Kritik an Kunst Diskussion: Kann man Werke antisemitischer Künstler zeigen?
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10. Dezember 2024, 20:00 Uhr
Eine prominent besetzte Podiumsdiskussion im Arnstädter Schlossmuseum sollte klären: Können Werk und Künstler getrennt betrachtet werden? Neben Thüringens Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten Benjamin-Immanuel Hoff diskutierten ein Museumsleiter und ein Kunstexperte über dieses Thema. Anlass war die derzeitige Ausstellung des Arnstädter Malers und Zeichners A. Paul Weber. Weber, der zu DDR-Zeiten wenig bekannt war, in Westdeutschland aber gefeiert wurde, gilt als Antisemit.
Das Schlossmuseum Arnstadt zeigt derzeit Zeichnungen und Grafiken von A. Paul Weber. Der 1893 geborene Weber kam vor allem in Westdeutschland zu Ruhm, in der DDR wurde er als Systemkritiker weitgehend ignoriert. Jetzt ist er trotz aller Ehrungen wegen seiner Haltung im Dritten Reich erneut in den Fokus von Kritikern geraten. Diese Kritik war der Aufhänger für eine Podiumsdiskussion im Schlossmuseum. Diskutiert werden sollte vor dem Hintergrund der Weber-Kritik der generelle Umgang mit umstrittenen Künstlern.
Zwischen Kritik und Ruhm: Podiumsdiskussion bringt keinen Konsens
Auf dem Podium im Arnstädter Schlossmuseum saßen daher Benjamin-Immanuel Hoff, der Thüringer Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und der Beauftragte der Landesregierung für jüdisches Leben und Bekämpfung des Antisemitismus. Gekommen war auch Erik Stephan, der Kurator und Direktor der Städtischen Museen Jena, und als Kunst- und Kulturwissenschaftler war Paul Kaiser aus Dresden zu Gast. Gleich zu Beginn wurde klargestellt: Es gehe nicht um Weber, die Diskutanten wollten aus ihrem eigenen Erfahrungsschatz im Umgang mit umstrittenen Künstlern sprechen.
Auch Emil Nolde war völkisch, rassistisch und antisemitisch.
"Auch Emil Nolde war völkisch, rassistisch und antisemitisch", sagte Kurator Erik Stephan über den Brücke-Maler, nach dem er gleich zu Beginn gefragt wurde. Bereits 2006 hatte er in Jena eine Nolde-Ausstellung gemacht. Stephan beklagte zudem Noldes Opferhaltung, mit der der Maler später seine Nazigesinnung im Dritten Reich zu vertuschen versuchte. Dennoch sei Noldes Malerei prägend für viele andere Künstler dieser Zeit gewesen, sein Werk zu verstecken sei daher für ihn keine Option.
Kunst in der Kritik: Unvereinbare Positionen
Kunstwissenschaftler Paul Kaiser ist Experte für problematisierte Künstler nach 1945. Er war an der Vorbereitung der großen Willi-Sitte-Retrospektive an der Moritzburg in Halle 2021 beteiligt. Sitte war zu DDR-Zeiten Maler und Kulturpolitiker, er ist bis heute international bekannt und gilt als der umstrittenste Vertreter der DDR-Kunst. Kaiser wurde – in der Diskussion nach Sitte gefragt – deutlich und bemerkte mit Blick auf A. Paul Weber, er fände diese ständigen Etikettierungen in verschiedenen politischen Kontextualitäten ekelhaft.
Die Künstler haben ja manchmal vier politische Systeme durchlebt – sie dann an einer Biografie-Passage festzumachen, ist ganz schwierig.
"Die Künstler haben ja manchmal vier politische Systeme durchlebt – sie dann an einer Biografie-Passage festzumachen, ist ganz schwierig", sagte Kaiser weiter. Dem stimmte Benjamin-Immanuel Hoff zu. Hoff forderte zudem, man möge Künstlerinnen und Künstler nicht in die Depots verbannen, sondern Ausstellungen als Diskussionsgrundlage nutzen. Kunst biete Spielraum für Debatten, die Stadtgesellschaften dringend benötigten.
Kunst als Mittel zum Diskurs
Die Verfasserin eines Flugblattes, welches sich gegen die Weber-Ausstellung "Zwischen Kritik und Ruhm" richtete, zeigte sich nach Öffnung des Podiums unversöhnlich und kritisierte die Ausstellungsmacher für ihre verkürzte Darstellung von Webers Werk und Wirken im historischen Kontext. Hoff zeigte deutlich sein Unverständnis, Kaiser beklagte einen "Furor der Bewertungslogik", der dazu geführt habe, dass es nun Kunstwissenschaftler und selbsternannte Experten gebe, die durch die Kunstbestände gingen und nach ihren Kriterien aussortierten. Die Podiumsdiskussion endete mit einem unversöhnlichen Wortgefecht.
Informationen zur Ausstellung
"Zwischen Kritik und Ruhm"
Ausstellung im Schlossmuseum Arnstadt, zu sehen bis zum 18. Mai 2025
Schlossplatz 1, 99310 Arnstadt
Öffnungszeiten:
Täglich (außer montags) 10:00–17:00 Uhr
Weitere Veranstaltungen:
Vortrag von Thomas Noll: "A. Paul Webers britische Bilder", 28. Februar 2025, 19:00 Uhr.
Anmerkung der Redaktion:
In einer früheren Version des Artikel wurde der Eindruck vermittelt, die Verfasserin des Flugblattes fordere das Ende der Ausstellung im Schlossmuseum. Richtig ist, die Verfasserin attestiert der Ausstellung "erhebliche Mängel" und fordert eine kritischere Auseinandersetzung mit Webers Werk und Wirken im historischen Kontext.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 07. Dezember 2024 | 08:10 Uhr