, dass diese Bibliothek eine Zukunftsperspektive hat, dass sie auf Gegenwartsfragen reagieren kann und dass sie in Rechnung stellt, dass sie auch für zukünftige Fragen Antworten geben muss."
Innovatives Suchportal
Kern dieser Neuausrichtung ist ein digitales Suchportal, das auf einem Suchmaschinen-Index basiert. Mit ihm lassen sich knapp fünf Millionen Titel durchforsten. Darunter befinden sich gedruckte und elektronische Bücher, Karten und Atlanten, Musikalien, Handschriften und viele Sondersammlungen.
Mit dem neuen Suchportal will die Bibliothek auch auskunftsfähig zu drängenden Fragen der Gegenwart sein. Reinhard Laube bringt es folgendermaßen auf den Punkt: "Sind unsere Sammlungen soweit erschlossen, dass sie auch zu dem neuen Thema Ukraine eine Antwort bieten?" Wer im Katalog dazurecherchiert, findet historische Karten, aber auch aktuelle Sachbücher und Romane.
Sind unsere Sammlungen soweit erschlossen, dass sie auch zu dem neuen Thema Ukraine eine Antwort bieten?
Zeitzeugen-Projekt sammelt Erfahrungsberichte zum Brand
Das Projekt "Future Memory - Zeitzeugen berichten" versammelt zudem Video-Interviews mit Zeitzeugen, die unter anderem von der Brandnacht berichten. Unter ihnen ist auch der Feuerwehrmann Ralf Seeber, der als einer der ersten Helfer vor Ort war. "Von der Alarmierung bis zum Niederbrennen des Dachstuhls sind knapp zwei Stunden vergangen", erinnert sich Seeber. "Wenn so ein Gebäude brennt, dann brennt es. Wir hätten noch zehntausend Liter Wasser mehr draufschütten oder sprühen können, das hätte das Ergebnis auch nicht verändert."
Knapp 40 Interviews hat die Bibliothek in den vergangenen Monaten aufgezeichnet. Weitere sollen in den kommenden Wochen hinzukommen. Die Zeitzeugen reden dabei auch von ihrer Verbindung zur Herzogin Anna Amalia Bibliothek und von ihren Wünschen für die Zukunft des Hauses. Diese Stimmen seien Grundlagen für künftige Erinnerungen, teilte die Klassik Stiftung Weimar mit, für eine Bibliothek als Zukunftsarchiv.
Expertise zu Buchrestaurierung weitergeben
Außerdem will die Herzogin Anna Amalia Bibliothek ihre Erfahrungen auf dem Gebiet der Buchrestaurierung mit anderen teilen. Seit 2008 betreibt sie gemeinsam mit der Klassik Stiftung Weimar eine Restaurierungs- und Lehrwerkstatt. In ihr wird geforscht und getüftelt, aber auch nach wie vor an den so genannten Aschebüchern gearbeitet – also an jenen stark verkohlten Buchblöcken, die Helferinnen und Helfer nach dem Brand aus dem Bauschutt geholt haben.
Derzeit sucht die Bibliothek nach Möglichkeiten, das gewonnene Know-how anderen öffentlichen Einrichtungen zugänglich zu machen. In Pilotprojekten wird beispielsweise die Übertragung der Restaurierungsverfahren auf schwerst geschädigtes Archivgut getestet.
Brand von 2004 ist der größte Bibliotheksbrand der Nachkriegszeit
Am 2. September 2004, dem Tag des Brandes, waren im Historischen Bibliotheksgebäude 196.000 Bücher untergebracht. Etwa 50.000 Bücher wurden durch das Feuer zerstört. Damit gilt der Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek als der größte Bibliotheksbrand der deutschen Nachkriegszeit.
Quellen: MDR KULTUR (Tino Dallmann), Klassik Stiftung Weimar
Redaktionelle Bearbeitung: bh
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 02. September 2024 | 08:30 Uhr