Symbolbild zum Thema Preisdeckelung
Die Preisdeckel für Strom und Gas sind an viele Bedingungen geknüpft, weshalb nicht alle davon profitieren werden. Bildrechte: IMAGO / IlluPics

Energiekrise Industrie: Preisdeckel für Gas und Strom löst Probleme nicht

29. November 2022, 12:45 Uhr

Ab Januar soll es für die Preise von Strom und Gas eine staatlich garantierte Obergrenze geben. Ziel ist es, die Industrie zu entlasten, damit Arbeitsplätze erhalten bleiben und die Produktion weiterlaufen kann. Doch die Firmen sind über den Preisdeckel nur mäßig begeistert, da er aus ihrer Sicht viele grundsätzlichen Probleme nicht lösen wird.

Nikolaus Wiegand ist so etwas wie Deutschlands Flaschenkönig. Jede vierte Glasflasche stammt aus seiner Produktion. Seine Schmelzen in Bayern und Thüringen glühen bei bis zu 1.500 Grad. Das kostet viel Energie. Die Hilfen über die Energiepreisdeckel kommen aus seiner Sicht zu spät und sind auch viel zu kompliziert: "Ich glaube, das Strompreisbremsengesetz hat 157 Seiten Text und das Gaspreisbremsengesetz ist bei reichlich 130 Seiten. Da kriegt man schon einen Vorgeschmack darauf, wenn man nur die schiere Anzahl der Seiten sieht, die eng beschrieben mit Text sind, wie bürokratiearm das eben ausgestaltet wurde."

Der Regierungsplan klang zunächst einfach: Der Staat deckelt den Gaspreis für die Industrie bei 7 Cent je Kilowattstunde – zumindest für 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs. Doch nun stehen im Gesetzentwurf diverse Bedingungen drin, weswegen auch Wiegand-Glas wahrscheinlich nicht vom Preisdeckel profitieren wird.

De-Industrialisierung in Deutschland befürchtet

Das größte Problem aber: Selbst der gedeckelte Preis ist mehr als doppelt so hoch wie der Gaspreis 2021. Kann das die Industrie überhaupt ausreichend entlasten? Christof Günther, Chef des Chemieparkbetreibers Infraleuna, resümiert, der Deckel helfe, die größten Schwierigkeiten abzuwenden: "Aber dauerhaft sind diese Preise, auch die gedeckelten Preise zu hoch, um international wettbewerbsfähig zu sein. Das heißt, wir brauchen hier insgesamt auch für die europäische Industrie eine Entwicklung hin zur Normalisierung auch im Verhältnis zu unseren wichtigen Lieferländern, damit wir wettbewerbsfähig Rohstoffe und Energie beziehen können." Derzeit laufen die Anlagen im Chemiepark Leuna nur mit halber Kraft. Ob es mit Deckel ab Januar wieder 100 Prozent werden, ist fraglich.

Eine Studie der Unternehmensberatung PwC sieht Deutschland bereits vor einer De-Industrialisierung – trotz Preisdeckel. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Suhl, teilt diese Befürchtung: "Unsere Wettbewerber, die durchaus über den Atlantik sitzen, in den USA, breiten derzeit die Arme aus und entwickeln gute Investitionsförderprogramme und bieten sehr niedrige Energiepreise, die bei 25 Prozent unseres Niveaus liegen. Ich befürchte schon, dass sich große Teile unserer energieintensiven Industrie auf den Weg machen und kommende Investitionsentscheidungen möglicherweise für die USA treffen."

Preisdeckel halten Produktion nur wenige Monate am Laufen

Dass die geplanten Preisdeckel nur bedingt helfen, zeigt auch das Beispiel der Stickstoffwerke Piesteritz. Sie produzieren bei Lutherstadt Wittenberg aus Erdgas Vorprodukte für Dünger und AdBlue. Dafür sind gigantische Gasmengen notwendig. Doch über den Deckel sind je Unternehmen maximal 150 Millionen Euro Zuschuss erlaubt.

Damit komme man bei voller Produktion nur zweieinhalb Monate hin, sagt Sprecher Christopher Profitlich: "Die Alternative wäre, dass wir die 150 Millionen nicht schnellstmöglich verbrauchen, sondern über das Jahr verteilt. Heißt aber auch wiederum, dass die Produkte nicht so stark billig werden, wie sich das alle erhoffen, sondern sie werden nur moderat günstiger. Da ist wiederum die Frage: Ist dann noch die Wettbewerbsfähigkeit gegeben? Das sehen wir einfach nicht."

Unterm Strich sind die Preisdeckel ein Pflaster. Sie helfen für ein paar Monate, die Produktion am Laufen zu halten. Doch die Frage, was kommt eigentlich danach, die ist und bleibt unbeantwortet.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 29. November 2022 | 06:00 Uhr

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