Eine Lehrerin, erklärt in einer Grundschule einem Schüler seinen Wochenplan
Lehrerin und Schüler einer Grundschule (Symbolfoto) Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Bildung Schulstart in Thüringen: Auch im neuen Schuljahr fehlen Lehrer

01. August 2024, 12:18 Uhr

Am Donnerstag startet für 264.200 Kinder und Jugendliche in Thüringen das neue Schuljahr. Doch erneut droht Unterrichtsausfall. Denn neben der nötigen Sanierung vieler Schulen bleibt der Lehrermangel eines der drängendsten Probleme. Seiteneinsteiger, das geförderte duale Studium oder das Startchancen-Programm sollen helfen, die Lücke zu schließen.

Lehrermangel auch im neuen Schuljahr

Der Lehrermangel begleitet die Thüringer Schulen auch ins neue Schuljahr. Nach Angaben von Bildungsminister Helmut Holter (Linke) sind aktuell knapp 1.000 Stellen unbesetzt. Es fehlten vor allem Lehrer in Regelschulen sowie für naturwissenschaftliche Fächer. Der Thüringer Lehrerverband zieht einige von Holters Zahlen in Zweifel. Seinen Berechnungen zufolge fehlen dem Land doppelt so viele, nämlich rund 2.000 Lehrer.

Holter zufolge vollzieht sich gegenwärtig ein Generationswechsel bei den Lehrerinnen und Lehrern. Neueinstellungen hätten daher weiter höchste Priorität. Allein im vergangenen Schuljahr seien 1.048 Lehrkräfte neu eingestellt worden. Im Gegenzug seien 945 größtenteils altersbedingt ausgeschieden. Unter den Neulingen seien 293 Seiteneinsteiger.

Als weiteren Weg zur Fachkräftegewinnung zahle Thüringen ab diesem Jahr 50 Lehramtsstudenten ein Gehalt von 1.400 bis 1.600 Euro schon während des Studiums. Im Gegenzug müssten sich die künftigen Absolventen verpflichten, wenigstens fünf Jahre in Thüringen zu unterrichten. Auf die 50 Studienplätze hätten sich fünfmal mehr Interessenten beworben, sagte Holter. Ob der Studiengang ausgeweitet wird, ist laut Bildungsminister jedoch unklar. Das hänge von künftigen Haushaltsverhandlungen und vor allem Regierungskonstellationen nach der Wahl ab.

Zahlen zum neuen Schuljahr Am Donnerstag, 1. August, startet in Thüringen für 264.200 Mädchen und Jungen an 964 Schulen das neue Schuljahr. Das sind rund 6.600 Schüler mehr als bisher. 19.000 davon sind Erstklässler, das sind etwas weniger als im Jahr davor.

Im neuen Schuljahr arbeiten nach Angaben des Bildungsministeriums in den staatlichen Thüringer Schulen rund 17.100 Lehrerinnen und Lehrer, 3.200 Erzieher, rund 730 sonderpädagogische Fachkräfte sowie 200 pädagogische Assistenten. Rund 790 Lehramtsanwärter befinden sich zudem in der Ausbildung an den Schulen.

Der Thüringer Minister für Bildung, Jugend und Sport Helmut Holter (DIE LINKE).
Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) bei der Vorstellung des neuen Schuljahrs. Bildrechte: IMAGO / Jacob Schröter

Mehr Jugendliche bei Prüfungen durchgefallen

Im vergangenen Schuljahr sind mehr Schülerinnen und Schüler als sonst durch die Prüfungen für den Realschul- und Hauptschulabschluss gefallen. So nahmen an den Realschulabschlussprüfungen 8.188 Jugendliche teil, 7.404 davon erreichten den Abschluss. Im Vorjahr waren es noch 7.909 von 8.261 Schülerinnen und Schüler, die einen Abschluss erreichten.

Noch höher ist die Durchfallquote bei den Hauptschulabschlüssen. 1.968 Jugendliche absolvierten die Prüfungen am Ende des Schuljahres 2023/24. Gerade einmal 893 davon haben diese letztlich bestanden, so die vorläufigen Zahlen aus dem Bildungsministerium. Das entspricht einer Quote von etwa 45 Prozent. Zum Vergleich: Im Schuljahr 2022/23 schafften 1.595 von 2.117 Jugendlichen den Hauptschulabschluss, was einer Quote von 75 Prozent entspricht.

Erstmals nach der Corona-Pandemie wurden die Prüfungen nicht abgemildert. "In ersten Hypothesen gehen wir einem Mix an Ursachen nach. Dazu zählen die Nachwirkungen der Pandemie und die noch einmal zunehmend herausfordernde Situation an vielen Schulen aufgrund Lehrermangels, eines kurzen Schuljahres und eines Wachstums der Schülerinnen- und Schülerzahlen", sagte ein Sprecher des Bildungsministeriums MDR THÜRINGEN. Positiv sei jedoch, dass die Zahl der Jugendlichen, die die Schule ohne einen Abschluss verlassen, gesunken sei, und zwar auf 863. Im Schuljahr 2022/23 waren es noch 1.157.

Die Prüfung zur Besonderen Leistungsfestellung (BLF) am Ende der zehnten Klasse am Gymnasium haben im vergangenen Schuljahr knapp 91 Prozent der Mädchen und Jungen bestanden, im Vorjahr waren es noch fast 97 Prozent.

Mehr Wiederholer in den achten Klassen

Im neuen Schuljahr müssen zudem mehr Kinder die achte Klasse wiederholen als in den vergangenen Jahren. Wie ein Sprecher des Bildungsministeriums auf Nachfrage mitteile, gehe man nach vorläufiger Bewertung von einem leichten Anstieg der Fallzahlen aus. Dieser Anstieg könne jedoch von den Schulen unmittelbar bewältigt werden. Dies würde vor allem Regel- und Gemeinschaftsschulen betreffen.

Ursachen dafür könnten laut Bildungsministerium die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, aber auch Unterrichtsausfall und der Mangel an Lehrkräften sein. Schülerinnen und Schüler, bei denen die Versetzung bereits im Schuljahresverlauf oder auch schon im siebten Schuljahr fraglich erscheint, können laut Thüringer Schulordnung bereits vorher pädagogisch intensiv gefördert werden.

Knapp zehn Millionen Euro an Schulen in Sommerferien verbaut

Ferienzeit ist gleichzeitig immer auch Bauzeit in Thüringer Schulen. Mehr als zehn Millionen Euro haben Landkreise und kreisfreie Städte laut einer Umfrage von MDR THÜRINGEN in den vergangenen sechs Wochen in den Schulen verbaut. Teilweise hatten die Bauarbeiten schon vor den Ferien begonnen, teilweise dauern sie noch bis in den Herbst an.

Das meiste Geld wurde dabei in den Ausbau der Digitalisierung gesteckt. So wurden etliche Schulen unter anderem im Ilm-Kreis und im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt mit interaktiven Tafeln und WLAN ausgestattet. Allein in der Stadt Jena wurden dafür rund 6,5 Millionen Euro in diesem Jahr investiert. Ansonsten standen in nahezu allen Schulen, so etwa in der Landeshauptstadt Erfurt, dem Saale-Orla-Kreis und im Altenburger Land Maler- und Instandhaltungsarbeiten an. Auch neue Fußböden wurden verlegt, die Duschen in Turnhallen saniert, Brandschutz und Trinkwasserleitungen erneuert.

Personal fehlt, Baukosten steigen, hohe Hürden bei Ausschreibungen

Nahezu einstimmig berichten die Landkreise und kreisfreien Städte, dass alle für die Sommerferien geplanten Bau- und Instandhaltungsprojekte an den Schulen realisiert werden konnten. Dennoch sei dies auch immer mit großen Herausforderungen verbunden. So scheitere in Weimar zum Beispiel die Realisierung von Bauvorhaben weniger an den verfügbaren finanziellen Mitteln, sondern vielmehr am Personalmangel bei Bauherren, Fachplanern und im Handwerk gleichermaßen, sagte ein Sprecher. Auch sei die Beantragung von Fördergeldern immer komplizierter geworden, oftmals fehle es an Personal dafür in der Verwaltung.

Gleiches ist aus dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt zu hören: Hier könnten aus personellen Gründen aktuell nicht alle Sanierungsvorhaben umgesetzt werden. "Waren es bis vor kurzem noch sehr hohe Preise beim Material sowie fehlende Angebote von Handwerks- und Bauunternehmen, die Sanierungsprojekte verzögert haben, fehlt es derzeit an personellen Kapazitäten in der Verwaltung zur Umsetzung", so ein Sprecher des Landkreises.

Schule Sanierung Bauarbeiten
In vielen Thüringer Schulen sieht es heute noch so aus wie vor Jahrzehnten. Bildrechte: picture alliance/dpa | Frank Molter

Zudem sei der Aufwand, der für rechtskonforme Vergabeverfahren betrieben werden muss, extrem hoch. "Für ein- und dasselbe Bauprojekt müssen schon bei den Planungsleistungen mehrfach europaweite Vergabeverfahren durchgeführt werden", heißt es aus dem Landkreis Schmalkalden Meiningen. Wegen des hohen Zeit- und finanziellen Aufwandes würden sich Fachplaner lieber auf private statt öffentliche Aufträge konzentrieren.

Auch gestiegene Materialkosten, fehlende Fachkräfte in den Baufirmen und Lieferengpässe würden die Sanierung von Schulen in den Landkreisen und kreisfreien Städten erschweren.

Startchancen-Programm für 93 Schulen

Im neuen Schuljahr werden in Thüringen 93 Schulen mit etwa 23.000 Schülerinnen und Schülern mit Hilfe des Startchancen-Programms besonders gefördert. Wie Bildungsminister Holter sagte, bekommen die Schulen mit sozial benachteiligten Schülern unter anderem mehr Personal. Über einen Teil des Budgets könnten sie auch selbst verfügen und etwa Lese-Ecken einrichten oder Tablets kaufen. Ziel sind mehr erfolgreiche Schulabschlüsse.

23 Millionen Euro des Programms kommen vom Bund; Land und Schulträger steuern noch einmal Mittel in gleicher Höhe bei. Das Programm läuft zehn Jahre. Mit dem Schuljahresbeginn starten zunächst 64 Grund- und Berufsschulen in das Programm, ein Jahr später kommen Regel-, Gesamt- und Gemeinschaftsschulen dazu.

Neue Schulordnung, neues Schulgesetz

Das neue Schuljahr beginnt zudem mit neuer Schulordnung und neuem Schulgesetz. Mit der neuen Schulordnung wird das Fach Informatik und Medienbildung ab der fünften Klasse zum Pflichtfach. Zudem werden ab der siebten Klasse Astronomie und Physik gemeinsam unterrichtet.

Für die Doppeljahrgangsstufe 7/8 erhöht sich der Unterricht in der ersten Fremdsprache auf acht Wochenstunden, in den sechsten Klassen der Schulen, die zum Haupt- und Realschulabschluss führen, entfällt die Pflicht zur zweiten Fremdsprache.

Das neue Schulgesetz sieht zudem mehr Praxisunterricht und pädagogische Hilfskräfte im Klassenzimmer vor.

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Kinder arbeiten im Unterricht auf ihren Tablets.
Ab dem nächsten Schuljahr werden Schulkinder in Thüringen im neuen Fach Medienbildung und Informatik unterrichtet. Bildrechte: IMAGO / Funke Foto Services

MDR, epd, dpa (jml/sar)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 29. Juli 2024 | 19:00 Uhr

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