Kulturhauptstadt 2025 "Finger auf Wunden der Stadt legen": Podcaster Sören Uhle mischt sich ein
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14. Januar 2025, 04:10 Uhr
Am Sonnabend wird in Chemnitz das Kulturhauptstadt-Jahr offiziell eröffnet. Für die Stadt ist es eine Chance, mit ihrem schlechten Image aufzuräumen. Der Erfolg der Bewerbung liegt auch am Engagement von Sören Uhle. Als Geschäftsführer der Chemnitzer Wirtschaftsförderung (CWE) hat er die Stadt lange mitgestaltet, etwa 2018 das "Wir sind mehr"-Konzert mit auf die Beine gestellt. Obwohl er seinen Posten inzwischen niedergelegt hat, mischt er sich mit einem Podcast weiter ins Stadtgeschehen ein.
- Der Chemnitzer Sören Uhle hat als Chef der städtischen Wirtschaftsförderung über Jahre das Image von Chemnitz mit geprägt.
- Heute greift er als Privatperson in einem Podcast schmerzhafte Themen auf, etwa die rechtsextremen Ausschreitungen in der Stadt im Jahr 2018.
- Er glaubt, der Titel als Europäische Kulturhauptstadt 2025 hat das Potenzial, einige Wunden in der Stadtgesellschaft zu heilen.
Sören Uhle und sein Freund Boris Kaiser produzieren ihren Podcast an einem besonderen Ort: "Chemnitz be like" wird ein Mal pro Woche auf der 26. Etage des Congress-Hotels eingesprochen – dem höchsten Gebäude der Innenstadt. Die beiden treffen sich in 97 Metern Höhe, im höchstgelegenen Restaurant der Stadt.
Unterhalb des Panorama-Restaurants befindet sich der Marx-Kopf, dahinter liegen Kunstsammlungen und Oper. In der Ferne leuchtet der Zeisigwald. Ein "Best of Chemnitz" sozusagen. Die Mikrofone und das Mischpult sind schnell aufgebaut.
2018: Rechtsextreme Ausschreitungen prägen Stadtimage
"Was uns wütend gemacht hat, ist, wie viele mitgelaufen sind", sagte Sören Uhle MDR KULTUR. Er wolle einen ehrlichen Blick auf die Wunden und Probleme der Stadt werfen. Und diese Probleme haben für die Freunde vor allem mit den rechtsextremen Krawallen von 2018 zu tun. "Du hast auf der einen Seite die dunkel gekleideten Typen gehabt, den harten Kern. Und auf der anderen Seite hast du ganz viele gehabt, die mitlaufen."
Uhle ist in Chemnitz geboren und im Neubaugebiet aufgewachsen. Den privaten Podcast sieht er als Möglichkeit, die Ereignisse aufzuarbeiten und die sogenannte "stille Mitte" zu adressieren. "Den Mut zu haben, diese Ekligkeit im Stadtkörper offen und kritisch erstmal hinzulegen – das ist der erste Schritt", so Uhle. "Und da reicht es auch nicht aus, wie 2018 zu sagen, dass wir in den Medien falsch dargestellt wurden." In jeder Folge ist deshalb auch Extremismus ein Thema.
Kulturhauptstadt soll Wunden heilen
Aus Uhles Worten spricht auch eine Portion Frustration. Ob sie der Grund dafür war, dass er Ende 2023 von seinem Posten als Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung zurückgetreten ist? "Schnee von gestern", winkt er ab. Mittlerweile arbeitet der Mitte-50-Jährige als Geschäftsführer für einen Verein in Leipzig, doch er lebt weiter in seiner Heimatstadt Chemnitz. Uhle will nach vorn blicken: "Ich für meinen Teil habe gelernt: Es geht darum, die Frage zu klären, wie wir in Zukunft miteinander leben wollen. Und wie sich diese Stadtgesellschaft entwickeln soll."
Der Podcast ist seine Art, sich auch weiter ins Stadtgeschehen einzumischen. Kunst und Kultur könnten helfen, Antworten zu finden. Sie hätten zudem das Zeug, Wunden zu heilen, sagt Sören Uhle. Das Jahr als Europäische Kulturhauptstadt könne dafür ein "irrer Beschleuniger" sein.
Chemnitz auf der Haut
Diese Vorstellung gefiel Sören Uhle von Anfang an so sehr, dass er einiges an Schmerzen dafür in Kauf nahm. Im Oktober 2020 ließ er sich den Slogan der Kulturhauptstadt vor laufenden Kameras auf den Oberarm tätowieren. "Da steht 'C the unseen', das ist das Logo" – lachend präsentiert Uhle den Spruch auf seiner Haut. Auf Deutsch: "Mach das Ungesehene sichtbar".
Die Szene beim Tätowierer wurde in den Film für die Kulturhauptstadt-Jury geschnitten – als Statement, wie ernst es Chemnitz meint. Und die Jury muss beeindruckt gewesen sein: Wenige Tage später erhielt Chemnitz den Zuschlag. Andere Städte wie Magdeburg und Hannover hatten das Nachsehen.
Was Sören Uhle wohl durch den Kopf geht, wenn er in 20 Jahren auf seinen Oberarm schaut? "Keine Ahnung, wo ich in 20 Jahren bin. Ich werde aber auf jeden Fall die Verbindung herstellen: Wie haben wir damals vor 20 Jahren Chemnitz positioniert, vermarktet und zur Kulturhauptstadt gemacht?" Er hofft, dass mit dem Titel die Chance besteht, "goldene Dekaden für die Stadt zu machen". Ob dieser Wunsch in Erfüllung geht, wird sich zeigen.
Redaktionelle Bearbeitung: tis, lk
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 14. Januar 2025 | 07:40 Uhr