Clubkultur Von einer Krise in die nächste: Club-Sterben in Mitteldeutschland
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17. November 2023, 04:00 Uhr
Die Clubkultur hat sich in den vergangenen 30 Jahren geändert. Krisen wie die Corona-Pandemie und die anhaltend hohe Inflation haben die Probleme noch verschärft. Auch dem Club Objekt Klein A in Dresden und dem Institut fuer Zukunft in Leipzig geht es finanziell schlecht. Ein Blick auf die Sorgen einer besonderen und wichtigen Szene.
- Clubs wie das Objekt Klein A in Dresden haben mit Einnahme-Einbrüchen zu kämpfen.
- Gestiegene Betriebskosten und weniger Publikum setzen sie unter Druck.
- Ein Interessensverband fordert, dass Clubs als soziokulturelle Orte anerkannt und staatlich mehr unterstützt werden.
Im Objekt Klein A (OKA) in Dresden wird seit sechs Jahren fast jedes Wochenende gefeiert und zu elektronischer Musik getanzt. Wer den Club ansteuert, kommt in den Genuss von Techno, House, Trance oder politischen Veranstaltungen und Filmabenden.
Das Feierverhalten der Leute hat sich verändert.
Partys in Dresden werden kürzer
Eine Clubnacht im Objekt Klein A, die normalerweise von Mitternacht bis 10 Uhr morgens geht, lohnt sich für die Macherinnen und Macher des Clubs allerdings immer weniger. Um fünf Uhr morgens leere sich der Club bereits, das könne man klar an den Umsatzeinbrüchen an der Bar sehen. Früher war das erst um acht Uhr der Fall, sagt Josi Went. Sie ist Bookerin und Mit-Geschäftsführerin des Dresdner Clubs.
"Das Feierverhalten der Leute hat sich verändert", fasst sie die Situation zusammen. "Altraver", also Feiermenschen jenseits der 30, die vor Corona, wenn auch sporadisch, große Lust am Feiern hatten, hätten sich durch die Corona-Pause entwöhnt, erklärt sie. Und die junge, nachkommende Generation, die feiere anders. Und zu anderer Musik.
Transparente Krisenkommunikation in Leipzig und Dresden
Inflation, Mieterhöhungen und gestiegene Kosten auf der einen Seite und die knappen Budgets unter den Gästen auf der anderen ergeben ein Defizit, das den Club an seine Grenzen bringt. Rund 60 Angestellte arbeiten im OKA. Dazu kommen freiwillige Unterstützerinnen und Unterstützer. Bisher musste niemand aus dem Team entlassen werden – noch.
Um Flurfunk und Gerüchte zu vermeiden, geht der Club ganz offen mit der Situation um und bittet auf seiner Website um Spenden. Das war kein leichter Schritt für die Betreiber: "Natürlich stellt sich die Frage, inwieweit macht man publik, dass es dem Club schlecht geht. Weil vielleicht Leute keine Lust haben, einen Club zu unterstützen, der eh kurz vorm Aus steht. So ist es bei uns zwar noch nicht, aber vom Narrativ her ist es schon eine Entscheidung", sagt Went im Interview mit MDR KULTUR.
Der Erhalt des Clubs braucht gerade alle Ressourcen auf und wir wissen weder, wie lange das noch klappt, noch auf welche Zukunft wir schauen.
Auch andere Clubs in der Region machen ihre Situation transparent und lassen ihre Gäste wissen, was hinter den Kulissen passiert und wie es auf dem Club-Konto aussieht. Der Leipziger Club "Institut fuer Zukunft" spricht in einem Transparenzbericht ganz ähnliche Probleme an, die auch Josi Went und ihr Team in Dresden beschäftigen.
Corona war Brandbeschleuniger
Hubert Langrock, Geschäftsführer des "Kalif Storch" in Erfurt, sagt zur Situation seines Clubs: "Am Ende des Abends bleibt bei uns weniger übrig. Wir können hier in Erfurt keine 25 Euro Eintritt nehmen, das geht nicht. Hier sind keine Touris, wie es in Städten wie Hamburg oder Berlin schon eher der Fall ist." Dazu komme der Anspruch, einen subkulturellen Ort zu schaffen. Und musikalisch-inhaltlicher Anspruch, der kostet letztlich Geld. Ein Teufelskreis.
Dabei sind die Probleme in Sachsen und Thüringen keine Einzelfälle. Vor und auch nach Corona wurde und wird im Clubkultursektor ohne viel Spielraum und finanzielle Sicherheit gearbeitet, sagt Christian Ordon. Er ist Geschäftsführer der Livekomm, dem Bundesverband der deutschen Musikspielstätten. Mehr als 700 Musikclubs und Festivals sind hier vertreten.
Corona war ein ziemlicher Brandbeschleuniger. Der finanzielle Druck ist immens gestiegen.
Corona sei ein Brandbeschleuniger für die Probleme der Club-Kultur gewesen. Der finanzielle Druck sei seitdem immens gestiegen, sagt Ordon. Die aktuelle Situation der Clubs bezeichnet er als dramatisch und fügt an: "Clubs drohen aus den Städten zu verschwinden."
Clubs als Orte für Demokratie
Ein Verlust von Clubs ist auch der Verlust von Vielfalt und von Räumen, in denen Demokratie, Utopie und Emanzipation verhandelt wird. Eine Forderung der Livekomm ist deshalb, dass sich der Bund, aber auch die Länder und Kommunen, stärker für Clubkultur einsetzen. Denn die Förderungen, die es aktuell gibt, reichen nicht aus, sagt Ordon.
Es sind ja nicht nur kulturelle Orte. Es sind Orte, in denen Demokratie gelebt und gefördert wird. Und das wird gerade in der jetzigen Zeit immer wichtiger.
Das Wort "Club-Sterben" wird bei der Fülle an Problemen innerhalb der Szene und auch bei der Livekomm diskutiert. Josi Went sagt: "Ich finde es gut, den Begriff als Kampfansage zu benutzen." Denn auf dem Spiel stehe nicht weniger als die Existenz von soziokulturellen Orten, fernab von Feiern und Techno.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Nachmittag | 17. November 2023 | 17:40 Uhr