Jahreswirtschaftsbericht Wirtschaftsminister Habeck kündigt "Reformbooster" an
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21. Februar 2024, 21:44 Uhr
Trübe Aussichten für die deutsche Wirtschaft: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will dagegen mit einem "Reformbooster" angehen. Neben der Eindämmung des Arbeitskräftemangels soll unter anderem auch der Abbau der Bürokratie endlich in Angriff genommen werden.
- Die Bundesregierung rechnet in diesem Jahr nur mit einem Mini-Wachstum der Konjunktur.
- Bundeswirtschaftsminister Habeck sieht vielfältige Faktoren als Ursache.
- Im Jahreswirtschaftsbericht wird von einer sinkenden Inflation ausgegangen.
- Habeck sieht Mitverantwortung der Ampel-Koalition an der problematischen Wirtschaftslage Deutschlands.
Die Konjunkturaussichten für dieses Jahr haben sich aus Sicht der Bundesregierung deutlich eingetrübt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will die Wirtschaft deshalb mit einem "Reformbooster" nach vorn bringen. "Es geht um nichts Geringeres, als darum, die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Industriestandorts zu verteidigen", erklärte Habeck am Mittwochnachmittag bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts in Berlin, den das Kabinett zuvor beschlossen hatte. Besonders im Fokus stünden dabei die Eindämmung des Arbeitskräftemangels, der Bürokratieabbau und bessere Rahmenbedingungen für Investitionen.
Wenn wir alle diese Menschen nicht als Partner, Freunde und Deutsche betrachten, dann kollabiert die Wirtschaft.
"Die größte Herausforderung für Deutschland ist der Arbeitskräftemangel", erklärte Habeck weiter. "Wir brauchen alles Wissen und Können, alle Hände und Köpfe, alle Talente und Fähigkeiten." Die sehr hohe Beschäftigungsquote in Deutschland werde im Wesentlichen von der Zuwanderung getragen. "Wenn wir alle diese Menschen nicht als Partner, Freunde und Deutsche betrachten, dann kollabiert die Wirtschaft", betonte der Grünen-Politiker.
Mini-Wachstum prognostiziert
Wie aus dem Bericht hervorgeht, rechnet die Bundesregierung 2024 nur noch mit einem Wachstum des Bruttoinlandprodukt (BIP) um 0,2 Prozent. Das ist deutlich weniger als in der Herbstprognose angenommen: Im Oktober war die Bundesregierung noch von einem möglichen BIP-Wachstum um 1,3 Prozent in diesem Jahr ausgegangen.
Den deutlichen Rückgang des erwarteten Wirtschaftswachstums hatte Habeck bereits vor einer Woche bekannt gegeben. Die Prognose von 0,2 Prozent bezeichnete er da als "dramatisch schlecht".
Verschiedene Faktoren als Ursache
Ursache für die getrübte wirtschaftliche Lage seien etwa das historisch niedrige Wachstum des Welthandels, das gerade einer Exportnation wie Deutschland zu schaffen mache, sowie hohe Zinsen, die Investitionen der Unternehmen hemmten, sagte Habeck. Er verwies zudem auf Sparzwänge des Bundes nach einem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts. "Wir kommen langsamer aus der Krise als gehofft", kommentierte er.
Habeck nannte außerdem strukturelle Probleme Deutschlands, die sich über viele Jahre aufgebaut hätten.
Sinkende Inflation erwartet
Zudem habe die Bekämpfung der Inflation "zu hohen Zinsen geführt, was sich negativ auf die Investitionen der Unternehmen auswirkt". Bei der Inflation wird im Jahreswirtschaftsbericht für 2024 indes ein deutlicher Rückgang erwartet. Die Teuerung schwächt sich demnach in diesem Jahr auf 2,8 Prozent ab; 2023 hatte die Inflationsrate noch bei 5,9 Prozent gelegen.
Die Inflation sei "gezähmt", betonte Habeck. Die Lohnzuwächse seien spürbar und würden in diesem Jahr oberhalb der Inflationsrate liegen. "Die Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmer haben endlich auch real wieder mehr Geld im Portemonnaie, die Kaufkraft steigt", erklärte der Grünen-Politiker. Neue Rekordzahlen bei der Beschäftigung sowie beim Zubau und Anteil von erneuerbaren Energien seien außerdem wichtige Hoffnungszeichen.
Dennoch sei die Wirtschaft in "schwerem Fahrwasser", sagte Habeck weiter. Er verwies unter anderem darauf, dass auch knapp zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine der Krieg weiter auf der deutschen Wirtschaft laste.
Habeck erkennt Mitverantwortung der Ampel an
Gleichzeitig räumte Habeck eine Mitschuld der Ampel-Regierung an den wirtschaftlichen Problemen Deutschlands ein. "Sehr viele Entscheidungen sind mit sehr viel Lautstärke gefällt worden", sagte er mit Blick auf die vielen Streitigkeiten in der Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Wegen der Streitigkeiten hat die Regierung in vielen Umfragen massiv an Vertrauen in der Bevölkerung verloren.
Habeck sagte, die Ampel habe in großer Geschwindigkeit sehr weitreichende Beschlüsse getroffen und Reformen eingeleitet, die jahrzehntelang liegengeblieben seien. Dazu gehöre der Ausbau der Windenergie als auch eine stärkere Einwanderung, um Lücken auf dem Arbeitsmarkt zu schließen.
Kritische Reaktionen aus Wirtschaft und Politik
Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Martin Wansleben, sagte, der Wirtschaftsstandort Deutschland brauche dringend bessere Rahmenbedingungen – wie weniger Bürokratie, eine geringere Steuerbelastung und eine schnellere Integration von Migranten. "Es mangelt nicht an guten Vorschlägen. Die Politik darf nicht nur über die Verbesserung der Standortbedingungen reden, sondern muss endlich handeln."
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hält die im Jahreswirtschaftsbericht aufgelisteten Maßnahmen hingegen für unzureichend. "Es fehlt weiterhin der Befreiungsschlag, eine mutige und umfassende Agenda, die uns in Sachen Wettbewerbsfähigkeit wieder an die internationale Spitze bringt", sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller.
Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Julia Klöckner, kritisierte die Bundesregierung. Sie forderte, dass wirksame Sofortmaßnahmen zur Stärkung des heimischen Wirtschaftsstandorts ergriffen werden. Stattdessen führe die Uneinigkeit in der Ampel "zur Nichtentscheidung".
DPA/AFP/REUTERS (lik)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 21. Februar 2024 | 15:30 Uhr
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