Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, sitzt beim Handwerkspolitischen Forum Ost.
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Erstarken der AfD Habeck: Ampel muss schnell Vertrauen zurückgewinnen

15. Februar 2024, 00:06 Uhr

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck dringt die Ampelkoalition zu einer Vertrauensoffensive. Das Erstarken von Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus ausschließlich auf die Ampelpolitik zurückzuführen, hält er hingegen für falsch. Schlechte Konjunkturnachrichten hatte er in Leipzig zu verkünden.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht die Ampel-Koalition mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen im Osten in der Pflicht, sich schnell wieder Vertrauen zu erarbeiten. Im Gespräch mit MDR AKTUELL sagte der Grünen-Politiker: "Natürlich hat die Ampel jetzt nicht die stärkste Phase und nicht ein ausgeprägtes Vertrauen. Und eine Regierung, die kein starkes Vertrauen hat, die muss sich das Vertrauen schnell erarbeiten, sonst suchen sich andere Leute das Vertrauen." Habeck bezog sich dabei auf die hohen Umfragewerte der AfD.

Allerdings wäre es seiner Ansicht nach falsch, "das Erstarken des Rechtspopulismus, und man muss teilweise sagen: des Rechtsradikalismus," nur auf eine Ursache zurückzuführen. Das Problem gebe es in ganz Europa und in anderen Teilen der Welt, "und die werden gar nicht von Ampelregierungen regiert". 

Das sind tiefergehende Phänomene, die was mit den sozialen Medien, mit der Sprache, aber auch vielleicht mit dem ökonomischen Druck zu tun haben.

Robert Habeck Bundeswirtschaftsminister

Düstere Konjunkturprognose für 2024

Zuvor hatte er bei einem handwerkspolitischen Forum in Leipzig bekannt gegeben, ein "dramatisch schlechtes" Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent in diesem Jahr zu erwarten. „So können wir nicht weitermachen“, sagte er dort. Das Bundeswirtschaftsministerium selbst wollte die Zahl am Abend auf Medienanfrage nicht bestätigen.

Robert Habeck und Bäckermeister Martin Hennig bereiten Hefezöpfe auf der Mitteldeutschen Handwerkermesse vor.
Müsste jetzt größere Brötchen backen: Robert Habeck zeichnet kein erbauliches Bild des erwarteten Wirtschaftswachstums. Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas

Habeck erklärte weiter gegenüber MDR AKTUELL, dass sich wichtige Säulen der Wirtschaft veränderten: Es gebe kein Gas mehr aus Russland, die USA passten nicht mehr auf Europa auf und China sei nicht mehr der große Absatzmarkt. "Wir müssen alle aus der Komfortzone raus und mit frischem Kopf einen neuen Angang suchen, auch um Impulse für die Wirtschaft zu schaffen", sagte er. Dass offen und mutig darüber diskutiert werde, könne er aber schon beobachten.

Habeck stellt in der kommenden Woche den Jahreswirtschaftsbericht vor. Erwartet wird, dass die Bundesregierung ihre Konjunkturprognose für das laufende Jahr gegenüber der letzten Prognose im Herbst deutlich herunterschraubt und nur noch mit einem Mini-Wachstum rechnet. Bislang hatte die Regierung noch von einem Plus des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 1,3 Prozent gerechnet. Diese aus dem Oktober stammende Prognose gilt aber seit längerem nicht mehr als realistisch.

Sowohl das Münchner Ifo-Institut als auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sind noch optimistischer als die Bundesregierung. Die Ifo-Forscher senkten ihre Prognose für 2024 im Januar von 0,9 nur auf 0,7 Prozent, das IfW im Dezember von 1,3 auf 0,9 Prozent. Im März wollen sie neue Vorhersagen vorlegen.

Sowohl Habeck als auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) wollen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft stärken, die Vorschläge sind allerdings unterschiedlich.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters rechnet die Bundesregierung auch für das Jahr 2025 nur mit einem geringen Wirtschaftswachstum von einem Prozent. Die Agentur beruft sich dabei auf einen nicht näher genannten Insider.

Habeck: Klagewelle durch EU-Lieferkettengesetz möglich

Sorgen bereitet Habeck auch das EU-Lieferkettengesetz. Eine Einigung im Koalitionsstreit hält er aber dennoch für möglich. Es gebe begründete Sorge, dass das "ganze Ding" schiefgehe, sagte er am Abend bei einem Bürgerdialog des "Redaktionsnetzwerks Deutschland" in Leipzig. "Aber es gibt natürlich auch einen Korridor der Vernunft, dass man das Ganze so aufsetzen kann, dass man die Sorgen nehmen kann." Ob es gelinge, dahin zu kommen, könne er allerdings nicht sagen.

Mit einer deutschen Enthaltung infolge des Widerstands der FDP in der Ampel-Koalition könnte das gesamte EU-Lieferkettengesetz scheitern. Da sich unter den Mitgliedsstaaten keine Mehrheit abzeichnet, war eine geplante Abstimmung auf EU-Ebene verschoben worden.

Durch das EU-Lieferkettengesetz sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der Union profitieren oder durch ihre Produktion dort Umweltschäden verursacht werden. In Deutschland gilt seit 2023 ein nationales Lieferkettengesetz, das EU-Vorhaben geht aber darüber hinaus.  

Habeck sagte, beim geplanten Gesetz sollten auch deutsche Kläger, also etwa zivilrechtliche Organisationen, deutsche Unternehmen verklagen dürfen, wenn diese Arbeitsrechtsverstöße zum Beispiel in Bangladesch begangen hätten. Dies könne eine Klagewelle zur Folge haben. Davor habe die deutsche Wirtschaft zu Recht Angst. Die Frage sei aber lösbar.

MDR/dpa/REUTERS (lik)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 14. Februar 2024 | 19:23 Uhr

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