Autobauer in der Krise Betriebsrat: VW will mindestens drei Werke in Deutschland schließen
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28. Oktober 2024, 16:58 Uhr
Volkswagen plant nach Angaben des Gesamtbetriebsrats die Schließung von mindestens drei Werken in Deutschland. Zehntausende Stellen sollen wegfallen. Die verbleibende Belegschaft soll deutlich weniger Lohn erhalten. Ob das Werk in Zwickau geschlossen werden soll, ist noch nicht bekannt. Die Gewerkschaft IG Metall kündigte umgehend Widerstand an.
- Volkswagen will mehrere Werke schließen und viele Stellen streichen
- Auch die Zukunft der Standorte in Sachsen ist unsicher.
- Der Konzern verweist auf zu hohe Produktionskosten in Deutschland.
Volkswagen plant nach Angaben des Gesamtbetriebsrats den Abbau zehntausender Stellen und droht mit deutlichen Gehaltseinbußen. Betriebsratschefin Daniela Cavallo sagte am Montag bei einer Informationsveranstaltung in Wolfsburg, der Vorstand wolle in Deutschland mindestens drei VW-Werke schließen und sich zudem von Abteilungen und Bereichen trennen. "Niemand von uns hier kann sich noch sicher fühlen."
Es ist die klare Absicht, zehntausende Volkswagen-Beschäftigte in die Massenarbeitslosigkeit zu schicken.
Der Vorstand meine seine Pläne ernst, führte Cavallo weiter aus. "Das ist der Plan des größten deutschen Industriekonzerns, in seiner Heimat Deutschland den Ausverkauf zu starten. Es ist das feste Vorhaben, die Standortregionen ausbluten zu lassen. Und es ist die klare Absicht, zehntausende Volkswagen-Beschäftigte in die Massenarbeitslosigkeit zu schicken."
Den übrigen Mitarbeitern drohen nach Angaben des Betriebsrats deutliche Gehaltseinbußen. So fordere das Management dauerhaft zehn Prozent weniger Monatsentgelt, zwei Nullrunden in den Jahren 2025 und 2026 sowie das Aus von Zulagen und Boni, sagte Cavallo.
Auch Standorte in Zwickau, Chemnitz und Dresden unsicher
Es ist bislang unklar, welche Werke geschlossen werden sollen. Der Gesamtbetriebsratschef von Volkswagen in Sachsen, Uwe Kunstmann, sagte: "Im Moment ist kein Standort sicher." Das gelte auch für die E-Auto-Fabrik in Zwickau mit rund 10.000 Beschäftigten. Aber selbst bei einem Fortbestand würde den Plänen zufolge in Zwickau künftig nur noch auf einer statt zwei Fertigungslinien produziert.
Diese Abwärtsspirale werden wir nicht mitmachen.
Die Beschäftigten selbst bringen diese Pläne in Rage. In Zwickau zogen am Montag Tausende Mitarbeiter mit Trillerpfeifen, Rasseln und roten Weckern ans Werkstor und machten ihrem Unmut Luft. Kunstmann forderte ein Zukunftskonzept von der Unternehmensführung: "Diese Abwärtsspirale werden wir nicht mitmachen." Er drohte, dass die Beschäftigten ab Dezember bundesweit die Werke von Volkswagen lahmlegen werden. Dann gebe es einen "heißen Winter".
Nach Betriebsratsangaben wurden am Montag die Beschäftigten an allen deutschen VW-Standorten über die aktuellen Pläne des Unternehmens informiert – so auch in Zwickau, Chemnitz und Dresden. In Zwickau schätzte der Betriebsrat die Beteiligung auf mehr als 6.000 Mitarbeiter.
Betriebsrat: Das sind alles Managementfehler
Der Betriebsratschef von VW in Sachsen, Uwe Kunstmann, warf dem Konzernvorstand Versagen vor. Kunstmann sagte MDR AKTUELL, statt Werksschließungen und Massenentlassungen erwarte er vom Vorstand einen Masterplan. Es brauche neue Produkte, um Fabriken zu füllen und die Technologieführerschaft zurückzuerlangen. Kunstmann betonte, für die Misere bei VW könne keiner der Beschäftigten etwas. Das seien alles Managementfehler.
IG Metall kündigt Widerstand an
Auch die IG Metall will die Pläne nicht hinnehmen. Der Bezirksleiter für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, Thorsten Gröger, sagte: "Diese Rabiatpläne des Vorstandes sind in keiner Weise hinnehmbar und ein Bruch mit allem, was wir in den letzten Jahrzehnten im Unternehmen erlebt haben". Die Gewerkschaft erwarte, dass statt "Kahlschlagfantasien" von Volkswagen und seinem Vorstand am Verhandlungstisch "tragfähige Zukunftskonzepte skizziert werden".
VW und die Gewerkschaft verhandeln derzeit über eine Reihe von Tarifverträgen. Die nächste Verhandlungsrunde ist für Mittwoch angesetzt. Die IG Metall fordert für die VW-Beschäftigten unter anderem sieben Prozent mehr Lohn.
Konzern hält sich bedeckt
Volkswagen verteidigte am Montag seine Sparpläne, nannte aber keine Details. Personalvorstand Gunnar Kilian sagte, ohne "umfassende Maßnahmen zur Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit" könne sich der Konzern "Zukunftsinvestitionen nicht leisten". Angaben zu Werkschließungen, Lohnkürzungen und Stellenabbau machte Kilian nicht. Die Pläne sollen zuerst intern besprochen werden. Für die am Mittwoch anstehende Tarifrunde kündigte der Konzern "konkrete Vorschläge zur Senkung der Arbeitskosten" an.
So wie bisher können wir nicht weitermachen.
VW-Markenchef Thomas Schäfer betonte die hohen Kosten an den deutschen Standorten. "So wie bisher können wir nicht weitermachen", sagte er laut Mitteilung. "Wir sind an den deutschen Standorten nicht produktiv genug und liegen aktuell bei den Fabrikkosten 25 bis 50 Prozent über dem, was wir uns vorgenommen haben. Damit sind einzelne deutsche Werke doppelt so teuer wie der Wettbewerb."
Kanzler drängt auf Erhalt der Arbeitsplätze
Für den Erhalt von Arbeitsplätzen sprach sich am Montag Bundeskanzler Olaf Scholz aus. Er dringt gegenüber Volkswagen nach Angaben eines Regierungssprechers darauf, dass Probleme des Unternehmens nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden dürfen. Haltung des Kanzlers sei es, "dass es jetzt darum geht, Arbeitsplätze zu erhalten und zu sichern", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner in Berlin. Man wolle abwarten, was die Unternehmensführung selbst zu den Plänen erkläre.
Drastischer Sparkurs
VW hatte Anfang September einen drastischen Sparkurs angekündigt und einen Stellenabbau mit Werksschließungen in Deutschland in den Raum gestellt. Der Vertrag zur Beschäftigungssicherung und der Haustarifvertrag wurden gekündigt. Volkswagen hatte den verschärften Sparkurs damit begründet, dass der Autoabsatz in Europa deutlich gesunken ist und um zwei Millionen Autos unter dem Vor-Corona-Niveau liegt.
VW beschäftigt in Deutschland rund 120.000 Mitarbeiter, davon rund die Hälfte in Wolfsburg. Insgesamt betreibt die Marke VW in Deutschland zehn Werke, davon drei in Sachsen. Als besonders von einer Schließung bedroht gilt nach Angaben des Betriebsrates das Werk im niedersächsischen Osnabrück.
Reuters/dpa/MDR (ala)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 28. Oktober 2024 | 12:00 Uhr