Clubkultur in der Krise Clubkultur-Festival lädt zum Feiern und Debattieren
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01. November 2024, 12:58 Uhr
Das "Balance Club/Culture Festival" findet vom 1. bis 3. November in Leipzig statt. Zum sechsten Mal verbindet das interdisziplinäre Clubkulturfestival Musik, Diskurs und Kunst in verschiedenen Locations der Stadt. Die Stimmung ist ambivalent, die Szene befindet sich zwischen kommerziellem Techno-Hype, Krisen und politischen Verwerfungen. Das Festival-Team möchte Räume schaffen, Probleme zu diskutieren und zu fragen: Wie geht es weiter?
- Das Balance-Festival ist nach einem Jahr Pause zurück in Leipzig.
- Dabei werden an drei Tagen finanzielle und politische Spannungen der Clubszene thematisiert.
- Vor allem der Krieg in Gaza führe zu Unsicherheiten, sagt Ulla Heinrich vom Festival-Team.
In Leipzig beginnt am Freitag das "Balance Club/Culture Festival". Dabei sind bis Sonntag verschiedene Veranstaltungen geplant, darunter ein Workshop zum Upcyclen von Kleidung, ein Vortrag zum Thema "Ausverkauf elektronischer Musik", eine Clubnacht mit Yazzus, der Resident-DJ des Berliner Clubs Tresor, und ein Konzertabend mit Punk und Breakbeat im UT Connewitz. Unter dem Titel "Tensions", also Spannungen, soll es bei dem Festival darum gehen, was gerade in der Clubkultur los ist: Finanzielle und politische Anspannung.
Denn, so schreiben die Veranstalterinnen und Veranstalter, bei der Festivalplanung habe man sich "von einer gewissen Unsicherheit leiten lassen – von politischen Spannungen innerhalb aktivistischer Gruppen bis hin zum weltweiten Aufschwung des Populismus und seiner Anhänger*innen".
Festival in Leipzig zwischen Techno-Hype und Kultur-Krise
Ulla Heinrich ist seit 2019 Teil des Kollektivs und wünscht sich, dass "Menschen, die loslassen wollen, die feiern wollen, die Bock auf Live-Musik haben und Menschen, die sich für neue Sachen interessieren und Lust auf politischen Diskurs haben", während des Festivals zusammengebracht werden.
Das letzte Festival ist zwei Jahre her. Der vorige Jahresturnus wurde unterbrochen, damit sich das Festivalkollektiv erholen konnte, um jetzt ein weiteres Mal zu Diskurs, Feiern und Konzerten einzuladen.
Was derzeit nicht unbedingt leicht ist, trotz Techno-Hype bei Tiktok und Co. Heinrich sagt: "Die ganze Branche ist im Moment am wackeln. Umso froher sind wir, dass wir dieses Festival machen können. Es ist schon turbulent in der Musikbranche. Das kann man nicht anders sagen."
Finanziell angeschlagen durch Corona und Inflation
Clubs müssen schließen oder sind akut von Schließung bedroht. Das "Institut fuer Zukunft" ist eines der jüngsten Beispiele. Der Leipziger Club schließt zum Ende des Jahres. Die Bedrohung von Clubkultur soll auch auf dem Balance-Festival diskutiert werden.
Die Leute haben insgesamt weniger Kohle. Dinge wie Kunst und Kultur, das sind natürlich die ersten Sachen, die man streichen muss.
Die wirtschaftlichen Spätfolgen der Corona-Pandemie und Inflation spielen dabei weiterhin eine große Rolle. Nicht zuletzt sind das auch die Gründe vieler Menschen, Clubs nicht zu besuchen: "Die Leute haben insgesamt weniger Kohle, das merken wir alle an unseren Einkünften. Das heißt, Dinge wie Kunst und Kultur, das sind natürlich die ersten Sachen, die man streichen muss", so Heinrich.
Gäste seien darüber hinaus seit Corona durchaus unverbindlicher. Viele Menschen seien erst am Event-Tag sicher, dass sie eine Veranstaltung wirklich besuchen würden. Festlegen wolle oder könne man sich nicht mehr so wie früher.
Politische Verwerfungen in der Club-Bubble
Es geht aber um mehr als finanzielle Anspannung. Auch um eine Art kulturelle Spannung, sagt Ulla Heinrich: "Viel Innovation ist aus Clubkultur hervorgegangen, weil der Dancefloor politisch ist. Sei es, wenn es um den Gerechtigkeitsdiskurs geht, um Sichtbarkeit, um Repräsentation. Das heißt aber auch, dass der Krieg in Gaza im Kontext von Clubkultur verhandelt wird, ganz besonders sogar."
Heinrich beobachtet eine große Verunsicherung, wer mit wem solidarisch sei, wer mit wem zusammenarbeiten wolle. Es werde viel "gecancelt". Die wichtigste Frage derzeit ist wohl: Wie kann man diese Spannungen, Unsicherheiten lösen? Das Festival hat (noch) keine Antwort auf diese Frage.
Es gibt viele politische Verwerfungen, die in dieser Härte gar nicht notwendig sind. Da kommt das Festival ins Spiel. Weil wir versuchen wollen, Brücken zu schlagen.
Für das Team steht fest: "Wir müssen durchhalten, müssen die Zähne zusammenbeißen und natürlich auch weiter offen für Kritik und Selbstkritik bleiben. Und für neue Kooperationen." Sie wollen an den drei Tagen in Leipzig einen Raum bieten. Für alle, die gemeinsam darüber nachdenken wollen, wie es weitergehen kann.
Über das Balance Club/Culture Festival Das "Balance Club/Culture-Festival" findet vom 1. bis 3. November in Leipzig statt. Zum sechsten Mal verbindet das interdisziplinäre Clubkulturfestival Musik, Diskurs und Kunst in verschiedenen Locations, zum Beispiel im UT Connewitz und DUQO. Mit dabei sind nationale und internationale Acts wie Yazzus, Dornika und Catnapp.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR Kulturnachrichten | 01. November 2024 | 10:30 Uhr