Torgau an der Elbe
In Torgau bestimmen Kreistag und Landrat gemeinsam über die Geschicke des Landkreises Nordsachsen. Keine einfache Aufgabe angesichts fehlender Gelder. Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Kommunalwahl 2024 Gelingt Nordsachsen der Anschluss an die Metropolregion?

31. Mai 2024, 21:35 Uhr

Der Landkreis Nordsachsen ist Teil der Metropolregion Mitteldeutschland, einem attraktiven Wirtschaftsstandort mit durchaus lebenswerten Wohnorten rund um die städtischen Zentren Leipzig und Halle. Viel Potential. Und doch hat es der Landkreis schwer, zu seinen Nachbarn aufzuschließen.

Die Wirtschaftsregion rund um den Flughafen in Schkeuditz boomt, das neue Großforschungszentrum in Delitzsch wird kommen, der neue Glas-Campus in Torgau entsteht. Etliche neue Jobs in Forschung und Industrie winken. Der überwiegende Teil des Landkreises Nordsachsen ist aber ländlich geprägt. Mit den Wäldern der Dahlener und der Dübener Heide, mit dörflichen Landschaften in Ostelbien, mit hochwertigen Ackerflächen in Wiedemar oder rund um Oschatz.

Schulden und hohe Zinsausgaben in Nordsachsen

Der an Einwohnern gemessen kleinste Kreis im Freistaat hat hohe Schulden. Wieder und wieder muss der Kreistag auf Schloss Hartenfels in Torgau die sogenannten unabweisbaren überplanmäßigen Zinsaufwendungen beschließen.

Zwei Millionen Euro nur für Zinsen würden zeigen, wie schwierig die finanzielle Situation im Landkreis sei, erklärt Michael Reinhardt. Er ist Vorsitzender der kürzlich von Freie Wählergemeinschaft in Wählervereinigung Nordsachsen umbenannten Fraktion, die gemeinsam mit der FDP im Kreistag sitzt.

Porträt eines Mannes
Michael Reinhard war 25 Jahre lang Bürgermeister von Naundorf. Vor rund fünf Jahren legte er sein Amt nieder - doch im Kreistag Nordsachsen ist der Kommunalpolitiker noch aktives Mitglied. Bildrechte: MDR/Mathias Schaefer

Zwei Millionen nur für Zinsen von zusätzlichen Kassenkrediten, das zeigt, wie desolat unsere finanzielle Situation im Landkreis ist.

Michael Reinhardt (parteilos) Fraktionsvorsitzender "Wählervereinigung Nordsachsen/FDP"

Belastungen für Haushalt des Kreises

Ohne gesunden Haushalt ließe sich der Landkreis politisch kaum gestalten, ergänzt Michael Friedrich, Fraktionsspitze von "Die Linke". Er erklärt: "Von zwanzig Euro, die wir ausgeben, sind 19 fest. Über einen Euro von zwanzig können wir mehr oder weniger frei bestimmen."

Die Belastungen für den Haushalt steigen und steigen durch Beschlüsse des Bundes. Wohngeld, Pflege, Asylbewerber, Kriegsflüchtlinge. Der Abbau des Schuldenberges sei so nicht drin. Dabei werde schon jeder Euro dreimal umgedreht, gibt Rayk Bergner von der CDU zu verstehen.

Porträt eines Mannes
Rayk Bergner sitzt für die CDU im Kreistag Nordsachsen. Nach seiner Ansicht dreht der Kreis bereits jeden Euro mehrfach um. Bildrechte: MDR/Mathias Schaefer

Das hat nichts damit zu tun, dass in Nordsachsen das Geld verschleudert würde, im Gegenteil.

Rayk Bergner (CDU) Fraktionsvorsitzender

Sanierungsstau an Schulen

Dauerbrenner im Kostendilemma ist die Bildung. Schulen müssen modernisiert werden, brauchen mehr digitale Unterrichtsmittel und vor allem Lehrer. Der Unterrichtsausfall summiert sich mancherorts auf Rekordniveau. SPD und Grüne setzen verstärkt auf Gemeinschaftsschulen, wo Kinder von der 1. bis zur 12. Klasse gemeinsam lernen. Dabei können alle Schulabschlüsse erreicht werden: Haupt- und Realschulabschluss sowie Abitur. Und das mit geringerem Verwaltungsaufwand, sagt Fraktionsführer Heiko Wittig. Das Fraktionsziel: "Wir würden gern die Gemeinschaftsschulen erweitern, so wie jetzt in Delitzsch schon angeschoben."

Die Linke sorgt sich, dass der Schulsozialarbeiter dem Rotstift zum Opfer fällt. Fraktionsvorsitzender Michael Friedrich will auch in der neuen Legislaturperiode möglichst zahlreich im Kreistag vertreten sein - als soziales Gewissen der insgesamt 80 Kreisräte.

Porträt eines älteren Herrn
Michael Friedrich (Linke) stellt klar: Nur mit einem gesunden Haushalte lasse dich ein Landkreis gestalten. Bildrechte: MDR/Mathias Schaefer

Das wichtigste wird sein, dass wir uns als soziales Gewissen verstehen für die künftigen fünf Jahre.

Michael Friedrich (Linke) Fraktionvorsitzender

Krankenhausreform steht auch Nordsachsen bevor

Ein weiteres Schwerpunktthema ist die anstehende Krankenhausreform. Für ihre Kliniken in Schkeuditz, Delitzsch, Oschatz, Eilenburg und Torgau machen sich die Kreisräte stark. Heiko Wittig etwa lehnt eine Schließung oder Zusammenlegung der Standorte kategorisch ab und setzt auf eine medizinische Versorgung, die in Wohnortnähe bestehen soll.

Porträt eines älteren Herrn
SPD-Mann Heiko Wittig ist strikt gegen eine Schließung weiterer Kliniken im Landkreis. Bildrechte: MDR/Mathias Schaefer

Wir möchten auf gar keinen Fall unsere Krankenhäuser verkaufen, sondern eine wohnortnahe medizinische Versorgung.

Heiko Wittig (SPD) Fraktionsvorsitzender "SPD/Die Grünen"

Die Ziele der Alternative für Deutschland sind für Nordsachsen unklar. Ein Interview wurde abgesagt. Per E-Mail antwortet AfD-Fraktionschef Rico Winterlich auf Anfrage von MDR SACHSEN: "(...) Nach Rücksprache mit den Mitgliedern der AfD-Kreistagsfraktion verweise ich Sie auf unser Kreiswahlprogramm in Nordsachsen". Dieses Programm sendet die Partei auf Nachfrage leider nicht zu. Auch online ist es bis Redaktionsschluss nicht zu finden.

Öffentlicher Nahverkehr - eine große Baustelle

Im Kreistag wird immer wieder der öffentliche Nahverkehr diskutiert. Der autonom fahrende Kleinbus am Schladitzer See oder die Rufbusangebote sind Anfänge, die aber in den besonders ländlichen Regionen rund um Dahlen, Cavertitz oder Liebschützberg selten bis gar nicht halten, bemängelt Michael Reinhardt von der Fraktion Wählervereinigung Nordsachsen und FDP: "Wir sind also hier im ländlichen Raum mit vielen kleinen Ortsteilen, wo außerhalb der Unterrichtszeiten an den Schulen, außerhalb vom Schülertransport, kaum noch ÖPNV stattfindet."

Bus mit Schrift "Schulbus" über der Frontscheibe.
Der Schulbus fährt in Nordsachsen. Doch wer außerhalb der Stoßzeiten mit dem Bus fahren möchte, kann lange warten. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / Michael Gstettenbauer

Kleinere Busse mit einer engeren Taktung sollen die Nordsachsen fern der S-Bahn-Linien mobil halten. Aber der Umstieg von Auto oder Motorrad werde kaum für alle 200.000 Einwohner des Landkreises gelingen, gibt Rayk Bergner von der CDU zu bedenken: "Im ländlich geprägten Landkreis wie Nordsachsen wird immer der Individualverkehr eine Rolle spielen. Also wir müssen uns um Straßen kümmern, wir müssen uns um Radwege kümmern."

Am 9. Juni können die Wähler entscheiden. 432 Kandidaten stehen zur Wahl, die 80 Sitze im nordsächsischen Kreistag neu zu besetzen. Für eine Politik, die Nordsachsens Kleinstädte und Dörfer aufschließen lässt zu anderen Gemeinden in der Metropolregion Mitteldeutschland.

Zahlen, Daten und Fakten zum Landkreis Nordsachsen • Sitz des Kreistags: Torgau
• Kommunen: 30 (davon 6 Städte und 24 Gemeinden)
• Fläche: 2.020 km²
• Einwohner gesamt: 199.824
• Nicht-EU-Ausländer: 7.170 (3,59 Prozent)
• Durchschnittsalter: 47,8
• Arbeitslosenquote: 6,6 Prozent
• Pro-Kopf-Einkommen: 22.809 Euro

Ergebnisse der Kreistagswahl 2019

MDR (pri)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 02. Mai 2024 | 19:00 Uhr

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