Wo wir stehen - Die Deutschen am Ende von Merkels großer Koalition Koalitionspoker: 400.000 Wohnungen pro Jahr - woher kommt das Geld?
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17. November 2021, 11:11 Uhr
Bei den laufenden Koalitionsverhandlungen wird momentan hart verhandelt. So auch über den sozialen Wohnungsbau und die Mietenpolitik. Ein Blick zurück auf 16 Jahre unter Kanzlerin Merkel offenbart, dass beim Wohnen die soziale Spaltung trotz insgesamt steigendem Wohlstand in Deutschland zugenommen haben.
Es "ruckelt" in den Verhandlungen um eine mögliche Ampelkoalition. Jetzt kommen, nicht überraschend, die schwierigen Themen und mit ihnen die Konflikte. Auch bei der Wohnungspolitik stehen sich unterschiedliche Ansätze gegenüber. Die SPD hatte im Wahlkampf noch einen Mietenstopp gefordert und will Milliarden in den staatlichen Bau von Sozialwohnungen stecken, um in den großen Städten Sozialwohnungen und günstige Mietwohnungen zu schaffen. Gestiegene Baupreise, hohe Kosten für die energetische Sanierung und stetig steigende Bodenpreise machen das Bauen aber gerade immer teurer.
Mögliche Koalition uneins über Wohnungspolitik
Die FDP hingegen zweifelt am Sinn von Mietenstopp und staatlichem Bau von Sozialwohnungen. Wie der FDP-Bauexperte Daniel Föst im Deutschlandfunk sagte, setzt seine Partei eher auf die finanzielle Unterstützung der Einzelnen, die sich am Wohnungsmarkt nicht selbst versorgen können. Instrumente wie der Mietendeckel verschreckten überdies Investoren, so Först. Niemand würde bei gedeckelten Mieten mehr bauen oder Geld in bestehende Wohnungen stecken. Doch unabhängig von der Frage, ob nun ärmere Haushalte finanziell stärker unterstützt werden sollen oder der Staat selbst Sozialwohnungen bauen soll: Für beides braucht es eine ausreichende Finanzierung.
Ära Merkel: Steigender Wohlstand, größere soziale Spaltung
Doch wie ist eigentlich die Ausgangssituation? Ein Blick zurück auf 16 Jahre unter Kanzlerin Merkel zeigt, dass Deutschland trotz globaler Krisen wohlhabender geworden ist. Das Bruttoinlandsprodukt stieg fast kontinuierlich an. Im Ranking der Vereinten Nationen, das Lebenserwartung, Bildung und Wohlstand misst, steht Deutschland weltweit an sechster Stelle. Doch der gute Platz im "Index der menschlichen Entwicklung" kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich beispielsweise auf dem Wohnungsmarkt die soziale Spaltung immer deutlicher zeigt. So hat sich laut Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe während Merkels Kanzlerschaft die Zahl der Obdachlosen sogar verdreifacht. In Halle an der Saale, einer der drei ärmsten Städte Deutschlands, leitet Heiko Wünsch bei der Diakonie den Tagesaufenthalt für Wohnungslose. Die Menschen, mit denen er arbeitet, haben trotz des statistisch wachsenden Wohlstandes im Land fast keine Chance, wieder eine Wohnung anzumieten. So auch Volker Renne. Spielsucht und Alkohol hatten dazu geführt, dass der über 70-Jährige seine Rechnungen nicht mehr zahlen konnte. Am Ende wurde seine frühere Wohnung zwangsgeräumt und er lebte ohne Krankenversicherung über eineinhalb Jahre lang auf der Straße. Volker Renne ist es mit Heiko Wünschs Unterstützung nun trotzdem gelungen, wieder eine eigene Wohnung zu beziehen.
Sozialwohnungen für Obdachlose häufig keine Option
Dass Volker Renne jetzt wieder ein richtiges Zuhause hat, grenzt fast an ein Wunder. Denn selbst Sozialwohnungen sind häufig außer Reichweite, wenn Mieter wie er früher einmal Mietschulden angehäuft haben. Und gerade hier sieht Heiko Wünsch von der Diakonie die Politik in der Pflicht. Sie müsste über Sozialwohnungen hinaus mehr Wohnungen für Wohnungslose in ihrer speziellen Lage bereitstellen. Doch selbst Sozialwohnungen für Menschen ohne Mietschulden werden immer knapper. Gab es 1990 noch drei Millionen Wohnungen mit Sozialbindung, sind es heute nur noch etwas über eine Million. Laut Deutschem Gewerkschaftsbund fielen zuletzt jährlich etwa 65.000 Wohnungen aus der zeitlich begrenzten Sozialbildung heraus. Zwar startete die große Koalition unter Kanzlerin Merkel 2018 eine milliardenschwere "Wohnraumoffensive". Allerdings konnten die neu gebauten Sozialwohnungen – jährlich etwa 25.000 – die insgesamt sinkende Zahl nicht kompensieren.
Woher kommt das Geld für 100.000 neue Sozialwohnungen?
Im Sondierungspapier der möglichen Koalition zwischen SPD, Grünen und FDP ist nun vom Bau von 100.000 neuen Sozialwohnungen pro Jahr die Rede. Dafür braucht es aber viel Geld. Und bisher sprechen Beobachter davon, dass die Pläne der Ampelkoalitionäre trotz überraschend günstiger Steuerschätzungen finanziell nicht ausreichend unterlegt sind. SPD und Grüne wollen hohe Einkommen stärker besteuern. Die FDP dagegen hat im Wahlkampf versprochen, die Steuern nicht zu erhöhen und die Schuldenbremse einzuhalten. Viel finanziellen Spielraum wird also auch in der Wohnungspolitik nicht geben.
Quelle: MDR
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Wo wir stehen - Die Deutschen am Ende von Merkels großer Koalition | 17. November 2021 | 20:15 Uhr