Agri-Photovoltaik Test-Anlage.
Äpfel unter Dach: Agri-PV bedeutet Solar-Anlagen in lichter Höhe. Die Äpfel wachsen geschützt von Hagel, Sturm oder extremer Sonneneinstrahlung. Bildrechte: IMAGO/Jochen Tack

FAQ Fragen und Antworten zur Agri-Photovoltaik ("Agri-PV")

05. Mai 2023, 18:36 Uhr

Die Erwartungen, die mit Agri-Photovoltaik – also Solaranlagen in der Landwirtschaft – verbunden werden, sind riesig. Nicht umsonst hat Bundeswirtschaftsminister Habeck genau diese Methode bei seiner Photovoltaik-Strategie hervorgehoben. Doch was verbirgt sich dahinter und gibt es möglicherweise auch Schattenseiten?

Was ist Agri-PV oder Agri-Photovoltaik? 

Als Agri-Photovoltaik (Agri-PV) wird die Solarstromgewinnung auf dem Feld bezeichnet. Das heißt, landwirtschaftliche Flächen (Äcker, Wiesen, Obstplantagen) werden gleichzeitig für die Nahrungsmittelproduktion und die PV-Stromerzeugung genutzt. Dem "Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme" (Fraunhofer ISE) zufolge birgt sie unter allen integrierten Photovoltaikanwendungen besonders große Chancen. Nur rund vier Prozent der deutschen Agrarflächen würden demnach ausreichen, um mit hoch aufgeständerter Agri-PV bilanziell den gesamten aktuellen Strombedarf in Deutschland zu decken. 

Nicht die Leistung unterscheidet Agri-PV von Freiflächen-Anlagen, sondern die weitere Nutzung des Bodens. Grob differenziert das Fraunhofer ISE in offene und geschlossene Solarsysteme für Ackerflächen, Weideflächen und für Gewächshäuser und sogar Aquakulturen. Je nach Nutzart werden die Module bodennah (unter 2 Meter) aufgebaut oder "hochaufgeständert" (mehr als 2 Meter), sind sie vertikal angerichtet, schwenkbar oder auch lichtdurchlässig, bieten sie Raum für Tiere oder Platz für Ackerbaumaschinen.

Was wächst unter den Solarzellen?

Gras, wenn es um Weiden geht, Getreide, Ölpflanzen, Gemüse und Kräuter, aber auch Obst, Beeren, Hopfen und Wein – den die Module dann vor starker Sonneneinstrahlung schützen. In den Aquakulturen Fisch und Algen. Auch die Nutzung als Bienenweide gilt als Agri-PV.

Seit wann gibt es Agri-Photovoltaik? 

Laut Fraunhofer ISE wurde die Idee 1981 von den Gründern des ISE, Adolf Goetzberger und von Armin Zastrow vorstellt. Nach der Jahrtausendwende entstanden demnach erst in Japan, dann in Deutschland und später auch in Frankreich erste Anlagen. Inzwischen wird die Methode weltweit genutzt. 

Wie groß ist das Potenzial von Agri-Photovoltaik in Deutschland?

Nach einer Untersuchung der Uni Hohenheim und des Braunschweiger Thünen-Instituts könnten zehn Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe mit besonders guten Voraussetzungen auf knapp einem Prozent der Ackerfläche Deutschlands etwa neun Prozent des bundesweiten Strombedarfs decken. Das wäre so viel, wie drei Kernkraftwerke produzieren. Das Fraunhofer ISE gibt das technische Potenzial in Deutschland mit circa 1.700 Gigawattpeak (GWp) Spitzenleistung an.

Wo befindet sich das größte Agri-PV-Projekt weltweit? 

In China. Am Rande der Wüste Gobi. Es wird derzeit auf eine Leistung von 1 GWp (Gigawattpeak für Spitzenleistung) ausgebaut. Auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche dieser Anlage werden Goji-Beeren angebaut. 

Pflanzen brauchen Licht, verschatten die Anlagen nicht zu stark? 

Tatsächlich verschatten die Anlagen. Und das wirkt sich auf das Pflanzenwachstum aus. Das kann in sonnenreichen Jahren von Vorteil und in anderen eher von Nachteil sein, wie eine Untersuchung an einer der ersten Agri-Photovoltaikanlagen gezeigt hat. Klar wurde dabei: die Erträge sinken leicht – die Ertragsschwankungen aber auch.

Zudem gibt es inzwischen Anlagen, die sogar Schutzanlagen im Obst- oder Weinbau beispielsweise vor Hagel ersetzen können. So schreibt das "Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme" (Fraunhofer ISE), intelligent eingesetzt könnten die Module bei zunehmenden Wetterextremen Kulturen vor Hagel, Sonne und Wind schützen. Zumal sich schon jetzt Trockenperioden, Frost oder Hagelereignisse häuften. 

Gefährdet Freiflächen- und Agri-Photovoltaik Landwirte? 

Es kommt darauf an: Im besten Fall schränkt Agri-PV die landwirtschaftliche Nutzung der Böden kaum ein und Landwirte mit eigenem Boden verdienen sowohl durch traditionelle Produkte als auch durch Energie – oder daran, dass sie die Fläche an Investoren verpachten und den Boden weiter nutzen. Laut Fraunhofer ISE könnte die Agri-PV die Flächennutzungskonkurrenz mit der Landwirtschaft entschärfen. Denn gerade Landwirte, die auf Pachtflächen arbeiten, warnen inzwischen vor steigenden Pachtland-Preisen und davor, dass sie im Bieterwettbewerb mit Solarinvestoren um Pachtland leer ausgehen. Dem Branchenblatt "Agrarheute" zufolge liegen die Pachtgebote der Solarinvestoren bei über 2.500 Euro je Hektar und Jahr für PV-Freiflächenanlagen. Bauern demnach derzeit Ackerland für 274 Euro je Hektar.

Wie hat sich die Effizienz der Photovoltaik-Anlagen in den vergangenen 15 Jahren entwickelt?

Benötigte eine PV-Anlage vor 15 Jahren noch 3,5 Hektar pro Megawattstunde, so waren es 2021 nach Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) nur noch durchschnittlich 1,01 Hektar für dieselbe Menge. Weil die Module effizienter werden, wird die Flächeninanspruchnahme pro Megawatt installierter Leistung nach UBA-Einschätzung weiter sinken.  

Was bringt mehr Energie: Pflanzen oder Solarmodule? 

Solarmodule sind effizienter: In neuen Photovoltaikanlagen kann laut Umweltbundesamt pro Hektar jährlich rund 40-mal mehr Strom erzeugt werden als beim Maiseinsatz in Biogasanlagen. Wenn man also die Stromerzeugung durch Biomasse zurückfahre, "könnte somit ein Vielfaches der Flächen frei werden, die in Zukunft für zusätzliche konventionelle PV-Freiflächenanlagen benötigt werden." Laut Jonas Böhm vom Thünen-Institut ist der Stromertrag je Hektar bei Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen im Mittel 28-mal höher als bei Biogas.

In Böhms Abstract für einen längeren Artikel in der Zeitschrift "Berichte über Landwirtschaft" heißt es, mit Strom aus den Freiflächenanlagen könne mithilfe von Wärmepumpen im Mittel sogar 65-mal mehr Wärme auf der Fläche erzeugt werden als mit der Hackschnitzelproduktion aus Kurzumtriebsplantagen. Zum Vergleich führt Böhm Reichweiten bei einem Mittelklassewagen an. Könne man bei Nutzung von Raps für Biodiesel rund 57.000 Kilometer pro Jahr fahren, so seien es mit dem Strom aus einer Freiflächen-Solaranlage je Hektar und Jahr 4,6 Millionen Kilometer.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 05. Mai 2023 | 21:45 Uhr

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