Eine Frau mit Brille schaut in einen Laptop.
Wer viel für seinen Arbeitgeber vor einem Bildschirm arbeiten muss und mit seiner nromalen Brille nicht mehr richtig sehen kann, hat Anspruch auf eine Bildschirmarbeitsplatzbrille. Die ist keine Kassenleistung, sondern bezahlt der Arbeitgeber. Die Brille muss auch am Arbeitsplatz verbleiben. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance / Westend61 | Andrew Brookes

Service Kann der Chef vorschreiben, wo ich eine Computerarbeitsbrille kaufe?

06. September 2024, 06:00 Uhr

Wer als Angestellter viel vor dem Computer arbeitet und mit seiner normalen Brille dabei nicht mehr gut sehen kann, hat Anspruch auf eine spezielle Brille. Die muss verschrieben und beim Optiker gekauft werden. Eine Optikerin in Dresden ärgert sich über große Firmen und Behörden, die Rahmenverträge mit einzelnen Ketten abschließen. Deren Mitarbeiter dürften dann nur noch dorthin gehen. Stimmt das?

Geht es um Computerarbeitsbrillen, ist die Optikermeisterin Janine Flor in Dresden nicht gut auf große Firmen und Behörden zu sprechen. Angeblich würden die, auch die Stadtverwaltung Dresden und der MDR, ihre Belegschaft zu großen Optiker-Ketten schicken, weil sie mit diesen Ketten Rahmenverträge hätten. Ihre Kritik: "Das benachteiligt uns kleine, private Handwerksbetriebe." Auch eine ehemalige Angestellte bei der Kette Fielmann sagt zu MDR SACHSEN: "Ja, das kenne ich von früher. Da kamen Mitarbeiter großer Firmen nur zu uns."

Rahmenverträge ja oder nein?

Nachfrage bei der Stadt Dresden. Antwort: "Es gibt keine Empfehlungen an die Beschäftigten, bei welchem Optiker eine Bildschirmarbeitsplatzbrille angefertigt werden kann. Vielmehr können die Beschäftigten frei darüber entscheiden, an welchen Optiker sie sich wenden möchten", sagt Sprecherin Laura Kirsten MDR SACHSEN.

Es würden sich auch nicht die festgelegten Zuzahlungen für solche Brillen ändern, denn sie "sind unabhängig von etwaigen Rabatten, da die Stadtverwaltung Dresden mit keinem Optiker in Vertragsbeziehungen in Bezug auf die Anfertigung von Bildschirmarbeitsplatzbrillen steht". 2023 hatte die Stadt 207 Bildschirmarbeitsplatzbrillen für Beschäftigte bezahlt.

Nachfrage im eigenen Haus. Antwort des MDR: "Dem Arbeitgeber steht es frei, Rahmenverträge mit externen Anbietern abzuschließen, um dadurch günstigere Konditionen für die Anfertigung einer Vielzahl von Bildschirmarbeitsplatzbrillen zu erhalten. Von dieser Möglichkeit hat der MDR unter dem Gebot von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Gebrauch gemacht und nach vorheriger Prüfung unterschiedlicher Angebote einen solchen Rahmenvertrag mit einem Anbieter abgeschlossen."

Sollte ein Mitarbeiter Zusatzoptionen für solch eine Brille haben wollen "oder einen anderen Anbieter, sind die daraus entstehenden Kosten selbst zu tragen". In den Jahren 2022 und 2023 habe der Betriebsarzt 327 Empfehlungen für festangestellte MDR-Mitarbeitende ausgestellt.

Firmen und Behörden sparen mit Verträgen Kosten und Aufwand

Rahmenverträge wie beim MDR seien bundesweit üblich, weiß der Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen in Düsseldorf. "Große Unternehmen oder Behörden schließen Rahmenverträge mit einzelnen Augenoptikern ab aus mehreren Gründen. Der wichtigste Grund ist eine Begrenzung der Kosten." Vor allem überregional tätige Unternehmen würden die speziellen Brillen bei einem Anbieter kaufen.

Und ja, "solche Verträge haben immer etwas Ausschließendes", erklärt der Justiziar für den Verband, Carsten Schmitt. Unternehmen oder Behörden würden mit Optikern vertraglich festlegen, zu welchem Festpreis sie die Bildschirmarbeitsplatzbrillen kaufen. "Die Mengenrabatte sind dem Optiker und dem Verhandlungsgeschick der Vertragspartner überlassen", sagt Schmidt dazu.

Laut Optikern in Dresden sind pro Brille Kosten zwischen 140 und 200 Euro branchenüblich.

Wie komme ich an eine Bildschirmarbeitsplatzbrille?

  • Wer viel am Bildschirm arbeitet, kann mit einer speziellen Brille dabei helfen, seine Augen zu entlasten. Oft wird eine Bildschirmarbeitsplatzbrille ab einem Alter von 40 Jahren notwendig, wenn die Altersweitsichtigkeit einsetzt.
  • Laut Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) haben Arbeitnehmer das Recht auf eine spezielle Sehhilfe in der einfachsten Ausführung, wenn sich die normale Brille für die Tätigkeit am Computer nicht eignet.
  • Ist das der Fall, stellen Arbeits-/Betriebs-Mediziner oder Augenarztpraxen über die Angebotsvorsorge ein Rezept bzw. eine Bescheinigung darüber aus.
  • Wichtig: Bildschirmbrillen sind keine Krankenkassen-Leistungen. Sie dienen dem Arbeitsschutz und werden vom Arbeitgeber bezahlt, ebenso wie die Kosten für die Augenuntersuchung. Sonderwünsche beim Brillendesign, für Glastypen oder Veredelungen müssen Mitarbeitende aus eigener Tasche zahlen.
  • Der Arbeitgeber ist übrigens per Gesetz dazu verpflichtet, den Arbeitnehmern vor Aufnahme der Tätigkeit und danach regelmäßig eine Augenuntersuchung anzubieten - der Arbeitnehmer ist aber nicht verpflichtet, das Angebot wahrzunehmen.


Quelle: Kuratorium Gutes Sehen e.V.

Muss man den Rahmenverträgen folgen? Unklar

Stellt sich die Frage: Muss man als Arbeitnehmer so einem Rahmenvertrag folgen? "Davon unberührt bleibt das Recht auf freie Wahl des Augenoptik-Fachgeschäfts durch den Beschäftigten. Allerdings kann der Arbeitgeber die Erstattung auf die notwendigen Anschaffungskosten beschränken", erklärt der Verein Kuratorium Gutes Sehen.

Ein Architekt vor einem Laptop fasst sich müde an die Augen.
Kopfschmerzen, müde Augen und Konzentrationsschwierigkeiten können darauf hinweisen, dass man eine Bildschirmarbeitsplatzbrille braucht. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance / Westend61 | Josep Suria

"Doch so ganz klar ist diese Frage gesetzlich nicht geregelt", schränkt der Jurist vom Bundesverband der Augenoptiker, Carsten Schmitt ein. Eine Bildschirmarbeitsplatzbrille gelte als Arbeitsmittel und verbleibe am Arbeitsplatz. "Genau wie bei der Beschaffung von Arbeitsmitteln generell, entscheidet der Arbeitgeber, wo er die Arbeitsmittel kauft."

Andererseits gelten "Bildschirmbrillen" wegen der individuellen Ausführung und des medizinischen Bezugs auch nicht als x-beliebiges Arbeitsmittel wie Drucker oder Aktenregale. "Bei der Versorgung mit Brillen und Kontaktlinsen gilt im System der gesetzlichen Krankenversicherungen der Grundsatz, dass der gesetzlich Versicherte frei ist, sich seinen Leistungserbringer (= Augenoptiker) auszusuchen. Weder der Augenarzt, der eine Sehhilfe verordnet, noch die Krankenkasse dürfen den Versicherten zu einem bestimmten Augenoptiker schicken", erklärt Schmitt.

Genau wie bei der Beschaffung von Arbeitsmitteln generell, entscheidet der Arbeitgeber, wo er die Arbeitsmittel kauft.

Carsten Schmitt Jurist beim Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen

Bildschirmbrille ist Arbeitsmittel - aber kein beliebiges

Vor diesem Hintergrund spreche sehr viel dafür, dass Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber auch die Möglichkeit gegeben werden müsse, die notwendige Bildschirmbrille zu gleichen Konditionen bei seinem Augenoptiker des Vertrauens zu kaufen. "Das ist auch der Grund, warum viele Arbeitgeber nur einen Betrag für die Anschaffung einer geeigneten Brille zur Verfügung stellen und alles andere den Arbeitnehmern überlassen."

Eine Seniorin hält sich einen Laptop dicht vor die Augen
Wer später nicht so vor einem Laptop oder PC sitzen und sich die Augen "verrenken" will, sollte sich frühzeitiger um seine Augengesundheit kümmern. (Symbolbild) Bildrechte: imago/Paul von Stroheim

Arbeitnehmer, die eine Brille für die Computerarbeit vom Arbeitgeber bezahlt haben wollen, der im Hintergrund einen Rahmenvertrag mit einem Optiker hat, böten sich laut Schmitt drei Möglichkeiten. Entweder gehen sie zum Vertragsoptiker ihrer Firma. Oder sie fragen ihren persönlichen Optiker, ob er die Brille auch zu dem Preis verkauft, wie der andere Optiker laut Rahmenvertrag. Dritte Möglichkeit laut Zentralverband der Augenoptiker: Der Arbeitnehmer zahlt den Anteil selbst, der über den Preis der Brille hinausgeht, wie er laut Rahmenvertrag feststeht und rechnet die restliche Summe gemäß Rahmenvertrag seiner Firma ab.

Die Realität am Tresen

"Das ist doch total praxisfern. Das macht kein Mensch", kritisiert Optikermeisterin Janine Flor die Vorschläge zwei und drei. "Wir erleben immer wieder, dass die Firmen dann sagen, das Geld für die Brille fließt nur, wenn du zum Vertragsoptiker gehst." Beim nächsten strittigen Fall will sich die Dresdner Unternehmerin direkt an den Zentralverband ihrer Branche wenden.

Janine Flor wünscht sich, dass gerade Ämter und Behörden ihren Mitarbeitenden die freie Wahl lassen, denn: "Alle reden davon, wie wichtig das Handwerk ist, aber dann bleiben wir kleinen Betriebe bei diesem wichtigen Thema außen vor?"

Wir erleben immer wieder, dass die Firmen dann sagen, das Geld für die Brille fließt nur, wenn du zum Vertragsoptiker gehst.

Janine Flor Optikermeisterin mit eigenem Geschäft in Dresden

MDR (kk)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 29. August 2024 | 14:25 Uhr

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