Schüler während des Unterrichtes in einer Grundschule
In Sachsen werden ab dem kommenden Jahr 536.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet, rund 20.000 mehr als im vergangenen Jahr. (Archivbild) Bildrechte: imago/Sven Simon

Ferienende Schulstart in Sachsen - mit 1.000 neuen Lehrern und mehr Schülern

05. August 2024, 05:00 Uhr

Sachsens Schulsystem kämpft mit einem hohem Unterrichtsausfall. Auch für das neue Schuljahr hätte man gern mehr Lehrkräfte eingestellt. Doch das gab die Bewerberlage nicht her. Alternativ will das Kultusministerium die Möglichkeiten zum digitalen Selbstlernen stärken. Denn die Schülerzahlen steigen.

Nach den sechswöchigen Sommerferien hat in Sachsen am Montag das neue Schuljahr begonnen. Das Kultusministerium hat zum Schuljahresbeginn in Sachsen mehr als 1.000 Lehrkräfte neu eingestellt. Die meisten Lehrer und Lehrerinnen werden an den Gymnasien und Grundschulen arbeiten.

Laut Kultusminister Christian Piwarz (CDU) hätte man gern mehr Pädagogen eingestellt, wenn es mehr Bewerbungen gegeben hätte. So wurden fast alle der ausgebildeten Lehrer, die sich beworben haben, auch genommen. Jede vierte Bewerbung kam von außerhalb, also aus anderen Bundesländern, hieß es.

Es ist kein Geheimnis, dass wir natürlich gern mehr Lehrkräfte eingestellt hätten, wenn sich auch mehr beworben hätten. Die Unterrichtsabsicherung bleibt damit auch im neuen Schuljahr eine Herausforderung.

Christian Piwarz Kultusminister von Sachsen

Christian Piwarz (CDU), Kultusminister von Sachsen, nimmt an einer Pressekonferenz anlässlich des bevorstehenden Schuljahresbeginn 2023/24 teil.
Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) sieht bei der Unterrichtsabsicherung im neuen Schuljahr keine Entspannung kommen. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

140 der neuen Lehrerinnen und Lehrer sind sogenannte Seiteneinsteiger. Sie haben in den vergangenen Monaten ihre Einstiegsqualifikation absolviert und beginnen nun zu unterrichten.

Piwarz: Digitales Selbstlernen systematisch ausbauen

Immerhin habe man mehr Lehrpersonal einstellen können, als altersbedingt ausgeschieden sei, so der Minister. Trotzdem bleibe die Absicherung des Unterrichts eine Herausforderung. Das liegt auch daran, dass die Schülerzahlen steigen. Im vergangenen Schuljahr fiel in Sachsen jede zwölfte Unterrichtsstunde aus. Jede neunte Ausfallstunde wurde fachfremd vertreten.

Unterrichtsausfälle will Sachsens Kultusministerium mit digitalem Lernen und Unterrichten abfedern. Dazu sollen die Lehrer und Lehrerinnen mit Material versorgt werden, für die Schüler und Schülerinnen sind verschiedene Medienangebote im Internet abrufbar. "Digitales Selbstlernen werden wir an sächsischen Oberschulen und Gymnasien systematisch ausbauen", so Kultusminister Christan Piwarz. Ab dem neuen Schuljahr können diese eigenverantwortlich Unterricht auch in digitalen Selbstlernphasen umsetzen.

Eine weitere Neuerung betrifft die schriftlichen Arbeiten. Wurden dabei Genderformulierungen bisher zwar als Fehler markiert, aber nicht bestraft, gibt es für sie ab sofort Punktabzug.

Gewerkschaft bezeichnen Schulsituation als verheerend

Die sächsische Bildungsgewerkschaft GEW bezeichnet das Gesamtbild der sächsischen Schullandschaft als verheerend. Der Lehrkräftemangel werde sich in diesem Schuljahr verschärfen, stellt GEW-Vorsitzender Burkhard Naumann fest.

Die Politik muss jetzt endlich die Mangelverwaltung beenden und einen zukunftsfähigen Plan vorlegen.

Burkhard Naumann GEW-Vorsitzender

"Der Unterrichtsausfall gehört an allen Schularten und in allen Regionen zum Alltag. In vielen Klassen werden Fächer gekürzt oder entfallen gänzlich. Ganze Schülergenerationen erhalten nicht die Bildung, die ihnen zusteht", sagt Naumann. Alle Schülerinnen und Schüler würden darunter leiden und Lehrkräfte vor einem weiteren Schuljahr mit sehr hoher Belastung stehen. "Die Politik muss jetzt endlich die Mangelverwaltung beenden und einen zukunftsfähigen Plan vorlegen", fordert Naumann.

Das sieht auch der Sächsische Lehrerverband SLV so. Er führt die aktuelle Lage auf Fehlentscheidungen der vergangenen 15 Jahre zurück. "Wir haben jahrelang auf die Notwendigkeit umfangreicher Einstellungen neuer, grundständig ausgebildeter Lehrkräfte hingewiesen", erklärt Landesvorsitzender Michael Jung. "Eine vorausschauende Personalpolitik hätte nicht nur den Bestand langfristig gesichert, sondern auch für eine ausgewogene Altersstruktur in den Kollegien gesorgt." Jung forderte eine nachhaltige Personalpolitik.

Landesschülerrat fordert bessere Verteilung der Lehrer auf Stadt und Land

Der Sächsische Landesschülerrat (LSR) sieht die Vielzahl der neu eingestellten Lehrkräfte positiv, verweist aber auf ein Problem: "Es ist "positiv anzumerken, dass mehr Lehrkräfte eingestellt wurden, als in Rente gehen. Herausforderungen, wie die Lehrkräfteverteilung zwischen den Städten und dem ländlichen Raum, müssen weiter eingegangen werden", so Amy Kirchhoff, Vorsitzende des LSR Sachsen. Vor der steigenden Zahl von Schülerinnen und Schülern brauche es aber Antworten, die eine Absicherung des Unterrichts und eine langfristige Senkung der Klassengröße ermöglichen würden, so Kirchhoff.

Politische Reaktionen

Sachsens Grüne fordern eine weitere Regionalisierung der Lehrerausbildung. Auch müssten Lehrer wirksam entlastet und multiprofessionelle Teams an Schulen ausgebaut werden. "Noch immer verlieren wir zu viele Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger, trotz Einstiegsqualifizierung und trotz des hohen Bedarfs", sagt Christin Melcher, bildungspolitische Sprecherin der Grünenfraktion im Sächsischen Landtag. "Berichte von Physikern, denen das Landesamt für Schule und Bildung abspricht, Mathematik unterrichten zu können, machen mich fassungslos."

Dass Seiteneinsteiger durch bürokratische Schikanen vergrault würden, kritisiert auch der sächsische AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Urban. Zudem hält er es für sinnvoller, Kinder aus der Ukraine in ihrer Muttersprache zu unterrichten als sie in deutsche Klassen zu integrieren. Des Weiteren könnten digitale Medien den Unterricht unterstützen, aber nicht ersetzen. "Wenn Piwarz nun heute 'digitales Selbstlernen' als Lösung für den Unterrichtsausfall anpreist, so zeigt das, wie wenig Ahnung er von Bildung hat", so Urban.

Schülerzahl steigt vor allem an öffentlichen Schulen

Im Schuljahr 2024/2025 besuchen mehr Kinder und Jugendliche die Schulen als im vorangegangenen Schuljahr. Nach vorläufigen Zahlen steigt die Schülerzahl von insgesamt 517.711 auf etwa 536.000. Einen Rückgang gab es allerdings bei den Erstklässlern. Den größten Zuwachs mit 16.570 weiteren Schülerinnen und Schülern haben die öffentlichen Schulen.

MDR (bdi/ama)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 05. August 2024 | 19:00 Uhr

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