Demonstration Hunderte Klima-Schützer fordern früheres Kohle-Aus in der Lausitz
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07. Mai 2023, 21:33 Uhr
In der Lausitz soll ab 2038 keine Braunkohle mehr gefördert werden. Viel zu spät, sagen Klimaschützer. Sie verweisen auf Studien, wonach die Kraftwerke nicht mehr als 205 Millionen Tonne Braunkohle verbrennen dürfen, wenn Deutschland seine Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen einhalten will. Deswegen müssten die Kraftwerke bis 2030 vom Netz gehen und ihre Auslastung ab 2024 jährlich um 25 Prozent gedrosselt werden. Diese Forderungen machten sie bei einer Demonstration am Sonntag deutlich.
- In der Lausitz haben Klimaschützer am Sonntag mehr Tempo beim Kohleausstieg gefordert. Die Angaben der Teilnehmerzahlen schwanken zwischen 500 und 1.000 Menschen.
- Luisa Neubauer von Fridays for future gibt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer eine Mitschuld an der Anti-Klimaschutzstimmung in der Region.
- Unter den Demonstrierenden waren auch wieder Vertreter der sorbischen Minderheit.
Mehrere hundert Menschen haben am Sonntag in der Lausitz für einen schnelleren Kohleausstieg demonstriert. Sie kamen zunächst vor dem Bahnhof in dem kleinen Ort Schleife zusammen. Anschließend setzte sich ein Demonstrationszug in Richtung Tagebau Nochten in Bewegung. Die Polizei sprach von etwa 500 Teilnehmern, die Organisatoren von mehr als 1.000. Die Versammlung verlief laut Polizeidirektion Görlitz ohne große Zwischenfälle.
Luisa Neubauer: Habe Verständnis für Menschen hier, die an der Kohle festhalten wollen
Unter den Demonstrierenden war auch die Klimaaktivistin Luisa Neubauer von Fridays for future. Sie sagte MDR SACHSEN, sie habe durchaus Verständnis für die Haltung vieler Einheimischer, die an der Braunkohle hängen. "Ich kann das durchaus nachvollziehen. Vor allem, wenn man sich vorstellt, dass die mächtigen politischen Stimmen in diesem Bundesland den Leuten in den letzten Jahren deutlich mehr Angst vor Windrädern als vor der Klimakrise gemacht haben."
Sie finde es deshalb auch nicht überraschend, dass es hier viel aufwendiger sei, über den Kohleausstieg zu sprechen, weil Menschen verunsichert seien und viele schlechte Erfahrungen gemacht hätten.
Neubauer gibt Kretschmer Mitschuld an Anti-Klimastimmung
In ihrer Rede auf einer Zwischenkundgebung kritisierte Neubauer die Klimapolitik von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Er nutze die von ihm selbst verursachte Anti-Klimastimmung als Ausrede, um jetzt die Hände in den Schoß zu legen. "Ehrlicherweise ist das angesichts der großen Veränderungen, die so oder so kommen, nicht nur respektlos den Menschen gegenüber, sondern gerade den jungen Generationen gegenüber, denen man mit dieser Politik jegliche Perspektive nimmt."
Den Menschen werde zu viel Angst vor den erneuerbaren Energien gemacht, kritisierte Neubauer. Sie halte einen Transformationsprozess für notwendig, der die Menschen in der Lausitzer Kohleregion mitnehme und ihnen neue Perspektiven aufzeige.
Das Bündnis aus BUND, Greenpeace, Fridays for Future und vielen weiteren Initiativen fordert unter anderem den bundesweiten Kohleausstieg bis 2030, sowie einen schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien in der Lausitz, den Erhalt des Dorfes Mühlrose und einen sozial gerechten Strukturwandel samt Mitspracherechten der Sorben.
Studentin Zahra Pischnamazzadeh aus Dresden sagte einem MDR-Reporter, aus ihrer Sicht reiche es nicht aus, eher aus der Kohle auszusteigen. Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, müsse auch die bis dahin pro Jahr geförderte Menge reduziert werden.
Vertreter der sorbischen Minderheit unterstützen Protest
"Der Braunkohlebergbau muss sofort aufhören", forderte Hagen Domaska für den Serbski Sejm. Er habe 130 Dörfer zerstört, Flüsse seien vergiftet und ausgetrocknet, Wiesen und Felder in Abraum umgewandelt. "Mühlrose und die vom Tagebau bedrohte Kulturlandschaft muss für spätere Generationen erhalten bleiben."
Auch die bekannte sorbische Braunkohle-Gegnerin Edith Penk aus Rohne war am Sonntag vor Ort. Sie sagte MDR SACHSEN, sie unterstütze die Proteste, weil sie hier geboren ist und sich wünscht, "dass meine Kinder mal mit ihren Kindern zurückkehren können und ihnen zeigen können: Hier hat mal die Oma gelebt".
Im Tagebau Nochten sollen nach Plänen des Energiekonzerns Leag noch etwa 270 Millionen Tonnen Kohle gefördert werden. Der Kohleausstieg in der Lausitz ist derzeit für 2038 geplant. Aus Sicht der Klimaaktivisten ist dies unvereinbar mit dem Ziel, die globale Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.
MDR (ltt/jwi/dkö)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 07. Mai 2023 | 19:00 Uhr