Erich-Ponto-Preis Staatsschauspiel Dresden prüft NS-Vergangenheit von Erich Ponto
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14. Januar 2025, 11:26 Uhr
Erich Ponto wird in Dresden verehrt. Der 1957 verstorbene Schauspieler und frühere Generalintendant wirkte 30 Jahre am Staatsschauspiel und ist dort Ehrenmitglied. Auch ein Preis für Nachwuchstalente ist nach ihm benannt. Doch eine Recherche der Sächsischen Zeitung offenbart nun: Ponto hat in der Nazizeit in NS-Propagandafilmen mitgespielt. Das Dresdner Staatsschauspiel lässt Pontos NS-Verstrickungen wissenschaftlich aufarbeiten. Schon vor einem Jahr gab es einen ähnlichen Fall.
- Der Schauspieler Erich Ponto ist Ehrenmitglied des Staatsschauspiels Dresden.
- Aktuelle Recherchen zeigen, dass Ponto in NS-Propagandafilmen mitgewirkt hat.
- Nun soll die Rolle des Schauspielers in der NS-Zeit wissenschaftlich aufgearbeitet werden.
Erich Ponto ist in Dresden so etwas wie eine Legende. Ein beliebter Schauspieler. Zuletzt auch Generalintendant, der den Aufbau der Theater nach dem Zweiten Weltkrieg mit in die Hand genommen hatte. Auch moralisch. Nach dem Krieg hatte er Lessings "Nathan der Weise" inszeniert und auch selbst den Nathan gespielt, einen Juden, der sich am Ende für die Religionsfreiheit stark macht.
Das Stück wurde im Dritten Reich nicht aufgeführt, weil es nicht zur Propaganda passte. Juden wurden bekanntermaßen als Volksfeinde, als "Ungeziefer" vorgestellt. Im Nazi-Propagandafilm "Die Rothschilds" spielte Ponto einen solchen Juden: einen Juden, der mit fremden Kapital Gewinn erwirtschaftet und mit Krieg Geld verdient. 1944 spielt er allerdings auch den Professor Crey in der "Feuerzangenbowle", der seiner Schulklasse die alkoholische Gärung vorführt.
Die Schüler dürfen das Gebräu probieren und spielen dem Lehrer Trunkenheit vor. Zum geflügelten Wort wurde Creys Rechtfertigung vor dem Direktor "Jeder nur einen winzigen Schluck". 1947 ging Erich Ponto in den Westen nach Stuttgart. Er starb 1957. Seine Urne wurde 2007 nach Dresden überführt. Er gilt als großer Sohn der Stadt. Und sei, nach Auffassung der Stadt Dresden, in der Nazizeit integer geblieben.
Staatsschauspiel Dresden überprüft Ehrenmitglieder
"Integer geblieben“, so stünde es "bis heute" auf Dresden.de, schreibt Oliver Reinhard, Feuilletonist der Sächsischen Zeitung. Er hatte am Freitag in einem langen Artikel über Erich Pontos Mitwirken in NS-Propagandafilmen geschrieben. Das sei in Dresden bisher verschwiegen worden. Reinhards Vorwurf: "Das Schauspielerleben des Erich Ponto ist nie eingehender betrachtet worden." Was heute besonders aufstößt, weil Ponto seit 1990 Ehrenmitglied des Staatsschauspiels ist, und auch ein Preis nach ihm benannt ist, mit dem seit 1999 herausragende Nachwuchsschauspieler des Staatsschauspiels auszeichnet werden. Christian Friedel, Henriette Hölzel oder zuletzt Marin Blülle im November 2024 haben ihn bekommen.
Auf Nachfrage von MDR KULTUR erklärt Intendant Joachim Klement, dass Erich Pontos NS-Vergangenheit wissenschaftlich aufgearbeitet werden soll. Man wisse inzwischen schon, dass Ponto nicht Mitglied der NSDAP war. Die Arbeit wolle man dem Historischen Archiv der Sächsischen Staatstheater nicht allein überlassen. Eine Persönlichkeit, möglicherweise eine Historikerin oder ein Historiker, so Klement, soll den Prozess aus Fachperspektive begleiten und "Handreichungen geben, wie man das im Detail einzuschätzen hat." Die Aufarbeitung sei nicht nur für Erich Ponto geplant, sondern für alle Ehrenmitglieder des Staatsschauspiels. "Das findet auch schon statt", erklärt Klement.
Das Schauspielerleben des Erich Ponto ist nie eingehender betrachtet worden.
Erich Ponto in der NS-Zeit
Im Fall Erich Ponto war das sogar schon 1998 erfolgt. Bevor der Erich-Ponto-Preis erstmals verliehen wurde, hatte sich der damalige Chef des Fördervereins, Klaus Schmidt, bemüht herauszubekommen, wie Erich Ponto während der Nazizeit agiert hatte. Michael Kluth, ein renommierter Filmproduzent aus Bonn, hatte für Schmidt recherchiert und in einem Lexikon des deutschsprachigen Films nachgeschlagen. Im entsprechenden Artikel ist im biografischen Text nichts Anstößiges genannt. Allerdings ist der Propagandafilm "Die Rothschilds" dort aufgelistet. Für Michael Kluth war damals klar: "Erich Ponto war sicher kein Parteigänger der Nazis." Damit war die Sache offenbar erledigt.
Jens Heinrich Zander, der Präsident des Fördervereins des Staatsschauspiels, erklärt gegenüber MDR KULTUR, es habe für den Verein bisher keinen Anlass gegeben, den Namensgeber Ponto nochmal neu zu überprüfen. Zumal Ponto auch Träger des Bundesverdienstkreuzes sei. Zander geht davon aus, dass vor dieser Vergabe eine Prüfung Pontos auf eine NS-Verstrickung negativ ausgegangen sei. Zander betont auch, dass der Artikel in der Sächsischen Zeitung keine neuen Informationen oder Erkenntnisse zutage gefördert habe. Die angekündigte wissenschaftliche Aufarbeitung findet Zander trotzdem "gut". "Ob sich jetzt etwas anderes ergibt bei tiefergehenden Recherchen, das muss man betrachten und dann schauen, wie man damit umgeht". Durch die mediale Berichterstattung werde jetzt aber ein Schatten auf den Erich-Ponto-Preis geworfen. Das sei "schade".
Der Fall Reinhold Bauer
Im vergangenen Jahr gab es am Staatsschauspiel schon einmal einen ähnlichen Fall: den Fall Reinhold Bauer. Bauer war auch Schauspieler und Ehrenmitglied am Staatstheater. Wikipedia-Autor Thomas Koschütz hatte das Staatsschauspiel im Februar 2023 auf einen Artikel aufmerksam gemacht, der nahelegt, dass Reinhold Bauer im Jahr 1934 Ehrenmitglied der Sächsischen Staatstheater geworden ist, weil Bauer Initiator einer NSDAP-Theaterfachgruppe in Dresden war, die 1933 u. a. für die Entlassung von Generalmusikdirektor Fritz Busch sorgte.
Prüfung und Recherchen durch das Historische Archiv der Staatstheater hätten diesen Fakt bestätigt. Das Staatsschauspiel Dresden habe deswegen entschieden, Reinhold Bauer die Ehrenmitgliedschaft zu entziehen. Intendant Klement in einer Pressemitteilung des Staatsschauspiels im Mai 2024: "Das war für uns eine zwingende und selbstverständliche Konsequenz. 78 Jahre nach dem Ende der Herrschaft der Nationalsozialisten wollen wir das unrühmliche und menschenverachtende Verhalten von Reinhold Bauer hier nicht mehr länger gewürdigt sehen."
Warum ist Erich Pontos Tätigkeit im NS-Propagandafilm nicht schon früher aufgefallen? Wenn im Februar 2023 ein Wikipedia-Autor auf den Fall Bauer hinweist, hätte man Zeit gehabt, quasi als eine erste Schnellrecherche, die Wikipedia-Artikel der anderen Ehrenmitglieder durchzusehen. Ist das passiert? Schon damals wurde im Wikipedia-Artikel Pontos Mitwirkung an NS-Propagandafilmen erwähnt.
Wissenschaftliche Bewertung steht aus
Staatsschauspiel-Intendant Joachim Klement will den Aufklärungsprozess jetzt transparent durchführen. Es wird wohl nicht einfach werden. Klement weist auf eine Recherche vom Landesarchiv Baden-Württemberg hin, dass eine Weigerung Pontos, in Propagandafilmen mitzuwirken, möglicherweise einen Ausschluss aus der Reichskulturkammer bedeutet hätte. Möglicherweise auch mehr. Und zitiert dann Goebbels: "Wer nicht pariert: Rübe ab!"
Wie ist also Pontos Eigenanteil einzuschätzen, wenn er in "Die Rothschilds" mitspielt? "Es ist schon irre, was einem da an Widersprüchlichkeiten in dieser Künstlerbiografie begegnet", sagt Klement. Auch Jens Heinrich Zander fragt sich: "Was wäre passiert, wenn er gesagt hätte, ich spiele da nicht mit? Oder hat er da vielleicht auch eine Überzeugung gehabt? Das muss man jetzt rauskriegen." Am Ende steht für Zander eine "heutige Bewertung der wissenschaftlichen Ergebnisse" an. Der nächste Erich-Ponto-Preis wird erst 2026 vergeben. Zeit also, den Fall Ponto auf der nächsten Mitgliederversammlung des Fördervereins im Juni zu diskutieren.
Redaktionelle Bearbeitung: lig
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 10. Januar 2025 | 13:10 Uhr