Solarbranche Chinesische Konkurrenz setzt deutsche Solarzellen-Hersteller unter Druck

13. September 2023, 05:00 Uhr

Der Solarstrom in Deutschland soll massiv ausgebaut werden. Viele Betrieber setzen dabei auf billige Solarmodule aus China. Das setzt die heimischen Hersteller unter Druck. Diese mahnen Wettbewerbsverzerrung an.

Die Solarbranche in Deutschland hat einiges hinter sich: Anfang der 2000er Jahre Aufstieg und bedeutende Rolle auf dem Weltmarkt. Dann, ab 2012 der schrittweise Abstieg inklusive schmerzhafter Firmenpleiten – darunter viele in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Zum derzeit geplanten massiven Ausbau der Solarenergie sollte die Branche in Deutschland nun parallel wieder gestärkt werden. 

Doch die Branche selbst sieht sich derzeit einer extrem schwierigen Situation ausgesetzt. Seit rund einem halben Jahr werde Europa überschwemmt mit Solar-Modulen aus Asien, beklagt Detlef Neuhaus, Chef des Dresdner Unternehmens Solarwatt, das Photovoltaik-Anlagen herstellt. Die Module würden zum Teil bis zu 50 Prozent unter Herstellungskosten verkauft, sagte Neuhaus dem MDR.  

Unternehmen wie Solarwatt seien dem Dumping-Modell aus China schutzlos ausgeliefert, das sei eine Wettbewerbsverzerrung, so Neuhaus. "Und das hat nichts mit dem Schrei nach Förderung zu tun oder nach Geld von irgendwelchen Steuerzahlern. Es hat einfach nur was damit zu tun, dass wir zumindest in Ansätzen einigermaßen faire Wettbewerbsbedingungen haben wollen." Unter den Umständen, wie es momentan laufe, werde es keine Photovoltaik-Industrie in Europa geben.  

Solarmodule: Massive Importe aus China in die EU 

Doch worum geht es genau? In China werden weltweit mit Abstand die meisten Solarmodule gefertigt. Nach Angaben der europäischen Solarverbände European Solar Manufacturing Council und "Solar Power Europe lag die Herstellungskapazität für Solarmodule in China im vergangenen Jahr bei 552 Gigawatt – in der gesamten EU sind es nur zehn Gigawatt. Fast alle importierten Solarmodule kommen aus China, das Land hat fast eine monopolartige Stellung inne. Und von diesen produzierten Solarmodulen landen derzeit außergewöhnlich viele in Europa. Sie kommen vor allem über den Hafen Rotterdam in die EU und werden dann in den Niederlanden zwischengelagert. 

Aus einer Analyse des norwegischen Energieberatungsunternehmens Rystad Energy geht hervor, dass die Importe aus China die tatsächlich installierte Leistung in Europa inzwischen massiv übersteigen. Das Ergebnis: Bis Ende des Jahres werden laut Analyse Solarmodule mit einer Leistung von rund 100 Gigawatt in der EU eingelagert sein. Zum Vergleich: In der ganzen EU werden in diesem Jahr vermutlich PV-Anlagen mit einer Leistung von 60 Gigawatt installiert werden. 

Unternehmen wie Solarwatt aus Dresden sehen sich durch diese Schwemme billiger Solarmodule bedroht. Das Schweizer Solarunternehmen Meyer Burger, das bei Chemnitz mehrere hundert Menschen beschäftigt, schrieb jüngst in seiner Halbjahresbilanz: "Die globale Energiewende beflügelt die erneuerbaren Energien, vor allem im Solarbereich, weiter. Gleichwohl herrscht intensiver Wettbewerb, weil chinesische Anbieter den Markt in Europa mit nicht nachhaltigen Dumpingpreisen und fehlendem Marktschutz massiv verzerren." Meyer Burger musste nach eigenen Angaben im ersten Halbjahr durch die Preispolitik chinesischer Hersteller mehr als 13 Millionen Euro an Wertverlust von Solarmodul-Lagerbeständen hinnehmen. 

Es sieht also düster aus für die Solarindustrie in Mitteldeutschland: Solarwatt-Firmenchef Neuhaus sieht angesichts der PV-Schwemme ein großes Problem für seine Firma: "Wir wollten dieses Jahr noch weitere 150 Mitarbeiter einstellen. Aber wir werden nur die einstellen, die wir unbedingt brauchen. Wir treten kostenmäßig voll auf die Bremse."

Solarverband sieht Verdrängungswettbewerb 

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft, Carsten Körnig, sagte auf MDR-Anfrage, dass man aus Teilen der Mitgliedschaft Klagen über sehr niedrige Preise von Importprodukten und gewaltige Überkapazitäten gelagerter PV-Module in den Häfen höre. Genaue Zahlen lägen dem Verband dazu aber nicht vor. Die Situation sei aber folgendermaßen: "Derzeit wütet ein harter internationaler Verdrängungswettbewerb in der Solarbranche. Der Photovoltaik-Weltmarkt wächst rasant, wird perspektivisch das Umsatzvolumen der Automobilindustrie erreichen und daher für immer mehr Regierungen zu einem begehrten Investitionsobjekt", so Körnig.  

Neben China drängen gerade die USA in den Markt. Dafür erlassen sie Exportbeschränkungen – und können Firmen mit Mitteln aus dem Subventionspaket "Inflation Reduction Act" locken. Die EU setzte ihre Strafzölle auf chinesische Billig-Solarmodule bereits 2018 wieder aus. Zur Begründung hieß es, dass das im besten Interesse der gesamten EU sei. Man habe insbesondere die EU-Ziele für erneuerbare Energien berücksichtigt. Anders gesagt: Wer schnell viel Solarenergie zubauen will, ist dankbar für niedrige Preise.  

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Günther: Müssen extrem aufpassen 

Das sächsische Kabinett sendete bei seinem Besuch kürzlich in Brüssel deutliche Signale, dass man das Problem erkannt habe. Sachsens Energieminister Wolfram Günther (Grüne) sprach von einer "Dumping-Attacke" durch China. "Bei uns in Sachsen und Mitteldeutschland passiert gerade der Neustart der europäischen Solarindustrie. Wir müssen extrem aufpassen, dass diese Entwicklung jetzt nicht abgewürgt wird. Der Kahlschlag der Solarindustrie in den 2010er Jahren, das große Trauma der Branche, darf sich nicht wiederholen", sagte Günther. Von der Staatskanzlei hieß es später, auf Initiative von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sei die europäische Solarindustrie in einer Erklärung der Ministerpräsidenten ausdrücklich als wichtige Branche aufgeführt worden. Konkrete Unterstützungsmaßnahmen sind aber noch nicht bekannt. 

Solarwatt-Firmenchef Neuhaus fordert von der EU, dass für importierte Solarmodule künftig Nachweise für eingehaltene Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtstandards erbracht werden müssen. Ähnliche Forderungen waren auch von Sachsens Energieminister Günther zu hören. Es lägen zudem verschiedene Vorschläge auf dem Tisch, beispielsweise zum Aufkauf einheimischer Produktion über die Ukraine-Fazilität der EU. "Diese Module könnten dann für den energiepolitischen Wiederaufbau der Ukraine genutzt werden", heißt es von Günther. 

Der Preisverfall bei PV-Modulen und die damit einhergehende Gefahr für die deutsche Solarindustrie haben allerdings auch einen anderen Nebeneffekt: Der Kauf von Solarmodule wird auf absehbare Zeit deutlich billiger sein – die Kosten für die Energiewende könnten dadurch deutlich geringer werden. Das ist auch dem Bundeswirtschaftsministerium bewusst: In der aktuellen Photovoltaik-Strategie heißt es, entlang der gesamten Wertschöpfungsstufen gebe es in Europa nur sehr begrenzte Kapazitäten. Mit Blick auf die deutschen und europäischen Ausbauziele würden aus China importierte Produkte weiterhin eine wichtige Rolle spielen. 

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 13. September 2023 | 09:08 Uhr

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