
Interview Corona, Migration, DDR-Bild: Warum die politische Auseinandersetzung hitziger geworden ist
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20. März 2025, 16:46 Uhr
Sind die Menschen heute politisch interessierter? Haben sie Vertrauen in die Demokratie? Wie wichtig ist politische Bildung? Diese und andere Fragen beantwortet André Brodocz, Professor für Politische Theorie an der Universität Erfurt.
- Warum die politische Auseinandersetzung immer schärfer und hitziger wird.
- Ob die Menschen in der DDR anders politisiert wurden und ob und wo sich das heute noch zeigt.
- Was ist der Unterschied zwischen Vertrauen in "politisches Personal" und in die Demokratie?
Tausende Menschen bei Demos in deutschen Städten, Corona-Proteste, eine hohe Wahlbeteiligung, politische Diskussionen in den sozialen Medien, steigende Mitgliederzahlen in einigen Parteien – haben die Menschen sich in den letzten Jahren politisiert? Das besprechen wir mit dem Politikwissenschaftler André Brodocz.
Zum Aufklappen: Biografisches zu Prof. Dr. André Brodocz
André Brodocz lehrt in den BA-Studiengängen "Staatswissenschaften" und "Internationale Beziehungen". Zu seinen regelmäßigen Veranstaltungen gehören die Vorlesung "Demokratietheorie" sowie Seminare zu "Macht", "Repräsentative Demokratietheorien", "Theorien zur dunklen Seite moderner Staatlichkeit" und "Globale Gerechtigkeit".
Biografisches:
- seit 2024 Vizepräsident für Forschung und akademische Karriere an der Universität Erfurt
- 2011 - 2015 und 2018 - 2021 Dekan der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt
- seit 2010 assoziiertes Mitglied des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung
- 2010- 2011 Prodekan der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt
- seit 2009 Professor für Politische Theorie an der Universität Erfurt
- 2001 Verleihung des Absolventenpreises für die beste Dissertation 2001 von der Philosophischen Fakultät der TU Dresden
- 2001: Promotion mit einer Dissertation über "Die symbolische Dimension der Verfassung. Ein Beitrag zur Institutionentheorie" an der TU Dresden
- 1991-1996 Studium der Politikwissenschaft, Soziologie und Neueren deutschen Literatur an der Philipps-Universität Marburg
- geb. 1969
(Quelle: Universität Erfurt)
Können Sie tatsächlich eine Politisierung der Gesellschaft beobachten?
Wenn wir von Politisierung sprechen, müssen wir uns genauer anschauen, was wir damit verbinden. Man kann sagen, wir haben mehr Politisierung, wenn sich mehr Menschen für Politik interessieren. Wir haben mehr Politisierung, wenn sich mehr Menschen in Parteien engagieren. Und wir haben vielleicht auch mehr Politisierung, wenn wir mehr über grundsätzliche politische Fragen streiten.
Gesellschaften sind aber, das dürfen wir nicht vergessen, eigentlich immer politisiert, weil die Art und Weise, wie wir zusammenleben, ein Stück weit immer in unseren Händen liegt. Was wir beobachten können, sind auch ein paar gegenläufige Dynamiken. Wenn wir uns etwa die Entwicklung von Mitgliedschaften in Parteien anschauen, dann haben wir seit 20 bis 30 Jahren bei den großen Volksparteien SPD und CDU dramatische Verluste.
Wir hatten aber in den letzten zwei, drei Jahren auch neue, erfolgreiche Parteigründungen. Wir haben bei der letzten Bundestagswahl gesehen, dass Grüne und Linke zuletzt starken Zuspruch bekommen haben. Das heißt, wir sehen so ein bisschen beides. Einen Rückzug aus alten klassischen Parteien und eine Hinwendung zu neuen.
Interessant sind sicherlich die Fragen, wie wir uns politisch auseinandersetzen. Und da kann man tatsächlich sagen, es gibt ein paar Konfliktlinien, die sich herausgebildet haben, die offensichtlich grundsätzlicher Natur sind. Und grundsätzlicher Natur meint in dem Fall: Es ist deutlich schwieriger, hier zu Kompromissen zu kommen.
Und es sind grundsätzliche Fragen, weil wir sie offensichtlich stark mit unserer eigenen politischen Identität verbinden und deswegen noch weniger gewillt sind, diese auch aufzugeben, was Kompromisse zu finden noch schwieriger macht. Und das bedeutet dann für die politische Auseinandersetzung, sie wird schärfer, sie wird hitziger, und das beobachten wir dann auch wieder - ein Stück weit - vielleicht als Politisierung.
Waren diese Konflikt-Linien schon immer da und sind jetzt nur sichtbarer? Oder sind sie neu zu Tage getreten?
Wenn wir auf die Corona-Zeit schauen, haben wir eine Phase gehabt, gerade in dem ersten Corona-Jahr, wo wir eine intensive gesellschaftliche Debatte darüber hatten, was der Staat darf. Und wie viel Freiheit sind wir bereit einzuschränken, damit wir sie auf Dauer sichern können? Und darüber haben wir dann sehr stark gestritten, auch bis hin an die Tische zu Hause, am Telefonhörer etc.
Und da sehen wir, dass das so eine Grundfrage ist, die bei Gesellschaften immer mal wieder in gerade extremen Krisensituationen hervorkommt. Dass diese Grenze zwischen den privaten Fragen und den öffentlichen Fragen keine fixe Grenze ist, sondern gerade in Krisensituationen noch mal deutlich wird, dass wir die immer wieder selbst neu ziehen. Und dann finden wir diese intensiven Auseinandersetzungen.
Dann haben wir eine zweite Gruppe von Konflikten, bei denen wir sehen, dass wir im Rahmen unserer nationalstaatlichen Selbstorganisation ein Stück weit an unsere Grenzen geraten, gemeinsam Entscheidungen treffen müssen, bei denen wir die Lösung nicht allein in der Hand haben.
Und das macht es extrem schwierig, weil das für die Bürgerinnen und Bürger ein Stück weit unbefriedigend ist. Migration wäre da ein Beispiel. Wir sehen sehr deutlich, das werden wir alleine mit Regeln in Deutschland nicht entscheiden und lösen.
Gleichzeitig drängen sich aber die Probleme natürlich vor Ort stark auf und das macht es schwierig, damit umzugehen. Ein zweites Thema, wo wir das auch sehen, ist Klimaschutz. Wir haben auch hier den Eindruck, wir müssen etwas tun.
Gleichzeitig ist klar, der Klimawandel wird sicherlich nicht allein in Deutschland aufgehalten. Das heißt abzuwägen. Wie viel trauen wir uns selbst? Zu wieviel sind wir auch bereit, an Last zu tragen, um vielleicht Lasten jenseits unserer staatlichen Grenzen bei anderen abzufedern? Das sind auch wieder grundsätzliche Fragen, die zu entscheiden sind.
In Thüringen oder in anderen ostdeutschen Bundesländern hat die AfD extrem hohe Zahlen bei den letzten Wahlen erzielt. Sind die Menschen in der DDR anders politisiert aufgewachsen?
Das hängt jetzt wieder stark davon ab, wovon wir das abhängig machen. Wenn wir die Teilhabe anschauen, dann muss man sagen, war politische Teilhabe in der DDR entweder ein Stück weit damit verbunden, dass man sich in die SED tatsächlich eingebracht hat, weil das die zentrale Partei war, auf die alles ankam und hat vielleicht von dort versucht mitzugestalten.
Wenn man das aber als grundsätzliche politische Entscheidung für sich abgelehnt hat, zog man sich vielleicht gänzlich ins Private zurück. Und wir wissen aber aus der Geschichte der DDR, dass gerade dieser Rückzug ins Private wiederum neue politische Räume erschlossen hat. Denken Sie etwa an die Kirchen, wo sich dann genau Menschen versammelt haben.
Ich würde nicht sagen, dass man in der DDR in der Summe politischer war als im Westen. Wenn wir auf den Westen schauen, haben sie natürlich in der gleichen Zeit andere politische Teilhabe-Möglichkeiten gehabt durch Mitarbeit in Parteien. Ihre Selbstwirksamkeit war durch Wahlen eine ganz andere.
Wenn wir uns die Sozialstruktur anschauen, in den fünf östlichen Ländern im Vergleich zu den westlichen Ländern, gibt es zwei Merkmale, die sehr wichtig sind. Und die für das Wahlverhalten nicht unerheblich sind. Wir haben zum einen in den östlichen Ländern eine im Durchschnitt ältere Bevölkerung, wir haben auch eine stärkere Abwanderung von jungen Menschen im Vergleich zu den westlichen Ländern.
Gerade diese abwanderungswilligen jungen Menschen, das kommt noch dazu, sind dann häufig Menschen, die vielleicht mit einem gewissen progressiveren Lebensstil, mit der Idee, das Leben selbständig in die Hand zu nehmen, verbunden sind.
Das zweite, was diese beiden Räume unterscheidet, ist, dass die fünf neuen Länder wesentlich weniger städtisch geprägt sind als die westlichen Bundesländer. Also in Thüringen ist Erfurt die größte Stadt mit 200.000 Einwohnern. Wenn wir uns alle fünf neuen Länder anschauen, dann kommen wir noch mit Leipzig und Dresden in Bevölkerungszahlen, die allein in NRW gang und gäbe sind.
Und wir sehen tatsächlich in der Art und Weise, wie wir zusammenleben, einen Unterschied, ob sie in einer sehr ländlichen Region leben oder in einer städtischen beziehungsweise großstädtischen Region.
Wir können allerdings beobachten, dass der Organisationsgrad von Menschen in den östlichen Bundesländern, im Hinblick auf Parteien, aber auch auf Gewerkschaften geringer ausgeprägt ist als im Westen.
Hat das historische Ursachen? Ist das Misstrauen gegenüber staatlichen Strukturen hier größer?
Die DDR ist jetzt auch schon 35 Jahre vorbei. Das heißt, jemand, der heute Ende 20 ist, der kennt die DDR gar nicht aus persönlicher Anschauung, schon gar nicht aus persönlichem Erleben.
Selbst Menschen mit 40 waren Kleinkinder an dieser Stelle. Das heißt für einen ganz großen Anteil der Menschen, die hier leben, dass sie keine eigene DDR-Erfahrung mehr haben. Das muss man einfach mal konstatieren inzwischen. Deswegen bin ich immer ein bisschen skeptisch, wenn man sagt, dass dieser Erfahrungsschatz einer ist, der die Menschen hier motiviert.
Das mag für alle diejenigen, die 50 und älter sind, noch etwas anders sein. Die 50-Jährigen waren bei der Wende knapp 20. Auch da müssen wir sagen, deren eigener Erfahrungsschatz ist schon sehr gering. Da, wo er wirklich stark ausgeprägt ist, ist vermutlich die Generation 60 plus.
Das Interessante ist jetzt aber - das sehen wir auch bei Umfragen - dass auch sehr junge Menschen das zum Teil für sich in Anspruch nehmen. Das heißt, Erfahrung hat bei uns politisch nicht nur eine Bedeutung im Hinblick auf die Erfahrungen, die man gemacht hat im eigenen Leben. Sondern im politischen Raum kommt es auch darauf an, Erfahrungen durch Geschichten quasi zu übernehmen, sie sich anzueignen.
Und dabei ist es tatsächlich gelungen, bestimmte Erzählungen, bestimmte Geschichten von DDR-Erfahrungen, so weiter zu transportieren, dass jüngere Generationen sie sich persönlich aneignen und vielleicht auch ein Stück weit ihr Wahlverhalten, aber auch ihr Partizipationsverhalten in anderen Organisationen davon abhängig machen.
Welche Rolle spielt bei den Menschen das Vertrauen in die Politik? Hat sich das in den letzten Jahren verändert?
Für die Politikwissenschaft spielt Vertrauen in die Politik eine große Rolle. Auch hier ist es wieder so, wir müssen schauen, worin dieses Vertrauen gesetzt wird. Da ist einmal tatsächlich das Vertrauen in unsere konkrete politische Ordnung, die Art und Weise, wie wir Wahlen organisieren.
Dann haben wir ein konkretes Vertrauen in spezifische Politikerinnen und Politiker, das ist noch einmal ein eigenes Vertrauensobjekt. Und dann gibt es ein Vertrauen, wenn man so will, in diese übergeordnete Idee der Demokratie.
Wenn wir jetzt von Vertrauensverlusten sprechen, dann sehen wir die seit vielen Jahren vor allem stark im Hinblick auf das politische Personal. Die letzte Wahl war da sehr interessant, wenn man sich die Zufriedenheitswerte und die Bewertungen bei allen Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der Parteien angeschaut hat. Diese waren im Vergleich zu den letzten Jahren deutlich schlechter.
Es gab eigentlich im aktuellen politischen Personal nur eine Person, die dort herausragte. Die stand nicht zur Wahl. Das war Boris Pistorius mit extrem hohen Zustimmungswerten weit über die Parteigrenzen der SPD hinaus.
Und was wir auch beobachten in den letzten Jahren ist, dass das Vertrauen, wie unsere Demokratie funktioniert, die Zufriedenheit damit, geringer geworden ist.
Aber auch hier müssen wir natürlich sagen, was ist unser historischer Vergleich? In Thüringen wurde das immer sehr schön dokumentiert durch den Thüringen-Monitor.
Bei einer Erhebung kam heraus, dass es dramatisch eingebrochen ist von deutlich über 60 Prozent auf nur noch wenig über 50. Ein ganz starker Rückgang. Und dieser starke Rückgang war in der Tat bemerkenswert. So starke Schwankungen hatten wir selten.
Interessant ist aber, dass diese Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie bis 2014 eigentlich nie höher war als jetzt zuletzt, wo wir uns dachten, es ist eine große Krise.
Sondern wir hatten zwischendurch eine Phase unter der rot-rot-grünen Regierung, wo diese Zufriedenheit sehr, sehr stark angewachsen ist, die interessanterweise übrigens nicht durch Corona zusammengebrochen ist. Erst dann am Ende der Corona-Zeit und als wir dann eine Minderheitsregierung pur hatten, keinen Stabilitätsmechanismus mehr, da brach es ein.
Bleibt als dritter Punkt - ganz wichtig - natürlich das Vertrauen in die Idee der Demokratie überhaupt als Staatsform. Und das ist vergleichsweise über die Zeit sehr, sehr stabil. Da hatten wir zuletzt auch leichte Rückgänge, aber alles in einem Ausmaß, das keine große Rolle spielt.
Als Fazit würde ich sagen, dass aktuell, nicht nur in Thüringen, auch im Bund, die Vertrauenswürdigkeit des Personalangebotes bei den Bürgerinnen und Bürgern derzeit nicht so gut ist.
Haben Sie das Gefühl, dass die Leute interessiert daran sind, sich politisch zu bilden, politische Zusammenhänge besser zu verstehen?
Ich bin mir nicht so sicher, ob wir tatsächlich insgesamt sagen können, dass wir als Bürgerinnen und Bürger heute mehr Zeit investieren, um Informationen zu bekommen.
Wir haben natürlich durch die sozialen Medien in den letzten zehn Jahren einfach eine Veränderung des Marktangebotes an politischen Informationen, was vorher noch stark dominiert war durch die klassischen, insbesondere öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, auch Radiosender.
Was dominiert war durch starke Lokalzeitungen und starke überregionale Zeitungen, ist in eine starke Konkurrenz geraten durch andere, im weiteren Sinne 'journalistische' Angebote, die nach meiner Beobachtung leider nicht immer die vergleichbaren Qualitätsstandards haben und die auch stärker Meinung sind, als wir das von klassischen Medien bis dato kannten. Und das verändert natürlich die Art und Weise, wie wir uns informieren.
Wir teilen, wenn man so will, weniger einen gleichen Informationsstand, wie wir ihn vor noch 15 oder 20 Jahren geteilt haben. Und das ist für Politik eine große Herausforderung. Denn wenn wir gemeinsam Lösungen suchen, brauchen wir natürlich erstmal eine Verständigung darüber, wo Probleme sind.
Wenn aber die Art und Weise, wie wir uns ein Bild von unserer Gesellschaft machen, stark auseinander geht, dann beginnen Konflikte häufig schon bei der Identifikation von Problemen. Und das macht das Finden von gemeinsamen Lösungen natürlich umso schwieriger.
Wäre mehr politische Bildung da eine Lösung?
Ich würde mir in der Tat mehr politische Bildung wünschen, insbesondere schon in den Schulen. Ich halte den Anteil des Sozialkunde-Unterrichts für zu gering an dieser Stelle. Man muss aber auch sehr deutlich machen, dass politisches Interesse natürlich ganz stark davon abhängt, ob ich überhaupt eine Teilhabe-Möglichkeit habe. Da ist das Wahlrechtsalter ein großes Problem.
Viele junge Menschen sind politisch desinteressiert, weil sie einfach noch kein Wahlrecht haben. Das sieht man insbesondere bei Jugendlichen, die vielleicht im Sommer, weil sie schon 16 waren, an den Kommunal- und Europawahlen teilnehmen durften und auf einmal anfangen, sich dafür zu interessieren und zu informieren. Und dann wird der Bundestag gewählt, und wenn sie bis dahin noch nicht 18 sind, sind sie wieder draußen. Das ist natürlich auch eine Frustrationserfahrung. Man sollte darüber nachdenken, dass politisches Interesse stark mit Mitwirkungsmöglichkeiten verbunden ist.
Aber wir dürfen uns nichts vormachen. Nicht nur junge Menschen oder vermeintlich junge Menschen informieren sich vielleicht nicht so gut. Das finden wir in allen Altersgruppen. Wir wissen nicht, wer sich über Wahlprogramme wirklich informiert hat, wo er sich informiert hat. Keiner von uns ist darüber rechenschaftspflichtig und man kann dann eben trotzdem seine Wahl treffen.
Wenn die Menschen anders mit Informationen umgehen, weniger Vertrauen in politisch handelnde Personen haben, besteht da eine Gefahr für die Demokratie?
Ich glaube, es kommt darauf an, welche Schlüsse diese Menschen daraus ziehen, bei denen wir ein wachsendes politisches Interesse beobachten können und gleichzeitig ein wachsendes politisches Misstrauen in die bestehenden Politik-Angebote.
Ein Schluss kann an der Stelle sein, sich selber einzubringen. Das dürfen wir, glaube ich, nie vergessen. Wenn wir immer von den Wählerinnen und Wählern auf der einen Seite in Politikerinnen und Politikern auf der anderen Seite reden, dann sind alle zusammen Bürgerinnen und Bürger dieses Staates, und alle haben die gleichen Möglichkeiten und Rechte, mitzuwirken.
Das heißt, man kann entscheiden, entweder in eine Partei zu gehen und versuchen, die im eigenen Sinne zu verändern. Man kann auch eine Partei neu gründen. Wir haben ja tatsächlich in den letzten zehn Jahren zwei sehr erfolgreiche Parteien-Neugründungen gehabt - in sehr kurzer Zeit AfD und BSW. Also das ist überhaupt nicht unrealistisch. Das wäre für die Demokratie förderlich.
Dann gibt es vielleicht eine Variante, dass man sich in die Nichtwähler-Position zurückzieht. Das heißt, man findet das Angebot uninteressant und wählt einfach gar keinen mehr. Ich bin aber weiterhin stark politisch interessiert und beteilige mich dann vielleicht nur noch dadurch, dass ich halt in Foren, auf Websites aktiv werde und dort dann meine Kritik zum Ausdruck bringe.
Dann ist das für die Demokratie einerseits erstmal noch gut, weil es in den öffentlichen Raum artikuliert wird. Es ist für die Demokratie von Nachteil, weil es sich nicht übersetzt in die Partizipation entlang der Wahlmöglichkeiten.
Und dann gibt es vielleicht noch eine dritte Gruppe, die daraus den Schluss zieht und vielleicht sagt, dass sie kein Vertrauen hat in die Politikerinnen und Politiker, in das Personalangebot, dass sie kein Vertrauen hat in die Verfahren, mit denen man sich selbst auch einbringen und engagieren kann.
Wenn das Ganze dann überspringt in eine Position, dass man die Idee der Demokratie anfängt in Frage zu stellen, dann wird es in der Tat für die Demokratie gefährlich.
Dann kommen wir in einen Bereich, wo Mitbürgerinnen und Mitbürger sich auf den Weg machen, zu Feinden der Demokratie zu werden. Und wenn sie dann auch noch anfangen, sie zu bekämpfen und nicht nur vor sich hin schmollen, dann ist das in der Tat eine große Herausforderung.
Vielen Dank für das Gespräch.
Anmerkung der Autorin: Da wir das Interview für den Text gekürzt haben, kann es im folgenden Audio nachgehört werden.
MDR (gh)
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