Die MitarbeiterInnen der Landeszentrale für politische Bildung in Thüringen Wieland Koch, Anja Zachow und Franziska Gräfenhan stehen vor dem Schriftzug "Bildung für Demokratie"
Wieland Koch, Anja Zachow und Franziska Gräfenhan von der Landeszentrale für politische Bildung in Thüringen wünschen sich eine Chefin oder einen Chef. Bildrechte: MDR/Carmen Fiedler

Demokratie Warum im Wahljahr die Arbeit der Landeszentrale für politische Bildung besonders wichtig ist

24. März 2024, 13:03 Uhr

Der Chefposten der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen ist seit über einem Jahr vakant. Wann die Stelle besetzt wird, ist unklar. Warum das gerade im Wahljahr ein Problem ist.

MDR Redakteurin Carmen Fiedler
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Wenn es nach Wieland Koch ginge, dann wünschte er sich für das laufende Jahr "Kondition, Rückenwind und eine Stärkung im Personalbestand". Koch arbeitet bei der Landeszentrale für politische Bildung in Thüringen (LZT) und sagt: "Unsere Arbeit ist wichtig, weil wir in der Fläche des Landes Angebote machen, dort, wo es sonst kaum Angebote gibt."

Angebote der Landeszentrale für politische Bildung

Er meint Angebote wie Diskussionsrunden, Filmvorstellungen und Lesungen, Workshops in Schulen und Publikationen zu unterschiedlichsten politischen und zeitgeschichtlichen Themen. Etwa eine Buchvorstellung mit der Autorin Kati Naumann in Sonneberg, ein Workshop in Jena zur Antidiskriminierungsarbeit im Fußball oder ein Kinoabend mit Gespräch zum Film "Solo Sunny" in Sondershausen.

Unsere Arbeit ist wichtig, weil wir in der Fläche des Landes Angebote machen, dort, wo es sonst kaum Angebote gibt.

Wieland Koch Referatsleiter Landeszentrale für politische Bildung

Einfach gesagt: Das Angebot, überparteilich und kostenfrei über Demokratie, Politik und Zeitgeschichte zu informieren und zu diskutieren. Gerade in einem Jahr, in dem Kommunalparlamente, Bürgermeister und Landtagsabgeordnete in Thüringen gewählt werden, sei ein solches Angebot besonders wichtig.

Schild mit Landeszentrale für politische Bildung in Thüringen
Die Landeszentrale für politische Bildung in Thüringen hat ihren Sitz in Erfurt. Bildrechte: MDR/Carmen Fiedler

Zum Aufklappen: Was ist die Landeszentrale für politische Bildung?

Die Landeszentrale für politische Bildung ist die zentrale überparteiliche politische Bildungseinrichtung des Freistaats Thüringen. Ihre Aufgabe ist politische Bildung für die Demokratie. Sie arbeitet überparteilich und ist Partner aller Demokratinnen und Demokraten. Darauf achtet ein vom Thüringer Parlament gewähltes Kuratorium, in dem Vertreterinnen und Vertreter aller im Landtag vertretenen Parteien sitzen und das die Arbeit der LZT inhaltlich begleitet. Die Landeszentrale ist für alle Bürgerinnen und Bürger des Landes da, die Angebote sind kostenfrei. Die Landeszentrale ist eine nicht rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts und ist dem Chef der Staatskanzlei direkt zugeordnet.

Quelle: Website Landeszentrale für politische Bildung

Chefposten seit über einem Jahr unbesetzt

Doch die Landeszentrale hat ein Problem: Seit über einem Jahr, seit dem 1. Februar 2023, ist ihre Leitungsstelle nicht besetzt. Zudem sind zwei Mitarbeiter längerfristig krank. Von den neun Stellen, die zur Verfügung stehen, sind lediglich sechs dauerhaft besetzt. Franziska Gräfenhan, die hier seit September letzten Jahres für digitale Bildungsformate und politische Medienbildung verantwortlich ist, sagt dazu: "Das zehrt schon an den Ressourcen der Leute, die das hier stemmen."

Wir können alles vorbereiten, aber letztlich obliegt es der Leitung, Entscheidungen zu fällen.

Franziska Gräfenhan Referatsleiterin Landeszentrale für politische Bildung

Gerade der nicht besetzte Chefposten sei spürbar, nämlich dann, wenn Entscheidungen getroffen werden müssen, die eine Außenwirkung haben. "Wir können alles vorbereiten, aber letztlich obliegt es der Leitung, Entscheidungen zu fällen. Das ist im Online-Bereich besonders wichtig und fängt etwa bei der Frage an, ob wir gendern oder nicht."

Thüringer Staatskanzlei zuständig

Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff (Linkspartei), Thüringer Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei
Benjamin-Immanuel Hoff (Linkspartei) ist Chef der Staatskanzlei, in deren Verantwortung die Chefpostenbesetzung der LZT liegt. Bildrechte: IMAGO/Jacob Schröter

Die Stellenbesetzung liegt in der Verantwortung und Hoheit der Thüringer Staatskanzlei. Die hatte die Leitungsstelle erst Ende letzten Jahres öffentlich ausgeschrieben.

Auf die Frage, wann der Posten besetzt werde, antwortete die Staatskanzlei nur: "Derzeit läuft ein zweistufiges Stellenbesetzungsverfahren." Es gebe mehr als 30 Bewerbungen für die Stelle. Einen genauen Zeitpunkt für die Besetzung nannte die Staatskanzlei nicht, auch nicht auf nochmalige Nachfrage.

Christian Tischner (CDU): Situation dramatisch

Christian Tischner
Christian Tischner (CDU) findet es dramatisch, dass der Chefposten der Landeszentrale für politische Bildung in Thüringen nicht besetzt ist. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Martin Schutt

Dass der Chefposten einer so wichtigen Organisation so lange vakant ist, sei dramatisch und habe Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit der Landeszentrale, sagt der CDU-Landtagsabgeordnete Christian Tischner. Er ist Vorsitzender des Kuratoriums der LZT und findet, dass die Arbeit zurzeit nicht optimal gewährleistet sei.

"Die Landeszentrale ist ja die Organisation des Landes, die weit in die Fläche hinein neutral für Demokratie Veranstaltungen macht. Es ist schade, dass sie gerade im Wahljahr nicht in voller Manpower zur Verfügung steht."

Die Lücke kann man gewiss eine Zeitlang ausgleichen, aber es entsteht eine Bugwelle.

Anja Zachow Referatsleiterin Landeszentrale für politische Bildung

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zentrale sehen das ähnlich. "Die Lücke kann man gewiss eine Zeitlang ausgleichen, aber es entsteht eine Bugwelle", sagt etwa Anja Zachow, die seit März hier arbeitet.

Dagegen sieht der Landesvorsitzende der Linken, Christian Schaft, der für seine Partei im Landtag sitzt und also der Minderheitsregierung von Rot-Rot-Grün angehört, die inhaltliche Arbeit der Landeszentrale nicht gestört: "Ich sehe keinen gravierenden Einbruch bei der Qualität und keine Abstriche bei den Veranstaltungen, auch nicht mit Blick auf die Vorbereitung des Wahljahres."

Doch der Linke, der im Kuratorium der LZT sitzt, sagt auch: "Es braucht natürlich jemanden, der das koordiniert". Er hoffe auf "eine gute und zeitnahe Besetzung."

Zum Aufklappen: Welche Aufgaben hat die Landeszentrale für politische Bildung?

Aufgabenfelder der Landeszentrale für politische Bildung:

  • politische Fragen vermitteln
  • Information und Orientierung für die Meinungsbildung bieten
  • für die Demokratie begeistern und zum Mitmachen ermutigen
  • Veranstaltungen unterschiedlichster Art für die allgemeine Öffentlichkeit oder spezielle Zielgruppen ausrichten
  • mit verschiedensten Kooperationspartnern zusammenarbeiten
  • eigene Publikationen herausgeben und Sachbücher zu verschiedensten Themen anbieten, die kostenlos abgeholt oder bestellt werden können
  • Digitale Angebote wie Podcasts, Blogs
  • Veranstaltungen für Schülerinnen und Schüler
  • historisch-politische Bildung zum Themenfeld Nationalsozialismus mit mehrtägigen Projekttagen an den KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora für Schulen


Quelle: Website Landeszentrale für politische Bildung

Auf die hoffen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zentrale ebenfalls. Auch wenn die einzelnen Referate laut Referatsleiter Koch eigenständig arbeiten. "Wir arbeiten engagiert", sagt er lapidar und erzählt, wie viel Zeit er in Projekte steckt. Es ist sehr viel mehr als die Arbeitszeit eigentlich vorgibt. Und trotz allen Engagements lässt die beschnittene Besetzung weniger inhaltliche Arbeit zu als möglich wäre.

Jetzt im Wahljahr erreichen uns viele Anfragen, aber wir können nicht alles stemmen.

Wieland Koch Referatsleiter Landeszentrale für politische Bildung

So sagt Kochs Kollegin Gräfenhan: "Gerade im digitalen Bereich wäre viel mehr möglich, als wir bisher leisten können, aber dafür bräuchte es personelle und finanzielle Ressourcen." Und Koch ergänzt: "Jetzt im Wahljahr erreichen uns viele Anfragen, aber wir können nicht alles stemmen." Es gebe Kapazitätsgrenzen. "Wir können nur so viel leisten, wie in unserer Kraft steht."

Politische Bildung im Wahljahr

Freilich gibt es trotz der dünnen Personaldecke Angebote speziell für das Wahljahr. Zum Beispiel die Veranstaltungsreihe "Angegriffen und abwehrbereit: Demokratie im Wahljahr". Oder das Webdossier "Bildung für Demokratie", das Veranstaltungen zur Wahl und zur Demokratie bündelt und mit Blogbeiträgen, Podcastfolgen und Videos über Politik und Demokratie informiert.

Ohnehin ist die Thüringer Landeszentrale für politische Bildung eine der kleinsten. Andere Bundesländer, etwa die Nachbarlandländer Sachsen und Hessen, sind personell und finanziell deutlich besser ausgestattet.

Die CDU, die derzeit freilich als Opposition im Thüringer Landtag sitzt, würde laut Christian Tischner eine Stärkung der Landeszentrale begrüßen. Damit die "lebenspraktische Umsetzung der Verfassung und des Grundgesetzes" breiter in die Fläche getragen werde, gerade in die Schulen.

Die Staatskanzlei ließ die Fragen von MDR THÜRINGEN, ob nicht gerade im Wahljahr die Arbeit der LZT besonders wichtig sei und welches Signal in dieser Situation ein unbesetzter Leitungsposten setze, unbeantwortet.

Politische Bildung in Mitteldeutschland

MDR (caf)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 23. März 2024 | 19:00 Uhr

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