Wirtschaft Acht Millionen Euro Fördermittel verschwunden

20. Dezember 2018, 20:14 Uhr

Die Pleite des Thüringer Solarkompetenzzentrums in Erfurt 2011 wirft acht Jahre danach Fragen auf. Es geht um Millionen an Fördermitteln, die nicht zurückgezahlt wurden. Um Grundschulden, die durch Entscheidungen in der Landesverwaltung aus Grundbüchern verschwunden sind. Und um den fragwürdigen Deal einer Bank.

Es war ein Prestigeprojekt der damaligen Thüringer Landesregierung aus CDU und SPD, das Solarkompetenzzentrum. 2010 in Erfurt eingeweiht und mit acht Millionen Euro gefördert. Dort sollten die künftigen Fachkräfte für den erhofften Solarboom in Thüringen ausgebildet werden. Doch alle Beteiligten hatten sich in dem Projekt verzockt. Denn ein gutes Jahr nach Start, im Juni 2011, musste der Träger des Zentrums Insolvenz anmelden. Das Bildungswerk für berufsbezogene Aus- und Weiterbildung Thüringen, kurz BWAW, war pleite. Nun stand auf einem Acker in Erfurt-Südost ein nagelneues Gebäude. Eingerichtet nach neuestem technologischen Standard.

Gelder stehen aus

Als die Insolvenz bekannt wurde, leuchtete  im Thüringer Wirtschaftsministerium der rote Alarmknopf. Denn im Solarkompetenzzentrum steckten acht Millionen Euro Fördergelder. Bereits im August 2011 ging deshalb bei der Insolvenzverwalterin die Rückforderung der Summe ein. Eine klare Sache, zumal das Geld zur Sicherung auch als Grundschuld im Grundbuch eingetragen war. Doch bis heute, also über acht Jahre danach, ist kein Cent des Fördergeldes zurückgezahlt worden. Zwar läuft das Insolvenzverfahren immer noch, aber nach Recherchen von MDR THÜRINGEN wird das Geld voraussichtlich auch nicht mehr kommen.

Das könnte unter anderem an einem Verwaltungsakt liegen, der durchaus fragwürdig erscheint. MDR THÜRINGEN liegen interne Geschäfts- und Verkaufsdokumente über die Pleite das Solarkompetenzzentrum vor. Darunter befindet sich ein Brief des Landesverwaltungsamtes vom Juli 2013. In diesem teilt die Behörde dem Notar, der für einen Weiterverkauf der Immobilie aus der Insolvenzmasse zuständig war, mit, dass man einer Löschung der Grundschulden zustimmt. Diese Bewilligung umfasste den gesamten Betrag der acht Millionen Euro Fördergeld und damit die Aufgabe der letzten finanziellen Sicherheit des Freistaates in diesem Projekt. 

Frage nach Verantwortung

Vor dem Hintergrund dieses Schreibens stellt sich die Acht-Millionen-Euro-Frage: Warum hat das Land das getan? Immerhin handelt es sich um Steuergeld. Das Landesverwaltungsamt erklärt, es habe es einen Antrag der Insolvenzverwalterin auf Löschung der Grundschuld gegeben. Ihre Begründung sei gewesen, dass nur so das Gebäude hätte verkauft werden können. Auch das Wirtschaftsministerium, das für die Vergabe der Mittel zuständig ist, sagt das. In einer Stellungnahme hieß es: "Die Löschung der Grundschuld war Voraussetzung für den von der Insolvenzverwalterin angestrebten Verkauf des Grundstücks. Wenn die Löschung der Grundschuld abgelehnt worden wäre, wäre sofort das Zwangsvollstreckungsverfahren eingeleitet worden, bei dem das Grundstück mit vermutlich deutlich geringeren Erlösen hätte zwangsversteigert werden müssen." Zugleich teilte das Ministerium mit, dass das Land weiter ein Gläubiger im noch laufenden Insolvenzverfahren sei. Zudem betont das Wirtschaftsministerium, dass alle getroffenen Entscheidungen nicht unter der aktuellen Hausleitung gefällt worden seien.

Fragwürdige Geschäfte

Doch es floss Geld in die Insolvenzmasse, denn im Frühjahr 2013 wurde die Immobilie für 2,1 Millionen Euro an die Solarpark Viernau Verwaltungs GmbH verkauft. Diese gehörte zu diesem Zeitpunkt der VR-Bank Bad Salzungen-Schmalkalden. Laut internen Geschäftsunterlagen lieh die Bank ihrer 100-prozentigen Tochterfirma 2,6 Millionen Euro für den Kauf des Solarkompetenzzentrums. Ein gewöhnliches Geschäft, sollte man meinen.

Aber in den internen Unterlagen finden sich einige Geschäftsvorgänge, die fragwürdig erscheinen. Da ist zum einen der Vorstandschef der VR-Bank, Stefan Siebert. Er tritt beim Kauf der Immobilie am 8. April 2013 gegenüber dem Notar als Vertreter für alle Vertragsparteien auf - sowohl für die Insolvenzverwalterin, als auch für die damaligen Geschäftsführer der Solarpark-Viernau-Verwaltungs GmbH. Siebert steht somit auf der Käufer- als auch auf der Verkäuferseite.

Dann im Dezember 2013 folgt der nächste Schritt. Die Solarpark Viernau Verwaltungs GmbH verkauft das ehemalige Solarkompetenzzentrum an die VR-Bank und zwar für exakt die Kreditsumme, die sie sich von derselben Bank geliehen hatte: 2,6 Millionen Euro. Zu diesem Zeitpunkt gehörte die GmbH nicht mehr der Bank, sondern der Energiegenossenschaft Zepernick eG mit Sitz in Bergisch-Gladbach (Nordrhein-Westfalen) - in deren Vorstand damals VR-Bank-Chef Siebert saß. Gewinn für die Solarpark GmbH: eine halbe Million Euro.

Nach Recherchen von MDR THÜRINGEN stand das Gebäude des Solarkompetenzzentrums in Erfurt seit seinem Verkauf 2013 bis Anfang 2018 leer. Dann wurde es von VR Bank für 4,3 Millionen Euro an die Fraunhofer-Gesellschaft verkauft. Angeblich unter Vermittlung der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) Thüringen.

Kein Kommentar zu Millionendeal

MDR THÜRINGEN hat bei der Solarpark-Viernau-Verwaltungs GmbH und bei der VR-Bank Bad Salzungen/Schmalkalden nachgefragt. Auch zu der 500.000-Euro-Gewinnspanne aus dem Millionendeal des verschachtelten Firmenkonstrukts, das offenbar heute weiter besteht. Denn VR-Bank-Pressesprecher Mike Helios ist auch gleichzeitig der Geschäftsführer der Solarpark-Viernau-Verwaltungs GmbH. Er sagte, dass man sich aus Gründen des Datenschutzes und des Bankgeheimnisses nicht zu dem angefragten Geschäft äußern werde.

Die VR-Bank selber hat aktuell Probleme mit den Thüringer Strafverfolgungsbehörden. Seit Frühjahr laufen Ermittlungen gegen Manager und Mitarbeiter der Bank. Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen und das Landeskriminalamt prüfen den Verdacht der Untreue bei Immobiliengeschäften der Bank. im August dieses Jahres wurden bundesweit Wohn- und Geschäftsräume durchsucht.

Quelle: MDR THÜRINGEN

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