Bündnis Sahra Wagenknecht Aufbruchsstimmung und Unklarheiten im sächsischen BSW-Aufbauteam
Hauptinhalt
26. Januar 2024, 17:31 Uhr
In den ersten Stadträten im Freistaat haben sich BSW-Fraktionen gegründet, diese Woche gab es die erste öffentliche Informationsveranstaltung des Aufbauteams Bündnis Sahra Wagenknecht im Landkreis Görlitz. Für Samstag ist der erste bundesweite Parteitag geplant – auch mit sächsischer Beteiligung.
- Im Februar will das sächsische Aufbauteam ihren Landesverband gründen - Voraussetzung für die Beteiligung an der Landtagswahl.
- Noch hält sich die Partei bei der Aufnahme neuer Mitglieder zurück. Gleichzeitig sucht sie dringend nach Kandidaten.
- Inhaltlich ist längst nicht alles geklärt, das BSW arbeitet noch an einem Parteiprogramm.
Wäre die Landtagswahl in Sachsen schon jetzt, dann käme das "Bündnis Sahra Wagenknecht – für Vernunft und Gerechtigkeit" (BSW) mit acht Prozent als drittstärkste Kraft ins Parlament. Soweit die Sachsentrend-Ergebnisse, beauftragt vom MDR. Dabei hat die Partei bisher noch keinen Landesverband in Sachsen, geschweige denn offiziell bekanntgegebene Kandidaten für die Wahl.
Erste Stadtrats-Fraktionen fürs BSW
Aber die Partei hat bereits ihre Anhänger: Als Sahra Wagenknecht und ihre Mitstreiter Anfang Januar ihre Parteigründung bekanntgaben, standen in einigen Stadträten in Sachsen schon Fraktionen für das Bündnis in den Startlöchern. In Riesa benannte sich gleich die gesamte Linksfraktion um, drei der fünf Mitglieder sollen bereits Mitgliedsanträge beim BSW gestellt haben.
Ähnliche Entwicklungen gab es in den Stadträten von Zwickau (aktuell drei Mitglieder) und Werdau, wo sich eine fünfköpfige BSW-Fraktion rund um die Wagenknecht-Vertraute und ehemalige Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann bildete. Mit dabei ist außer bisherigen Linken-Mitgliedern auch ein Grünen-Politiker.
In Ostsachsen sind es bis dato Einzelpersonen, die sich für das BSW entschieden haben. Einer von ihnen ist Jens Hentschel-Thöricht, der zuletzt noch für die Linke im Kreistag von Görlitz saß. Er engagiert sich im sächsischen BSW-Aufbauteam, sucht aktiv Mitstreiter. Zum Beispiel beim ersten Informationsabend des Aufbauteams am vergangenen Dienstag. Der fand in Neusalza-Spremberg statt, auf halbem Weg zwischen Bautzen und Zittau. Auch MDR Sachsen war dabei.
Pläne für den Sächsischen Landesverband
Vor gut 40 Besuchern skizzierte Hentschel-Thöricht im Rathaussaal von Neusalza-Spremberg die Pläne der Partei in Sachsen. Aktuell fehlten dem BSW im Freistaat noch Strukturen, so der Zittauer. Das solle sich bald ändern: "Der Landesverband wird nach aktueller Planung im Februar gegründet, gleichzeitig werden Regionalverbände gegründet und natürlich auch die Kommunalwahl vorbereitet."
Bei den Kommunalwahlen wolle man sich auf die Kreistage konzentrieren, weil dort Entscheidungen von regionaler Bedeutung erzielt würden. Wo es genug Kandidaten gebe, sei man auch an Stadträten interessiert. Interessierte Besucher in Neusalza-Spremberg rief Hentschel-Thöricht denn auch dazu auf, ihre Kontaktdaten dazulassen und in ihren Kommunen zu prüfen, ob sie formell als Kandidaten in Frage kämen.
Partei will Mitgliedsanträge prüfen
Allerdings hatte Sahra Wagenknecht auf der Pressekonferenz zur Parteigründung angekündigt, Mitgliedsanträge genau prüfen und nicht jeden automatisch annehmen zu wollen. Hentschel-Thöricht zufolge hängt das auch mit dem anstehenden Parteitag in Berlin zusammen. Theoretisch müsse dort für jedes Parteimitglied Platz sein. Mehr Mitglieder würden also die benötigten Raumkapazitäten erhöhen.
Außerdem gehe es der Partei um ein "gesundes Wachstum", so Hentschel-Thöricht: "Es ist nicht Ziel der Partei, sofort 10.000 Mitglieder zu haben, sondern man will langsam und gesund wachsen. Es geht ja darum, den Menschen ein Angebot zu machen."
Wie viele Mitglieder die Partei bisher in Sachsen hat, ist nicht bekannt. Das Presseteam des BSW ließ eine Anfrage dazu unbeantwortet. Nach aktuellem Stand sind keine möglichen Kandidaten etwa für die Landtagswahl am 1. September in Sachsen bekannt.
Inhaltlich noch vage
Auch inhaltlich bleibt noch einiges offen. Wagenknechts Name ist Programm – denn zumindest bisher gibt es kein offizielles Parteiprogramm, nur inhaltliche Leitlinien. So stellten Besucher des Informationsabends in Neusalza-Spremberg vorrangig inhaltliche Fragen oder stellten ihre Positionen vor. Die beiden Veranstalter, Jens Dietzmann aus Bautzen und der Zittauer Jens Hentschel-Thöricht, bemühten sich um Antworten.
Die wichtigsten Themenfelder seien Abrüstung für Frieden – die Europäische Union brauche einen Sicherheitsapparat unter Einbeziehung von Russland – und eine "technologieoffene" Klimapolitik. Die Energiewende brauche bezahlbare Energie, anders lasse sich das Klima nicht retten, meinte Dietzmann. Dafür sei auch russisches Gas notwendig.
Für den Zittauer Stadtrat Winfried Bruns, aktuell fraktionslos, ist das fehlende Programm noch ein Grund zum Zögern. Die Wahrscheinlichkeit, dass er dem BSW beitrete, sei zwar hoch, sagte er nach der Auftaktveranstaltung. Aber es sei zu früh für eine Entscheidung: "Ich weiß auch, dass ich als fraktionsloser Kandidat so viele Stimmen kriegen würde, dass ich gewählt bin. Noch liegt kein Programm des BSW vor, noch wird es erarbeitet. Ich werde mich in den Prozess einbringen, wenn es soweit ist."
Ich weiß auch, dass ich als fraktionsloser Kandidat so viele Stimmen kriegen würde, dass ich gewählt bin. Noch liegt kein Programm des BSW vor, noch wird es erarbeitet. Ich werde mich in den Prozess einbringen, wenn es soweit ist.
Enger Zeitplan für die Wahlen
Das Bündnis Sahra Wagenknecht will im laufenden Jahr ausdrücklich bei allen drei Landtagswahlen antreten, also in Brandenburg, Thüringen und Sachsen. Auch die Europa- und Kommunalwahlen im Juni hat sich die Partei auf den Plan geschrieben.
Schon im März müssen die Wahlvorschläge für die Kommunalwahlen sowie für die Europawahl die Kandidatenliste und das Wahlprogramm eingereicht werden. Die Beteiligung an der Landtagswahl muss bis Anfang Juni bei der Wahlleitung angekündigt werden, noch im gleichen Monat müssen die Kandidatenlisten vorliegen.
Der Landesverband wird nach aktueller Planung im Februar gegründet, gleichzeitig werden Regionalverbände gegründet und natürlich auch die Kommunalwahl vorbereitet.
Outing in Berlin
Zudem muss finanziell offenbar noch einiges passieren, um die Beteiligung an den verschiedenen Wahlen stemmen zu können. Immer wieder weisen Parteimitglieder deshalb darauf hin, wie wichtig Spenden seien. Auch in Neusalza-Spremberg ging die Spendenbox herum.
Auf dem ersten Parteitag des BSW am Sonnabend (26. Januar) im "Kosmos" auf der Karl-Marx-Allee in Berlin soll die Europawahl im Vordergrund stehen. Auch darüber hinaus wird es aber viel Gesprächsbedarf geben. Das sächsische Aufbauteam will mit dabei sein - dann wollen sich laut Sabine Zimmermann die BSW-Mitglieder im Freistaat das erste Mal öffentlich "outen".
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 24. Januar 2024 | 19:00 Uhr