Eine Pflegekraft geht in einem Pflegeheim mit einer älteren Dame über einen Korridor. 7 min
Mehr als zwei Drittel der Pflegebedürftigen werden zu Hause betreut. Mehr dazu im Video. Bildrechte: picture alliance/dpa | Christoph Schmidt

Bundestagswahl 2025 | Pflege Häusliche Pflege: "Wir sind dankbar, dass er hier alt werden kann"

19. Februar 2025, 09:00 Uhr

Seit Jahren steigt der Eigenanteil für einen Platz im Pflegeheim. In Sachsen-Anhalt werden schon jetzt mehr als zwei Drittel der Pflegebedürftigen zu Hause versorgt – Tendenz steigend. Doch auch das ist mit Tücken verbunden. Was sich Pflegende und Angehörige von der neuen Bundesregierung wünschen: Teil 6 der MDR-Reihe zur Bundestagswahl in Sachsen-Anhalt.

"Ohne Steffi geht nichts", sagt Günther Lifka. Der 82-Jährige aus Dessau lebt allein, sieht nicht mehr gut und hat deshalb den Pflegegrad drei. Seine Nichte Stefanie Koppe kümmert sich um ihn, hilft im Haushalt und beim Einkaufen. Als die Wohnung neben ihrer frei wird, holt sie ihren Onkel zu sich ins Mehrfamilienhaus.

Stefanie Koppe pflegt ihren Onkel Günther Lifka
Stefanie Koppe und ihr Onkel "Günthi" haben ein enges Verhätnis. Bildrechte: MDR/Sarah-Maria Köpf

"Mir liegt das sehr am Herzen, dass ich ihn hier zu Hause pflegen kann. Dass er das Umfeld hat, sein eigener Herr ist und wir ihn in allen Situationen unterstützen können. Wir sind dankbar, dass er hier alt werden kann", erzählt Koppe. "Günthi", wie ihr Onkel liebevoll genannt wird, sieht das ähnlich. Ein Heim komme für ihn niemals infrage. "Das ist nichts für mich. Ich bin gerne alleine", meint er.

Mehr als 70 Prozent werden zu Hause gepflegt

Günther Lifka ist einer von rund 200.000 Pflegebedürftigen in Sachsen-Anhalt. Mehr als 70 Prozent davon werden dem Statistischen Landesamt zufolge in den eigenen vier Wänden gepflegt. Rund 47.000 erhalten eine ambulante Pflege.

Stefanie Koppe arbeitet auch beruflich seit sechs Jahren als Pflegerin. Über ihren Arbeitgeber, dem Pflegedienst Conny Wilmer, rechnet sie fünf Stunden pro Woche auch für ihren Onkel ab. Nach dem Feierabend schaut sie oft noch einmal bei ihm vorbei, bringt ihm Essen oder nimmt ihn im Sommer mit in den Garten.

Kosten für Pflegeheime steigen weiter

Pflegedienst-Inhaberin Conny Willmer steht an einem Krankenbett und schaut in die Kamera
Conny Willmer will mit ihrem eigenen Pflegedienst vieles anders machen. Bildrechte: MDR/Sarah-Maria Köpf

Beim Pflegedienst Conny Willmer werden die Patientinnen und Patienten durchschnittlich fünf Jahre lang betreut, erzählt Inhaberin Conny Willmer. Bereits seit 32 Jahren ist sie in der Pflege tätig. 2019 gründet sie zusammen mit ihrem Mann einen eigenen Pflegedienst. "Bei uns gehen wenige in ein Heim", sagt Willmer.

Sie gebe alles, damit die Patienten so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden wohnen könnten. Mache hätten auch ein Haus gebaut und wollen da nicht weg. Pflegeheimplätze seien zudem teuer, kritisiert sie. Das könne sich kaum jemand leisten.

In Sachsen-Anhalt leben nach Angaben des Statistischen Landesamts nur etwa 14 Prozent der Pflegebedürftigen in einem Heim. Das Land hat bundesweit zwar die geringsten Eigenbeteiligungskosten, trotzdem beläuft sich die monatliche Summe im ersten Jahr des Heimaufenthalts auf rund 2.450€.

Neben den hohen Kosten steht die Pflegebranche aber noch vor weiteren Herausforderungen. In Sachsen-Anhalt wird die Bevölkerung immer älter, gleichzeitig herrscht Fachkräftemangel. Die Pflege zu Hause ist für viele oft die einzige Option.

In einer Forsa-Umfrage für die AOK im Dezember 2024 gaben ein Viertel jedoch an, die Pflege zu Hause eigentlich gar nicht mehr oder nur schwer bewältigen zu können. Denn neben der Vereinbarkeit mit Familie und Beruf, geht die Pflege von Angehörigen laut AOK auch mit körperlichen und psychischen Belastungen einher.

Experte: An häuslicher Pflege führt kein Weg vorbei

Peter Rudolph, Professor für Gesundheitsmanagement an der Hochschule Magdeburg-Stendal, ist allerdings der Meinung, dass an der häuslichen Pflege auch zukünftig kein Weg vorbei führen wird. "Zum einen ist die häusliche Pflege deutlich günstiger. Wenn wir jetzt alles in Richtung stationärer Pflege verlagern würden, ist das finanziell aus meiner Sicht überhaupt nicht stemmbar", sagt er. Und auch die Pflegebedürftigen wünschten sich, so lang wie möglich zu Hause bleiben zu können.

Peter Rudolph, Professor an der Hochschule Magdeburg-Stendal, lacht in die Kamera 1 min
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Perspektivisch und im Hinblick auf die neue Bundesregierung sei deshalb eine gute und nachhaltige Finanzierung der Pflege nötig. "Wenn wir jetzt im System nichts machen, dann wird Pflege immer teurer", mahnt Rudolph. Zudem brauche es eine breitere Ausbildung und mehr Fachkräfte aus dem Ausland. Der Beruf müsse allgemein attraktiver und Angehörigen mit Hilfsangeboten unterstützt werden.

Wenn wir jetzt im System nichts machen, dann wird Pflege immer teurer.

Peter Rudolph, Professor für Gesundheitsmanagement an der Hochschule Magdeburg-Stendal

Häusliche Pflege: Kurse für Angehörige

Genau so etwas plant Conny Willmer. Mit ihrem Pflegedienst will sie schon bald Kurse für Angehörige anbieten. Diese sollen über die Krankenkassen finanziert werden, für die Teilnehmenden also kostenlos sein.

"Viele fangen einfach an und wissen gar nicht, was sie da eigentlich tun. Sie rufen an und fragen nach Tipps und Ratschlägen", erzählt sie. Ziel sei, sich einmal im Monat mit pflegenden Angehörigen zu treffen und ihnen an der Puppe etwas vorzuführen, Fragen zu beantworten.

Zwei Pflegerinnen demonstrieren an einer Puppe, wie eine Windel gewechselt wird.
Conny Willmer will in ihren Pflegekursen Angehörige schulen. Dafür kommt auch eine Pflegepuppe zum Einsatz. Bildrechte: MDR/Sarah-Maria Köpf

Mehr Zeit für Patienten durch Digitalisierung

Mehr als 200 Patientinnen und Patienten betreut Conny Willmer mit ihrem Team in Dessau-Roßlau aktuell. Ihre 22 Mitarbeitenden sind auf ihren Einsätzen mit iPads unterwegs, das System ist komplett digitalisiert. Damit seien sie so etwas wie Vorreiter in der Region, meint die 49-Jährige. Früher habe sie Stunden für den Papierkram benötigt, nun würde alles schneller gehen. Patientendaten, Diagnosen, Kontakte der Angehörigen – alles sei im System. Daraus ergebe sich eine Zeitersparnis von 70 Prozent, rechnet sie vor.

Auch Professor Rudolph sieht in der Digitalisierung die Lösung für einige Probleme der Pflegebranche. Durch Telemedizin, digitales Gesundheitsmonitoring oder KI-gestützte Dokumentation in der Verwaltung könnten die Qualität in der Pflege gesteigert und die Arbeitsbelastung der Pflegekräfte verringert werden.

Eine Pflegerin reicht einer Frau ein Getränk. 1 min
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Das Land Sachsen-Anhalt stelle dazu auch entsprechende Fördermittel bereit, so Rudolph. Zunächst brauche es aber ausreichend Forschung. Dann könnte auch der Einsatz von Robotik einiges erleichtern. "Da denke ich an die Medikamentenabgabe oder an das Messen von Vitalzeichen."

Förderprojekt für die Zukunft der Pflege in Sachsen-Anhalt Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat dem Süden Sachsen-Anhalts im Februar diesen Jahres 140 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. In einem von der Uni Halle koordninierten Modellprojekt sollen Ideen für die Gesundheitsversorgung und Pflege der Zukunft gefördert werden. Das Ziel: Pflegebedürftigkeit zu verhindern und pflegebedürftige Menschen möglichst lange selbstbestimmt ihr Leben gestalten zu lassen.

Dank Digitalisierung können die Pflegerinnen und Pfleger bei Conny Willmer statt fünf Minuten durchschnittlich fünfzehn Minuten bei den Patienten bleiben. Ab und an sei dann auch mal Zeit für einen gemeinsamen Kaffee. Ihr Wunsch ist es, dass Pflegedienste allgemein mehr Zeit haben. "Dass sich auch kleine Pflegedienste das leisten können", betont sie.

Doch auch finanziell hat Conny Willmer Verbesserungsvorschläge. Von der neuen Bundesregierung wünsche sie sich, dass den Krankenkassen stärker auf die Finger geschaut werde. Teilweise warte sie Monate auf noch ausstehende Zahlungen. Aus dem vergangenen Jahr habe sie noch immer einen Ausstand von 100.000 Euro.

"Wir zahlen trotzdem Lohn, Miete, tanken unsere Autos, aber das Geld von den Kassen kommt einfach nicht pünktlich." Ihr Unternehmen könne das abfangen, für andere Pflegedienste gehe es oft um die Existenz.

Jeder fünfte Rentner von Altersarmut betroffen

Auch viele Pflegebedürftige haben mit den eigenen Finanzen zu kämpfen. Das beobachtet Pflegerin Stefanie Koppe. "Ich finde das ganz traurig. Bei vielen Älteren reicht die Rente von hinten bis vorne nicht. Was ich ganz schlimm finde: Dass die Älteren schon losziehen müssen und Pfand sammeln, beim Einkaufen jeden Cent umdrehen." Sie habe Klienten, die regelmäßig Prospekte studieren und nur kaufen, was im Angebot ist, erzählt sie.

In Deutschland gelten aktuell rund 3,5 Millionen Rentnerinnen und Rentner als armutsgefährdet – jeder Fünfte ist betroffen. Zahlen des Statistischen Bundesamts zufolge wurde 2024 damit ein neuer Rekordwert erreicht.

Stefanie Koppe pflegt ihren Onkel Günther Lifka
Günther Lifka hofft, noch lange in seinen eigenen vier Wänden leben zu können. Bildrechte: MDR/Sarah-Maria Köpf

Viele Rentner leben unter dem Minimum, kritisiert auch Günther Lifka. Dabei sei das die Generation, die Deutschland wieder aufgebaut habe. "Ich wüsste da im Moment keinen von unseren Politikern, der das voll auf seinem Programm hat", meint der 82-Jährige. Er selbst sei deshalb froh, dass er mit seiner Rente gut auskommt.

Und Stefanie Koppe ist erleichtert, dass sie so viel Zeit mit ihrem Onkel verbringen kann. Für die Zukunft wünscht sie sich vor allem eins: "Dass Günthi zu Hause ist und da alt werden kann, wo er sich wohlfühlt."

Wie wollen die Parteien Deutschland gestalten? Hintergründe zu den Wahlprogrammen finden Sie hier.

Mehr zur Bundestagswahl in Sachsen-Anhalt

MDR (Sarah-Maria Köpf) | Erstmals veröffentlicht am 16.02.2025

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 16. Februar 2025 | 19:00 Uhr

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