Kaputte Kühlschranke und Gefriertruhen stehen auf einem Wertstoffhof.
Sind Kühlschränke und Gefriertruhen kaputt, werden sie oft gleich entsorgt anstatt repariert. Bildrechte: IMAGO

Diskussion um geplante Obsoleszenz Lebenszeit technischer Geräte: Defekt nach Plan?

09. September 2024, 13:55 Uhr

Smartphone, Waschmaschine, Laptop: Werden elektronische Geräte so gebaut, dass sie schneller kaputt gehen, als sie müssten? "Geplante Obsoleszenz" sagen Experten dazu. Die Debatte darum reißt nicht ab. Doch was ist dran?

Belegt: kurzlebigere Glühbirne Mitte des 20. Jahrhunderts auf dem Weltmarkt

Klar ist, Hersteller verdienen mehr, wenn sie mehr verkaufen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auch immer wieder darüber diskutiert wird, ob Geräte nicht doch länger ihren Dienst tun könnten, wenn sie anders gebaut würden, aber das bewusst nicht gemacht wird. Tatsächlich lässt sich das schwer nachweisen. Bisher belegt ist dies in Deutschland nur in den 1920er-Jahren bei der Glühbirne.

Im Januar 1924 wurden Verabredungen von den Produzenten getroffen, die Leuchtdauer auf 1.000 Stunden zu begrenzen. "Das entspricht etwa einer Halbierung der damaligen Brenndauer", schreibt die SZ in einem Artikel von 2013 mit dem Titel "Plötzlicher Tod der Glühbirne". Beteiligt gewesen seien "nahezu alle alle großen internationalen Produzenten, darunter auch die deutsche Osram." Dünnere Glühdrähte führten schließlich zur Verringerung der Leuchtstunden. Die geheimen Absprachen des "Phoebus-Kartell" gingen als Glühbirnenverschwörung in die Geschichte ein. Der Begriff Phoebus war nicht zufällig gewählt: Er entstammt dem Latein und bedeutet übersetzt "der Leuchtende". 1942 flog alles auf, 1953 wurde die geplant begrenzte Lebensdauer per Gericht untersagt.

Kritik reißt nicht ab, aktuell keine Studien-Nachweise in Deutschland

"Bislang gibt es für vorzeitigen Verschleiß oder Ausfall von Produkten zahlreiche Einzelbeispiele, aber keine ausreichenden Nachweise in Form statistischer Daten", erklärt das Umweltbundesamt aktuell auf seiner Homepage. Eine vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebene Studie zu 13 Produktgruppen konnte hier auch keinen deutlichen Nachweis erbringen. Eine Befragung der Verbraucher im Rahmen der 2016 veröffentlichten Studie hätte jedoch ergeben, dass ein Drittel mit der Lebensdauer der Geräte in den Kategorien Waschmaschinen, Fernsehgeräte, Notebooks, Wasserkocher und Handmixer unzufrieden ist.

Deutsche Umwelthilfe nennt Beispiele

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) erklärt auf MDR-Anfrage, dass es Produkte gäbe, "die ganz offensichtlich nur für eine begrenzte Lebensdauer ausgelegt sind, obwohl dies gar nicht erforderlich ist". Hier sprechen Fachleute von geplanter Obseleszenz. "Ein drastisches Beispiel ist die Einweg-E-Zigarette, deren hochwertige Lithium-Ionen-Batterie nicht aufgeladen werden kann und dessen Liquid-Tank nicht wiederbefüllbar ist. Nach einer kurzen Nutzungsdauer wird die Einweg-E-Zigarette direkt zu Abfall - ein klassischer Fall von vermeidbarer Obsoleszenz", so die DUH.

Nach einer kurzen Nutzungsdauer wird die Einweg-E-Zigarette direkt zu Abfall - ein klassischer Fall von vermeidbarer Obsoleszenz.

Deutsche Umwelthilfe

Als weiteres Beispiel führt die Organisation Tintenstrahldrucker an. Bei denen sauge sich der Schwamm für die Tintenreste nach geraumer Zeit voll, könne dann aber nicht mehr ausgetauscht werden. Zudem gäbe es Drucker, die nach wenigen Anwendungen falsche Wartungswarnungen anzeigen. "Um den Eindruck zu erwecken, dass der Drucker defekt ist", so der Vorwurf der DUH. Bei Smartphone-Herstellern stünden einerseits Apple in der Kritik, weil die Funktionalität von Ersatzteilen wie Bildschirmen und Home-Tasten für iPhones an die Seriennummer des Geräts gekoppelt sei, "sodass diese nach einer Reparatur ohne spezielle, nur von Apple verfügbare Software nicht mehr richtig funktionieren". Auch ärgerlich sei bei iPhones ein nicht verschwindender "Service"-Hinweis bei Batteriewechsel mit Produkten anderer Hersteller. "Selbst wenn diese technisch einwandfrei ist", so die DUH.

Frankreich hat seit 2015 Gesetz gegen geplante Obsoleszenz

Apple hatte in Frankreich sogar eine Klage kassiert, weil dem Unternehmen vorgeworfen wurde, die Leistungsfähigkeit von iPhones gezielt zu drosseln. Das gab das Unternehmen auch zu und bekam eine Strafe in Höhe von 25 Millionen Dollar. 2023 wurden erneut Ermittlungen eingeleitet. In Frankreich ist geplante Obsoleszens seit 2015 strafbar.

"In Frankreich wurde im Jahr 2015 mit dem Energiewende-Gesetzespaket das Umwelt- und Verbrauchergesetzbuch abgeändert. Seitdem gilt geplante Obsoleszenz als Täuschungsdelikt und stellt Praktiken, die ein inverkehrbringender Marktteilnehmer anwendet, um vorsätzlich die Lebensdauer eines Produkts zu verkürzen, unter Strafe. Erste Verfahren wurden gegen Apple und Epson geführt. In Deutschland fällt vorsätzlich geplante Obsoleszenz unter den Betrugstatbestand, § 263 StGB", erklärt das Bundesjustizministerium auf MDR-Anfrage. Aber geplante Obsoleszenz ist schwer nachweisbar, wie alle zuständigen Behörden einhellig urteilen.

Online-Plattform sammelt Verbraucher-Hinweise

Die Initiative "Murks? Nein, danke!" sammelt die Beispiele, die Verbraucher zu Geräten mit geringer Lebensdauer melden. "Die Berichte helfen, Merkmale von minderwertigen und kurzlebigen Produkten aufzuzeigen. Allerdings lassen sich daraus keine belastbaren und allgemeinen Rückschlüsse ziehen", wertschätzt das Verbraucherportal Bayern vom Bayrischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz etwa die Arbeit.

Betriebswirt Stefan Ridde ist der Kopf des Projekts "Murks? Nein, danke!". "Geplante Obsoleszenz muss beendet werden, weil sie einen irrsinnigen Schaden auslöst. Ganz konkret bei uns in der Tasche. Wenn wir neu kaufen müssen, haben wir weniger Geld. Wären die Dinge haltbar, wie vor 30 Jahren, hätten wir 100 Milliarden Euro mehr in Deutschland im Jahr übrig", sagt Schridde im Gespräch mit SWR Kultur.

Schuld seien minderwertige Verschleißteile, die bewusst in Elektrogeräte eingebaut würden. Die Materialien seien weniger robust, nutzten sich schneller ab. "Auch wenn du bei gleichen Kosten einen besseren hättest wählen können", so der Vorwurf von Schridde. Zudem würden Hersteller mit ihren Bauweisen Reparaturen oft unmöglich machen. Beispiele seien hier etwa fest verbaute Akkus oder Gehäuse, die nicht verschraubt, sondern verklebt werden.

Übrigens: Ladekabel wären sicher weniger bruchanfällig, wenn sie am Stecker verstärkt würden.

EU stärkt Recht auf Reparatur

Die EU hat am 10. Juli 2024 zunächst ein Recht auf Reparatur für Elektrogeräte beschlossen, für die es auf EU-Ebene bereits Reparaturvorschriften (die Ökodesign-Richtlinien) gibt. Dazu zählen etwa Waschmaschinen, Staubsauger, Monitore und Smartphones. Die Mitgliedstaaten haben jetzt bis 31. Juli 2026 Zeit, dies in nationales Recht umzusetzen.

Damit soll Elektroschrott reduziert werden. Hersteller sollen verpflichtet werden, Reparaturen auch über die gesetzliche Gewährleistungszeit hinaus durchführen, wenn dies möglich und ökonomisch sinnvoll ist. "Bei Geräten, die in der Gewährleistungszeit repariert werden, wird der Haftungszeitraum um ein Jahr verlängert, sodass es sich noch mehr lohnt, sich für die Reparatur statt für den Kauf eines neuen Geräts zu entscheiden", erklärt das Europäische Parlament zur neuen Verordnung. Damit Reparaturen auch günstiger werden, sollen sie finanziell durch die jeweiligen Staaten gefördert werden.

Stichwort Ökodesign-Richtlinie "Ziel der Ökodesign-Richtlinie ist, die Umweltwirkungen von energieverbrauchsrelevanten Produkten unter Berücksichtigung des gesamten Lebensweges zu mindern. Dazu legt sie Mindestanforderungen an das Produktdesign fest", erklärt das Umweltbundesamt auf seiner Homepage.

Hier sieht das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) Deutschland Verbesserungsbedarf, da die Reparaturpflicht außerhalb der Gewährleistung viele Elektrogeräte gar nicht erfasse, weil es für sie noch keine Ökodesign-Richtlinie gibt. "Ein großer Teil der verkauften Elektrogeräte sind Produkte, die gerade nicht unter eine solche Verordnung fallen, z. B. Kaffeemaschine, Toaster oder Kopfhörer. Für diese gilt die Verpflichtung also weiterhin nicht. Dies ist nachteilig für Verbraucher und Umwelt", so die Kritik. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bemängelt, dass der Prozess mehr Produkte zu erfassen, zu langsam von statten geht. "Die DUH fordert, auch direkt Ökodesignregelungen festzulegen, die alle Elektrogeräte betreffen", erklärt sie auf MDR-Anfrage.

Ein großer Teil der verkauften Elektrogeräte sind Produkte, die gerade nicht unter eine solche Verordnung fallen, z. B. Kaffeemaschine, Toaster oder Kopfhörer.

Europäisches Verbraucherzentrum (EVZ) Deutschland

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