Energiewende "Kein Geld in den Rachen werfen" – Kritik an Millionen-Förderung für Kohleunternehmen
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08. Juli 2023, 05:00 Uhr
Mit einer millionenschweren EU-Förderung sollen Mibrag, Leag und Eins Energie den "grünen Wandel" stemmen. Die Unternehmen seien reich genug, meint dagegen die sächsische Linke. Auch der Verband der Erneuerbaren Energien sieht die Subventionen kritisch.
- Die Linke kritisiert die Millionen-Förderung der EU für die Kohleunternehmen.
- Nach Experten-Einschätzung soll das Geld die Unternehmen zu einem "grünen Wandel" bewegen.
- Für kleine und mittlere Unternehmen in Sachsen stehen 300 Millionen Euro bereit.
Die bisherige Geschäftsidee der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft, kurz Mibrag, ist nach der Energiewende nichts mehr wert: Kohle im Leipziger Südraum zu fördern und zu verstromen. Das Unternehmen wird die "Braunkohle" aller Voraussicht nach im Firmennamen behalten – das Geld künftig aber mit erneuerbaren Energien verdient.
Der Wandel hat längst begonnen. Die Mibrag plant Windparks und Photovoltaikanlagen. Am Standort Profen soll der eigens erzeugte Strom grünen Wasserstoff produzieren – unterstützt von der EU. Das Unternehmen bereitet den Förderantrag dafür gerade vor, sagte ein Sprecher dem MDR.
18 Millionen Euro hat die sächsische Staatsregierung aus dem sogenannten "Fonds für einen gerechten Übergang" der EU (Just Transition Fund) für die Mibrag bereits reserviert. Weitere 95 Millionen Euro sind für die Lausitz Energie Kraftwerke AG, kurz Leag, vorgesehen. Rund 20 Millionen Euro soll Eins Energie erhalten. Der Energieversorger betreibt in Chemnitz ein Kohlekraftwerk. Das Unternehmen will die Fördermittel nutzen, "um Projekte, die mit dem Kohleausstieg und einer Transformation der Energieversorgung verbunden sind, finanziell zu unterstützen." Die Leag äußert sich auf MDR-Anfrage nicht und beruft sich auf wettbewerbsrechtliche Gründe.
"Geld nicht den großen Versorgern in den Rachen werfen"
Antonia Mertsching, Abgeordnete der Linken im sächsischen Landtag, hat dafür gesorgt, dass die für die Großunternehmen reservierten Summen öffentlich wurden. Sie findet, dass die Subventionen verschenkt sind. "Wir sollten dieses Geld nicht den großen Versorgern in den Rachen werfen." Hilfe bräuchten vor allem die Kommunen, die ihre Netze umbauen müssten, sowie die kleinen und mittleren Unternehmen. Für eben die ist der "Fonds für einen gerechten Übergang" eigentlich auch gedacht. Mibrag, Leag und Eins Energie werden lediglich dank einer Ausnahmeregelung bedacht.
Ein Sprecher des sächsischen Wirtschaftsministeriums teilt dem MDR mit: "Über die Aufnahme dieser drei Unternehmen in die Förderung wurde direkt mit der EU verhandelt." Zusammengenommen erhalten diese rund 130 Millionen Euro aus dem "Fonds für einen gerechten Übergang".
Leag bekommt zusätzlich 1,75 Milliarden Entschädigung
Aus Sicht der Linken Mertsching benötigen die drei Unternehmen das Geld schlichtweg nicht. "Auf der einen Seite ist es so, dass die sich schon seit Jahren oder Jahrzehnten eine goldene Nase verdienen. Und jetzt weiß ich nicht, warum man so einem Riesen-Konzern wie die Leag noch finanziell unterstützen soll. Der hat eigentlich selbst die Mittel. Es ist ja auch nichts Neues, dass die Wirtschaft umgebaut werden muss." Die Leag habe in Sachen Ausbau der Erneuerbaren lange auf sich warten lassen. "Und nur, weil die das verpasst haben, finde ich nicht, dass das Steuergeld da reingehen sollte."
Richtig ist, dass der Erzeugerpreis für Braunkohle in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen ist – und spätestens als Russland als Gaslieferant ausfiel, lief es auch für die Kohlekraftwerke in Sachsen wieder richtig gut. Dazu erhält die Leag noch 1,75 Milliarden Euro Entschädigung vom Bund dafür, dass sie ihre Braunkohleanlagen dichtmachen muss. Mibrag und Eins Energie aus Chemnitz gehen hier leer aus.
Subventionen richten sich nicht danach, wer sie braucht
Andererseits müssen Unternehmen, die Kohle aus der Erde holen, hunderte Millionen für die Rekultivierung der Landschaft zurücklegen. Aus Sicht von Joachim Ragnitz, stellvertretender Leiter des ifo-Instituts Dresden, geht es bei Subventionen allerdings gar nicht darum, ob ein Unternehmen das Geld braucht, sondern darum: "Einen Anreiz zu setzen, damit ein Unternehmen etwas tut, was es sonst nicht getan hätte." In diesem Falle also: in Sachsen zu bleiben und in erneuerbare Energien zu investieren.
Aber hätten die Energieunternehmen das nicht ohnehin getan? Immerhin wollen Mibrag und Leag nach der Energiewende nicht die Türen schließen. Wirtschaftswissenschaftler Joachim Ragnitz ist sich da nicht sicher: "Nehmen wir zum Beispiel die Mibrag. Die wissen, dass ihr Hauptgeschäftsfeld wegfällt: der Betrieb von Braunkohletagebauen. Aber die könnten natürlich sagen, dann betreiben wir mit unseren Kompetenzen einen Tagebau in Tschechien. Oder sie sagen gleich: Wir schließen ganz oder wenden uns einem ganz anderen Feld zu." So ein Unternehmen habe durchaus eine Reihe von Optionen. "In diesem Fall geht es der Politik aber darum, dass der Umbau zu einem Energiekonzern funktioniert, der auf regenerative Energie setzt." Das eigentliche Ziel der Politik ist aus Sicht von Ragnitz weniger, das Unternehmen zu erhalten, als vielmehr mit den Subventionen den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben.
Auch 300 Millionen Euro für kleine und mittlere Unternehmen
Aus gutem Grund: In Sachen Ausbau der Erneuerbaren ist Sachsen längst nicht so weit wie andere Bundesländer. Könnte sich das dank der Millionen für Mibrag und Leag ändern? Immerhin verfügen die Unternehmen damit sowohl über Geld als auch über große Flächen. Wolfgang Daniels vom Verband der Erneuerbaren Energien in Sachsen ist da skeptisch: "Über große Teile ihrer Flächen können die Unternehmen gar nicht selbst bestimmen. Die sind etwa für den Naturschutz vorgesehen. Und zum Teil liegt dafür auch noch gar keine Planung vor. Das ist Zukunftsmusik."
Daniels beobachte seit Jahren groß angekündigte Projekte der Energieunternehmen. "Da sollen dann gleich 700 Windkraftanlagen gebaut werden und fünf Jahre später bauen sie drei." Daher schaut er zweifelnd auf die hohen Subventionen für sogenannte Großprojekte. Aus seiner Sicht funktioniert die Energiewende ohnehin am besten dezentral. "Es ist ja auch so, dass wir unterschiedliche Windsysteme haben. Wenn in Ostsachsen der Wind bläst, aber in Westsachsen nicht, kann ich an einem Ort immer Strom erzeugen. Wir sprechen da von einem Gleichzeitigkeitseffekt."
Der "Fonds für einen gerechten Übergang" könnte am Ende auch dazu beitragen. Neben den reservierten Millionen für Mibrag, Leag und Eins Energie stehen in Sachsen auch noch gut 300 Millionen Euro bereit, von denen kleine und mittlere Unternehmen profitieren sollen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 08. Juli 2023 | 06:00 Uhr