Landtagswahl 2024 Sabine Zimmermann vom BSW: Die Erfahrene unter Unerfahrenen
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12. August 2024, 10:00 Uhr
Sabine Zimmermann tritt für das Bündnis Sahra Wagenknecht als Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl an. Die Gewerkschafterin aus Zwickau saß für die SPD im Landtag und später für die Linke im Bundestag. Sie galt als Wagenknecht-Anhängerin und gehörte zu den ersten im neugegründeten BSW. Statt sich zur Ruhe zu setzen, stellte sich die 63-Jährige der Mammutaufgabe, den sächsischen Landesverband aufzubauen. Kaum gegründet, holte das BSW bei der Europawahl knapp 13 Prozent.
- Sabine Zimmermann: ihr Weg von der Gewerkschafterin zur Politikerin.
- Gemeinsam mit dem Unternehmer Jörg Scheibe baut sie den BSW-Landesverband Sachsen auf - eine Mammutaufgabe.
- Die Erwartungen an die BSW sind hoch: In Umfragen liegt die Partei derzeit bei 15 Prozent der Wählerstimmen für die Landtagswahl in Sachsen.
Sabine Zimmermann ist Spitzenkandidatin und Landesvorsitzende des BSW in Sachsen. Eigentlich wollte sie Journalistin werden. Doch weil sie zu viel "Westverwandtschaft" hatte, bekam sie in der DDR keinen Studienplatz. Stattdessen landete sie in einem "Männerberuf", wurde Baustofftechnologin.
Prägend die Zeit nach der Wende, erzählt sie. Dann in Bayern lebend, habe sie bei der Jobsuche stets gehört: "Als Baustoffingenieurin bekommen Sie hier keine Arbeit. Frauen sind hier unerwünscht."
Anfänge als Gewerkschafterin
Das politisierte sie. Das war der Anstoß, sich ab 1992 im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Sachsen politisch für die Chancengleichheit von Frauen zu engagieren. Es folgte ein steiler Aufstieg: Nach Stationen als Gewerkschaftssekretärin, Jugendbildungsreferentin und Landesjugendreferentin wurde sie 1997 zur Bezirks- und Regionsvorsitzenden der Region Vogtland - Zwickau gewählt.
Als Gewerkschafterin habe es nahegelegen, in die SPD einzutreten. Das tat sie, war zehn Jahre lang Parteimitglied, zog 2004 sogar für kurze Zeit als Nachrückerin in den Sächsischen Landtag ein. Der Bruch kam mit der Agenda 2010. Die damit verbundenen Arbeitsmarktreformen unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) führten zu einer tiefen Entfremdung: "Ich konnte das einfach nicht mehr ertragen, dass ich vormittags die alleinerziehende Mutter mit ihrem Kind [...] bei mir sitzen hatte, die den Strom abgestellt bekommen hat, und ich dann abends im Ortsverein der SPD die Schröderschen Reformen belobhudeln sollte", begründet sie ihren Parteiaustritt 2005.
Bruch mit der Linken
Eine neue politische Heimat fand sie zunächst in der Linkspartei.PDS, die später in der Partei "Die Linke" aufging. Über deren offene Landesliste zog sie noch im selben Jahr in den Bundestag ein. Auch hier blieb sei bei ihrem Schwerpunkt: Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Im Bundestag hätte sie viel für die Menschen tun können, sagt Zimmermann. Ihre langjährige Erfahrung in der Gewerkschaftsarbeit habe ihr einen tiefen Einblick in die Lebensrealitäten und Sorgen der Arbeitnehmer gegeben. Diese direkte Verbindung zur Basis sei ein Vorteil, den viele im "Glaspalast in Berlin" nicht mehr hätten.
Mammutaufgabe: Aufbau des Landesverbands
2021 stellte die sächsische Linke sie nicht mehr für den Bundestag auf, ein Generationenwechsel, hieß es damals. Im Oktober 2023 verkündet Zimmermann gemeinsam mit Sahra Wagenknecht den Austritt aus der Linken.
Die habe sich anfangs die Themen Frieden und soziale Gerechtigkeit auf die Fahnen geschrieben, aber unter der Parteivorsitzenden Katja Kipping verändert, so Zimmermann. Der "Wagenknecht-Flügel" habe sich immer seltener durchsetzen können. "Die Menschen wollen ihre Probleme gelöst haben. Und da gucken sie nicht, sind das Linke, sind das Rechte [...]. Das hat die Linke aus dem Blick verloren", begründet Zimmermann diesen Weg.
Die Menschen wollen ihre Probleme gelöst haben. Und da gucken sie nicht, sind das Linke, sind das Rechte [...]. Das hat die Linke aus dem Blick verloren.
Um ihre persönlichen Karriereambitionen sei es ihr bei dem Parteiwechsel nicht gegangen, versichert Zimmermann: "Ich habe das alles nicht gemacht, um mir ein Mandat zu sichern. Dafür ist das Anliegen viel zu wichtig." Eigentlich, so sagt die 63-Jährige, hatte sie geplant, sich zur Ruhe zu setzen.
Stattdessen baut sie den Landesverband des BSW auf. Eine Mammutaufgabe: Unterschriften sammeln für Antritt bei Europa- dann Landtagswahl, eine Landesliste aufstellen, ein Wahlprogramm schreiben, Landesparteitage vorbereiten, Interviews mit Eintrittskandidaten führen. "Es ist natürlich ein riesiger Kraftakt, vor allem auch, weil alles zeitgleich laufen muss", so Zimmermann.
Scharfe Kritik an Regierung
Seit 30 Jahren unterstützt Zimmermann die Plauener Tafel und sieht in solchen Projekten einen wichtigen Beitrag zum sozialen Frieden. Anders in der Migrationsfrage: Zwar brauche es "kontrollierte Migration", um den Fachkräftemangel zu beheben, gleichzeitig sei es aber "Blödsinn" anzunehmen, dass alle Menschen, die zu uns kämen, "als Fachkräfte enden würden".
Ihre Kritik an der Politik der Ampel ist scharf: "Die Politik muss sich um die wirklichen Probleme der Menschen kümmern, und das tut sie nicht." Deshalb hätte die Regierung "das Volk" verloren. Eine "Entfremdung", die sie mit den letzten Tagen der DDR vergleicht: "1989 haben wir 40 Jahre DDR gefeiert, da haben die Großkopferten in Berlin im Palast der Republik mit Sekt angestoßen. Und die wussten gar nicht, dass die Revolution schon läuft. Dieselbe Situation haben wir jetzt."
Die Politik muss sich um die wirklichen Probleme der Menschen kümmern, und das tut sie nicht.
Hohe Erwartungen an das BSW
Es sind wohl solche Sätze, die bei manchen Wählern gut ankommen: Laut aktuellen Umfragen würden 15 Prozent der Sachsen dem BSW ihre Stimme geben. Zimmermann weiß, dass die Themen Ukraine-Krieg und Migration nicht auf Landesebene entschieden werden. Aber von hier aus könne man Einfluss nehmen, Signale senden. Dass es bei der Regierungsbildung auf ihre Partei ankommen könnte, weiß Zimmermann ebenfalls. Eine Koalition mit der AfD schließt sie aus. Eine mit der CDU würde es nur geben, wenn spürbare Veränderungen möglich wären: "Mit uns wird es kein Weiter-so geben."
Mit dem Erfolg steigen auch die Erwartungen an die junge Partei. Das Problem: Das BSW hat in Sachsen nur wenige Mitglieder mit politischer Erfahrung. Nicht so Sabine Zimmermann. Deshalb sei es wichtig, dass alle schnell lernen, sagt Zimmermann. Angst, den Erwartungen nicht gerecht zu werden, hat sie aber nicht: "Wenn ich das mit Angst angehen würde, wären wir noch nicht so weit", so Zimmermann.
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MDR (cba)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 11. August 2024 | 19:00 Uhr