Bundesverfassungsgericht Profifußball muss höhere Polizeikosten bei Hochrisikospielen zahlen
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15. Januar 2025, 12:43 Uhr
Bremen darf der Deutschen Fußballliga die Mehrkosten für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen in Rechnung stellen. Das Bundesverfassungsgericht entschied gegen die DFL und wies eine Verfassungsbeschwerde ab. Sachsens Innenminister Armin Schuster begrüßte das Urteil. Fußball-Drittligist Dynamo Dresden teilte mit, eine Beteiligung an den Polizeikosten würde eine erhebliche finanzielle Herausforderung bedeuten. Thüringen will sich für eine bundesweit einheitliche Lösung einsetzen.
- Reaktionen aus Mitteldeutschland
- DFB-Vizepräsident Winkler sieht Gefahr für Amateurvereine
- Veranstaltungen ab 5.000 Teilnehmern
- Bremen einziges Bundesland mit Gebühren
- Berlin plant weiter keine Kostenbeteiligung
Die deutschen Profi-Fußballvereine müssen sich an den Polizeikosten für Hochrisikospiele beteiligen. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erklärte ein entsprechendes Gesetz des Bundeslandes Bremen für verfassungsgemäß. Damit wurde die Verfassungsbeschwerde der Deutschen Fußball Liga (DFL), dem Zusammenschluss der Bundesliga-Vereine, abgewiesen.
Verfassungsgerichtspräsident Stephan Harbarth erklärte zu der Entscheidung: "Die Verfassung kennt keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die polizeiliche Gefahrenvorsorge durchgängig kostenfrei zur Verfügung gestellt und ausschließlich aus dem Steueraufkommen finanziert werden müsste." Die DFL bezeichnete das Urteil als "enttäuschend". Die Konsequenzen seien erst in den kommenden Wochen und Monaten absehbar, sagte DFL-Anwalt Bernd Hoefer.
Was sind Hochrisikospiele? Als Hochrisikospiele werden Partien bezeichnet, bei denen besonders mit Auseinandersetzungen zwischen den Fanlagern gerechnet wird. Nach DFL-Angaben gab es in der Saison 2022/23 bei insgesamt 612 Begegnungen in der 1. und 2. Liga 52 sogenannte "Rotspiele".
Reaktionen aus Mitteldeutschland
Sollte sich das Bremer Modell nach der Karlsruher Entscheidung auch in den anderen Bundesländern durchsetzen, kämen auf die Profivereine erhebliche finanzielle Mehrbelastungen zu. Das könnte vor allem unterklassige Clubs besonders hart treffen.
In den mitteldeutschen Ländern wurde das Urteil unterschiedlich aufgenommen. Sachsens Innenminister Armin Schuster sagte, er begrüße, dass jetzt Rechtssicherheit herrsche. Welche Konsequenzen Sachsen aus dem Urteil ziehen wird, ließ der CDU-Politiker allerdings offen. Fußball-Drittligist Dynamo Dresden wiederum wollte sich auf MDR-Anfrage noch nicht detailliert äußern. Der Geschäftsführer Kommunikation, David Fischer, teilte mit, eine Beteiligung an den Polizeikosten würde für Dynamo eine erhebliche finanzielle Herausforderung bedeuten.
Sachsens Landesrechnungshof hatte bereits 2021 vom Freistaat gefordert, wie Bremen zu verfahren. Die Behörde verwies darauf, dass 2019 für 93 Spiele von fünf Vereinen der 1., 2. und 3. Liga Gesamtkosten von 7,3 Millionen Euro aufgelaufen seien. Würde man wie Bremen verfahren, könnten 3,8 Millionen Euro gegenfinanziert werden, hieß es.
Der Präsident des Fußballverbands Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht, wies im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT darauf hin, dass das Urteil nicht nur die erste und die zweite Liga betreffe, sondern auch die dritte und möglicherweise die vierte. Die Kosten der Polizeieinsätze umzulegen, gehe auf die Budgets der Vereine. Gerade für Clubs mit angespannter Finanzlage werde es kompliziert: "Und wo endet das? Gilt das dann auch schon für einen Landespokal, wenn der HFC möglicherweise gegen die zweite aus Magdeburg ich spielen würde, wenn es so wäre? Das ist auch immer ein risikobehaftetes Spiel. Also das wird erhebliche Diskussionen geben." Stahlknecht, der für die CDU noch im Landtag sitzt und von 2011 bis 2020 Innenminister von Sachsen-Anhalt war, warnte auch vor Gefahren aufgrund des föderalen Systems in Deutschland: "Wenn in einigen Bundesländern diejenigen für die Kosten herangezogen werden, die anderen nicht, ist das eine Wettbewerbsverzerrung. Das muss man deutlich so sagen."
Die Fanhilfe Magdeburg, die Fans des 1. FC Magdeburg unterstützt, fürchtet nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts fatale Folgen für Vereine und Fans. Bisher bestimme allein die Polizei, wie viele Kräfte sie bei Hochrisikospielen einsetze. Die Einsatzstärken müssten aber jeweils an der Realität ausgerichtet werden, so die Forderung aus Magdeburg. Der Sprecher der Fanhilfe, Oliver Wiebe, sagte MDR SACHSEN-ANHALT, das Urteil sei im Prinzip ein Freifahrtschein für die Polizei, jetzt ihre Kosten komplett auf die DFL und somit auch die Vereine umzuwälzen. Wiebe, der hauptberuflich Pressesprecher der Linke-Fraktion im Landtag ist, forderte die Politik auf, Transparenz darüber zu schaffen, welche Kosten für die jeweiligen Einsätze wie entstanden sind. Der Fanvertreter regte außerdem an, Polizeieinsätze von externen Personen zu planen, um mehr Transparenz zu haben.
Thüringen strebt wie andere Bundesländer auch eine bundesweit einheitliche Lösung an. Über eine Beteiligung von Fußball-Clubs an den Kosten für Hochrisikospiele sei noch nicht entschieden worden, teilte das Innenministerium in Erfurt mit.
DFB-Vizepräsident Winkler sieht Gefahr für Amateurvereine
DFB-Vizepräsident Hermann Winkler sieht vor allem eine Gefahr für die Amateurvereine. Die Bundesligavereine wären zwar theoretisch in der Lage, die Kosten zu zahlen, sagte Winkler dem MDR. Aber in der 3. Liga und Regionalliga, wo es leider auch große Polizeikosten gebe, seien die Vereine in ihrer Existenz gefährdet.
Winkler, der auch Präsident des Nordostdeutschen Fußball-Verbands sowie des Sächsischen Fußball-Verband ist, erklärte weiter, natürlich hätten die Vereine sowie die Verbände auch eine Pflicht und müssten etwas tun, damit es bei Hochrisikospielen nicht zu Ausschreitungen und immensen Polizeieinsätzen kommt. Das mache sich ohne den Druck einer Rechnung aber viel besser.
Die Sicherheit um die Stadien bei Fußballspielen ist aus seiner Sicht ganz klar Aufgabe des Staats. Dafür sei die Länderpolizei zuständig, und dafür würden Steuern gezahlt.
Veranstaltungen ab 5.000 Teilnehmern
Das Land Bremen hatte bereits 2014 beschlossen, dass sich die Veranstalter von Profi-Fußballspielen an den Mehrkosten beteiligen müssen, die bei Hochrisiko-Begegnungen für den erhöhten Polizeieinsatz entstehen. Die Gebühr wird bei allen Großveranstaltungen fällig, die gewinnorientiert sind, über 5.000 Teilnehmer haben und bei denen es erfahrungsgemäß zu Gewalt kommen kann. Im Jahr 2015 erfolgte dann der erste Kostenbescheid für das Spiel Werder Bremen gegen Hamburger SV über rund 425.000 Euro.
Bremen einziges Bundesland mit Gebühren
Inzwischen wurden über drei Millionen Euro fällig, die die DFL aber nur teilweise und unter Vorbehalt bezahlte. Der Ligaverband hatte vor mehreren Gerichtsinstanzen gegen die Bescheide geklagt. Aber schon 2019 hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Kostenbeteiligung für rechtmäßig erklärt. Jetzt blieb auch die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde ohne Erfolg. Bremen ist das erste und bisher einzige Bundesland, das die Gebühren erhebt. Andere Bundesländer könnten jedoch folgen. (AZ: 1 BvR 548/22)
Berlin plant weiter keine Kostenbeteiligung
Das Land Berlin plant auch nach dem Scheitern der DFL-Beschwerde keine Kostenbeteiligung der Fußball-Clubs an Polizeieinsätzen bei Hochrisikospielen. Innen- und Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) sagte der Nachrichtenagentur dpa, man werde das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und seine Begründung bewerten, sobald sie vorlägen. "Es gilt aber auch weiterhin meine Position, dass das Land Berlin keine Kostenbeteiligung für Vereine an Zusatzausgaben bei Polizeieinsätzen im Hinblick auf Hochrisikospiele plant."
Reuters/AFP/dpa(dni)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 14. Januar 2025 | 10:30 Uhr
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