Bundesgerichtshof Urteil zu Prämiensparverträgen: Sparkassen müssen Zinsen nachzahlen
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09. Juli 2024, 19:59 Uhr
Im Streit um Nachzahlungen bei sogenannten Prämiensparverträgen hat der Bundesgerichtshof erstmals einen Zinssatz für die Nachberechnung der Zinsen bestätigt. Der neue Referenzzinssatz ist zwar nicht so hoch, wie Verbraucherschützer gerichtlich erwirken wollten, dennoch sind sie zufrieden. Nun müssen die Sparkassen an tausende Betroffene teils vierstellige Beträge auszahlen.
- Der Bundesgerichtshof hat erstmal einen Referenzzins für die Nachberechnung der Zinsen bei Prämiensparverträgen von Sparkassen bestätigt.
- Verbraucherschutzverbände wollten gerichtlich noch höhere Referenzzinssätze erreichen – scheiterten damit aber.
- Dennoch freuen sich die Verbraucherschützer, dass es endlich Regelungen gibt und Sparer ihre Zinsen erhalten.
Seit Jahren streiten Verbraucherschützer mit Sparkassen und Volksbanken vor Gericht über Nachzahlungen wegen unwirksamer Zinsklauseln bei Prämiensparverträgen. Jetzt hat der Bundesgerichtshof (BGH) erstmals einen Referenzzins für die Nachberechnung der Zinsen bestätigt. Die Zinsen bei sogenannten Prämiensparverträgen dürfen sich an den Durchschnittsrenditen börsennotierter Bundeswertpapiere orientieren, wie der BGH in Karlsruhe am Dienstag entschied. Er wies damit Forderungen nach noch höheren Zinssätzen von Verbraucherzentralen zurück.
Konkret ging es um zwei vorausgegangene Urteile der Oberlandesgerichte Naumburg und Dresden. Diese hatten eine Zinsberechnung auf Grundlage der Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere mit acht bis 15 Jahren Restlaufzeit festgelegt. Der Referenzzinssatz habe einer revisionsrechtlichen Überprüfung des BGH standgehalten, so der Senat.
Viele Premiensparverträge rechtswidrig
Bei Prämiensparverträgen erhalten Sparerinnen und Sparer zusätzlich zum variablen Zins eine meist nach Vertragslaufzeit gestaffelte Prämie. Je länger regelmäßige Sparbeiträge eingehen, desto höher fällt diese Prämie aus. Solche Sparverträge wurden in den 1990er und Anfang der 2000er-Jahre vertrieben – vor allem von Sparkassen.
Viele dieser Verträge enthalten dabei Klauseln, die Geldhäusern einseitig das Recht einräumen, die zugesicherte Verzinsung nach Belieben zu ändern. Die Bank konnte den Zins so zum eigenen Vorteil anpassen, also verringern. Der BGH erklärte das bereits vor 20 Jahren für rechtswidrig.
Verbraucherschützer forderten Durchschnittszins
Wie die Zinsen für diese Produkte stattdessen zu berechnen sind, war bisher unklar. Das wollten die Verbraucherzentralen ändern. Da der von den Oberlandesgerichten festgelegte Referenzzinssatz ihnen nicht ausreichte, legten der Verbraucherzentrale Bundesverband und die Verbraucherzentrale Sachsen gegen die entsprechenden Entscheidungen Revision ein.
Die Verbraucherschützer waren mit Musterklagen gegen die Saalesparkasse und die Ostsächsischen Sparkasse Dresden vorgegangen, die Prämiensparverträge mit Kundinnen und Kunden abgeschlossen hatten. Sie forderten einen sogenannten gleitenden Durchschnittszins, der sich an Hypothekenpfandbriefen und deren durchschnittlicher Rendite der vergangenen zehn Jahre orientiert.
Würde der Referenzzins so berechnet, könnten die betroffenen Kundinnen und Kunden voraussichtlich mit höheren Nachzahlungen rechnen. Der BGH hatte aber an den Entscheidungen der Oberlandesgerichte nichts auszusetzen und wies die Revisionen der Verbraucherzentralen daher nun zurück.
Sparer können vierstellige Beträge zurückbekommen
Trotz der zurückgewiesenen Revision zeigten sich die Verbraucherverbände nach dem Urteil positiv gestimmt. Nun gebe es endlich Klarheit, sagte Patrick Langer vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Mit der nun gültigen Berechnungsmethode würden trotzdem "in nicht seltenen Fällen vierstellige Beträge" für die betroffenen Kunden herauskommen. Bundesweit rechnet der Verband mit mehreren tausend Betroffenen.
Auch Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale-Bundesverbands, zeigt sich begeistert: "Der Bundesgerichtshof hat einen Maßstab festgelegt, wie Sparkassen falsch berechnete Verträge neu berechnen müssen." Nun müssten die Sparkassen tätig werden und Entschädigungen in die Wege leiten.
Bindend ist das Urteil im juristischen Sinn nur für die beiden beklagten Sparkassen. Da es sich aber um Standardprodukte der Sparkassen handelt, könnten die Festlegungen des Gerichts aus Sicht der Verbraucherzentrale inhaltlich auch für Prämiensparverträge anderer Sparkassen gelten. Der Bundesgerichtshof ließ offen, ob auch andere Referenzzinssätze für die Zinsanpassungen infrage kämen.
Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt weist auf Verjährung hin
Die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt weist nach dem Gerichtsurteil auf eine Verjährungsfrist hin. Ute Bernhardt von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt sagte MDR SACHSEN-ANHALT, dass ein Anspruch auf Zinsnachzahlungen nur zeitlich begrenzt geltend gemacht werden könne. Am Dienstag sei entschieden worden, dass die Ansprüche auf Zinsnachzahlungen drei Jahre nach Beendigung eines solchen Vertrages verjährten.
Die BGH-Entscheidung wirke sich auch auf das Verfahren zu Prämiensparverträgen bei der Saalesparkasse aus, so Bernhardt. Die Saalesparkasse habe bereits Anfang 2018 viele Verträge gekündigt. Dadurch sei die Verjährung bereits Ende 2021 eingetreten. Aber eine Ausnahme gelte für die betroffenen Kunden, die sich an der am Dienstag verhandelten Musterfeststellungsklage gegen die Saalesparkasse beteiligt hatten: "Dort ist die Verjährung durch die Klage gehemmt worden. Das heißt, die Verbraucher haben jetzt noch sechs Monate Zeit, ihre Ansprüche gegenüber der Saalesparkasse durchzusetzen", erklärt Bernhardt. Sie forderte die Sparkassen auf, die Verträge mit den Kriterien des Bundesgerichtshofes nachzuberechnen und diese Berechnung auch offenzulegen.
AFP/dpa (jst)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 09. Juli 2024 | 17:00 Uhr