Koalition im Krisenmodus | Teil 9 Verkehrswende mit Handbremse

15. September 2022, 13:06 Uhr

Nach zähem Ringen will die Bundesregierung einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket einführen. Wie genau das Ticket finanziert werden soll, ist noch lange nicht klar – Bund und Länder zeigen aufeinander. Es ist jedoch nicht so, als ob das Ticket der einzige verkehrspolitische Streitpunkt der Ampel wäre. Im Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung eine Verkehrswende vorgenommen. Diese scheint jedoch nicht nur wegen der Energiekrise unter die Räder zu kommen.

Torben Lehning
Bildrechte: MDR/Tanja Schnitzler

Es war zu beliebt, um es sterben zu lassen. Das 9-Euro-Ticket sorgte nicht nur bei Bürgerinnen und Bürgern für Rekord-Einsparungen, sondern auch bei der Deutschen Bahn für Rekordumsätze. Eine Win-Win-Situation mit einem positiven Effekt auf den bundesdeutschen CO2-Ausstoß. Laut Verband der Deutschen Verkehrsunternehmen (VDV) hat das 9-Euro Ticket in drei Monaten so viel CO2 eingespart, wie ein Tempolimit von 130 km/h auf den Autobahnen in einem ganzen Jahr bringen würde.

Familien konnten zum ersten Mal seit Jahren wieder in den Urlaub fahren, die Bahn gewann neue Fahrgäste dazu und konnte teilweise auch Pendlerinnen und Pendler zum Umsteigen bewegen. Lange zierte sich die FDP einer Fortführung des 9-Euro-Tickets zuzustimmen. Von "Gratismentalität" sprach der Finanzminister, von einer Unverschämtheit als Reaktion die Befürworter des Tickets.

Nachfolge mit Fragezeichen

Nach zähen Verhandlungen zum dritten Entlastungspaket bewegten sich aber auch die Liberalen und gaben ihre Blockadehaltung auf. Das 9-Euro-Ticket soll einen Nachfolger erhalten, erklärte Verkehrsminister Volker Wisssing nach der letzten rot-grün-gelben Klausurtagung auf Schloss Meseberg. Die Kosten für das einheitliche Nahverkehrsticket bezifferte Wissing von 49 bis 69 Euro.

Der Bund will sich das bis zu 1,5 Milliarden Euro pro Jahr kosten lassen und fordert nun die Länder zur Co-Finanzierung auf. Die zeigen sich von dieser Idee nicht gerade begeistert. Der Grüne Verkehrsminister aus Nordrhein-Westfalen, Oliver Krischer, sieht keine Spielräume für ein Nachfolgeticket und erklärt, dass NRW die anstehenden Kosten sonst mit einer Reduzierung des Angebots im ÖPNV kompensieren müsste. Ob es zur Nachfolge des bisher größten verkehrspolitischen Experiments in der Geschichte der Bundesrepublik kommen wird, ist also alles andere als sicher.

Probleme auf dem Abstellgleis 

Das prestigeträchtige Nachfolge-Ticket ist bei weitem nicht der einzige strittige Punkt in der Ampel. Die steigenden Energiepreise laufen Gefahr zum Totengräber des anvisierten Modernitätspakts zu werden. Die Kommunen wollen den ÖPNV ausbauen, haben aber kein Geld.

Nach deutschem Klimagesetz muss der Verkehrssektor bis 2030 die CO2-Emissionen nahezu halbieren. Wie das erreicht werden soll, konnte der Verkehrsminister bislang nicht erklären. Außerdem wollen viele Kommunen deutlich mehr Tempo-30-Zonen einrichten, um Todesraten und CO2-Ausstoß zu verringern. Die dafür notwendige Straßenverkehrsreform lässt auf sich warten, genauso wie auch die Reparatur von über 13.000 maroden Brücken auf Bundesstraßen und Autobahnen.

Bis 2030 will die Bundesregierung 15 Millionen E-Autos auf den Straßen sehen, laut Verband der Automobilindustrie hängt aber der Ausbau von Ladestrukturen meilenweit hinterher. Die Ampel-Parteien werfen sich gegenseitige Blockadehaltungen vor.

Wenn von der Verkehrswende nach der Legislaturperiode mehr übrigbleiben soll als ein 69 Euro teurer Nachfolger des 9-Euro-Tickets, muss die Ampel diese Blockaden abbauen.

Baustellen-Ampel: Krieg, Krise und Konflikte Noch keine deutsche Regierung nach der Gründung der Bundesrepublik 1949 musste eine solche Krise bewältigen.

Der Angriffskrieg Russland gegen die Ukraine beeinflusst das politische Handeln der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP auf fast allen Ebenen und stellt die Regierung im Herbst zahlreiche Probleme und schwere Entscheidungen.

Die zentrale Frage: Wie kann man die Belastungen durch die Folgen des Krieges für die Bevölkerung und die Wirtschaft zu begrenzen, dass Deutschland nicht in eine tiefe ökonomische und gesellschaftliche Krise rutscht. Die Parameter sind äußerst ungünstig: Ein Ende des Krieges ist nicht abzusehen. Die Energiepreise explodieren. Die Inflation strebt der 10-Prozent-Grenze zu. Unser Wohlstand ist bedroht. In den nächsten Tagen wollen wir mit unseren Beiträgen die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Baustellen der Regierung vorstellen und die bisher bekannten Lösungsansätze. Die Entwicklung ist allerdings so dynamisch, dass wir sicher den ein oder anderen Beitrag überarbeiten und der aktuellen Lage anpassen müssen.

Die Baustellen-Ampel: Alle Artikel der Serie

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 05. Januar 2022 | 06:30 Uhr

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