Leitungen und Speicher Finanzierung von Wasserstoff-Projekten nach Haushaltsurteil offen

29. November 2023, 05:00 Uhr

Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft, Milliardenbeträge sollten in den kommenden Jahren in den Ausbau der Infrastruktur investiert werden. Doch wegen der Haushaltskrise der Bundesregierung ist die Finanzierung bei mehreren Projekten im Osten nun fraglich.

  • Die Haushaltskrise hat auch Auswirkungen auf die Finanzierung von Wasserstoff-Projekten.
  • Mindestens drei Projekte in Mitteldeutschland sind betroffen.
  • Für den Klima- und Transformationsfonds stehen in den kommenden Jahren deutlich weniger Mittel zur Verfügung.

Die Haushaltskrise der Bundesregierung hat auch Auswirkungen auf Wasserstoff-Projekte in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Konkret geht es um zwei Projekte zur Netzinfrastruktur sowie eines zur Wasserstoff-Speicherung. Das teilte das Energieministerium Sachsen-Anhalt mit. Zwei der Projekte sehen Leitungen für Wasserstoff vor und sind Teil des geplanten ostdeutschen Wasserstoffnetzes. Sie haben die etwas verspielt klingenden Namen "doing hydrogen" und "Green Octopus Mitteldeutschland" und werden vom Netzbetreiber Ontras geplant, einem Tochterunternehmen der Leipziger VNG-Gruppe.

"Doing hydrogen" sieht die Umrüstung von Gasnetzen für den Transport von Wasserstoff vor. Die Rohre und Pipelines reichen von Rostock bis nach Brandenburg beziehungsweise Sachsen und Sachsen-Anhalt. "Green Octopus Mitteldeutschland" sieht Wasserstoff-Leitungen von Niedersachsen bis Leipzig vor. 

Ein weiteres betroffenes Projekt hat VNG selbst initiiert. Dabei geht es um die Speicherung von Wasserstoff in Bad Lauchstädt. Ob weitere Wasserstoff-Projekte von den Auswirkungen der Haushaltskrise betroffen sind, ist nicht bekannt. 

Netzbetreiber mit Investitionen in Vorleistung gegangen 

Das Problem: Die beiden Ontras-Projekte bekamen im Dezember 2022 als "Important Projects of Common European Interest" (IPCEI) von der Bundesregierung einen sogenannten vorzeitigen Maßnahmenbeginn genehmigt. "Was bisher noch fehlt, ist der endgültige Bewilligungsbescheid. Der ist besonders wichtig, denn ohne eine finale Förderzusage wären diese Mammutprojekte nicht finanzierbar und wir sind mit unseren Investitionen bereits in Vorleistung gegangen", sagte Ontras-Sprecher Ralf Borschinsky dem MDR.  

Gerade die IPCEI-Förderung sei erfolgskritisch für den Wasserstoff-Hochlauf und das Wasserstoff-Kernnetz. Das gelte auch für die Projekte von Wasserstofferzeugern und Verbrauchern, "Wir gehen daher davon aus, dass die Politik zu ihrem Wort steht und die Projekte auch endgültig bewilligt und alles tun wird, um den Aufbau der Wasserstoff-Infrastruktur wie vorgesehen auf den Weg zu bringen und den Markthochlauf für Wasserstoff nicht zu gefährden", sagte der Ontras-Sprecher weiter. 

130 Millionen von Bundesregierung fehlen vorerst 

Die Projekte sind ein wichtiger Baustein für den Transport und die Nutzung von Grünem Wasserstoff. Dieser soll einmal dafür sorgen, dass Unternehmen größtenteils auf fossile Energieträger wie Gas verzichten können. Dazu soll in den kommenden Jahren hauptsächlich Strom durch Solar- und Windkraftanlagen Grüner Wasserstoff in Deutschland produziert und verteilt werden. Zudem will Deutschland in großem Stil Wasserstoff aus Ländern wie Namibia oder Marokko importieren. Vor allem dafür ist die Leitungsinfrastruktur von der Ostsee bis nach Sachsen notwendig.  

Wasserstoff und seine Farben Grüner Wasserstoff wird mit Hilfe von erneuerbaren Energien aus Wind und Sonnenenergie gewonnen. Blauer Wasserstoff wird aus Erdgas erzeugt. Dabei wird CO2 freigesetzt, das allerdings anders als beim grauen Wasserstoff abgeschieden und eingelagert wird. Türkiser Wasserstoff entsteht durch die thermische Spaltung von Methan, wobei Kohlenstoff in fester Form anfällt, der ebenfalls eingelagert werden kann. Oranger Wasserstoff wird aus Biomasse oder Abfallverbrennung erzeugt.

Für die drei nun betroffenen Projekte wollte allein die Landesregierung Sachsen-Anhalt nach eigenen Angaben 58 Millionen Euro Förderung dazugeben, 130 Millionen Euro sollten demnach vom Bund kommen. Insgesamt waren für das Jahr 2024 laut Bundesregierung für Wasserstoff-Projekte in Deutschland Förderungen von 3,8 Milliarden Euro vorgesehen. Dabei geht es neben Infrastruktur und Produktion auch um die Umstellung von Stahlunternehmen auf umweltfreundliche Produktion mit Wasserstoff. Insgesamt wollte die Bundesregierung von 2024 bis 2027 sogar 18,6 Milliarden Euro in den Aufbau der Wasserstoffindustrie investieren. Das Bundeswirtschaftsministerium wollte sich gegenüber dem MDR nicht zu möglichen Auswirkungen der Haushaltskrise auf Wasserstoffprojekte äußern. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte zuletzt gesagt, man wolle an der geplanten Förderung von Projekten festhalten.

Andere Projekte in Mitteldeutschland haben dagegen schon Bewilligungsbescheide für Projekte bekommen. Dazu zählt das Unternehmen Sunfire aus Dresden. Von dort hieß es auf MDR-Anfrage, dass man derzeit nicht davon ausgehe, dass es Probleme mit Förderungen gebe, die bereits zugesagt wurden. Sunfire stellt Elektrolyseure her, mit denen aus Wasser Wasserstoff gewonnen werden kann. 

60 Milliarden Euro an Ausgaben nicht gedeckt

Hintergrund für die offene Finanzierung ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass der Nachtragshaushalt der Bundesregierung von 2021 verfassungswidrig ist, weil nicht ausgegebene Corona-Hilfsmittel nicht ohne weiteres umgewidmet und in den "Klima- und Transformationsfonds" (KTF) geschoben werden können. Das Bundesverfassungsgericht sieht das als Verstoß gegen die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse.  

Aufgrund der Gerichtsentscheidung sind 60 Milliarden Euro geplante Ausgaben aus dem KTF nicht mehr gedeckt. In einem Entwurf für einen Nachtragshaushalt für das Jahr 2023, der dem MDR vorliegt und über den der Bundestag in den kommenden Tagen berät, hat das Finanzministerium von Christian Lindner den ehemals rund 100,7 Milliarden Euro umfassenden KTF auf rund 40,7 Milliarden Euro zusammengeschoben, die im laufenden Kalenderjahr als Ausgaben verbucht werden sollen. Davon sind rund 8,8 Milliarden Euro als "Zuweisungen und Zuschüsse", 27 Milliarden Euro als "Ausgaben für Investitionen" und rund 4,8 Milliarden Euro als "besondere Finanzierungsausgaben" gelistet.  

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 29. November 2023 | 06:30 Uhr

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